Ach Britta, das kenne ich. Erinnere nur an meine Diskussion mit Filo am Ausgang des Roundpens.... Da habe ich mich hinterher oft genug gefragt, was oder wie hätte ich das anders lösen können? Hätte ich es einfach durchgehen lassen sollen, oder, oder...?

Wenn Du in meinem Tagebuch den Bericht vom Extreme Trail heute liest, gab es da mit Amy auch so eine Situation.
Ich glaube, da hätte ich irgendwann aufgegeben oder hätte gesagt, o.k. wenn sie nochmal mit einem Fuß drin war, ist für heute Schluß.
Aber Noemie blieb einfach ruhig und stur dran. Amy hatte anfangs sicher Angst davor, aber mit der Zeit trat sie immer mal wieder mit einem Fuß hinein. Ihre Reaktion und Mimik veränderte sich dabei mehr und mehr von ängstlich zu "ich will das nicht!" und sie fror quasi vor der Box ein und wollte sich garnicht damit beschäftigen.
Als sie dann - nach einer Stunde! - einmal durch war, hätte ich sicher an dem Punkt aufgehört. Aber nein, Noemie schickte sie nochmal durch, dann auch von der anderen Seite, und schließlich ging Anne nochmal selber mit ihr durch. Das war alles kein Thema mehr.

Es ist einfach schwer, den richtigen Punkt zum Aufhören zu treffen. Und wenn man den einmal verpaßt hat, ist es noch schwerer, dann einen guten Abschluß zu finden.

Ich denke das haben wir alle schon mal durch, ich kenne solche Situationen auch. Und auch mit mir geht dann mal der Ehrgeiz durch, oder ich denke das ist nur Sturheit und ich muss dran bleiben, das Schlimme ist das ich dann nicht immer unbedingt ruhig und geduldig bleibe, da habe ich dann hinterher auch ein schlechtes Gewissen.

Da immer das richtige Gefühl zu haben schafft man nicht immer, aber wichtig ist das man aus seinen Fehlern lernt und ich denke das tun wir.

Gut dass uns die Pferde so viel verzeihen

Ach Britta, Du schreibst mir aus der Seele.

So oft habe ich mich vor meinem Pferd geschämt, weil ich mehr Ehrgeiz entwickelte, einen Erfolg zu erlangen, wie er und ich am Ende nicht sicher war, ob ich ihm Unrecht tat, weil er es vielleicht gar nicht begriff, was ich von ihm erwartet hatte. Doch dann gab es Situationen, in denen ich das Gefühl hatte, er hätte nur keine Lust und würde ich nun aufgeben, ich seine Verweigerungshaltung nur fördern oder gar belohnen würde.

Ich musste uns Beiden schlussendlich eine Denkpause geben und habe 11 Tage lang gar nichts mit ihm gemacht, um zu einem Fazit zu gelangen.

Ich wollte nicht ungerecht sein – das will wohl auch keine von uns, die wir unsere Pferde lieben und somit auch Du nicht – aber andererseits ist da ja auch dieser Wunsch nach einem Fortschritt und wenn man da nicht irgendwann mal an die Grenzen dessen geht, was das Pferd kann und anbietet, wird das auch nie mehr werden. Also überschreitet man diese Grenze, indem man mehr verlangt, als das Pferd kann und anbietet und bewegt sich damit auf dem schmalen Grad zwischen zuviel Nachsichtigkeit und Ungerechtigkeit. Dazwischen liegt das Optimum der Förderung des Pferdes, die es motiviert, selbst mehr zu lernen.

Mir wird oft zuviel Nachsichtigkeit vorgeworfen, aber ich weiß, dass ich viel zu oft ungerecht war und Grund hatte, mich vor meinem Pferd zu schämen, das mir vertraut und das ich enttäuschte.

Mich trieb in der Vergangenheit viel zu oft der Ehrgeiz an, mehr zu wollen, neue Ziele zu stecken, um sie natürlich auch zu erreichen. Inzwischen frage ich mich aber oft: „Tue ich das fürs Pferd oder für mich? Macht es nur mir Spaß oder auch ihm?“

Ich schaffe es nicht immer fair zu sein und nicht in die Ungerechtigkeit abzurutschen, aber inzwischen versuche ich, was das Erreichen von Zielen angeht, einfach gelassener zu sein.

Ellen schrieb: „Lilo zieht seine Show ab und Sabine darf mitspielen“. Das trifft mein Turnen mit Lilo absolut. So mancher würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil Lilo viel Mitspracherecht hat oder sogar den Ton angibt und tatsächlich kann er viel, aber er tut es nicht unbedingt zuverlässig auf meinen Wunsch, sondern eher, wenn er die Keksausgabetasten überprüft – dann staune ich manchmal, was er alles kann und denke mir „Du hinterhältiger Ganove – da tust Du so, als wüsstest Du nicht, was ich von Dir will und dann zauberst Du Lektionen aus dem Hut, die ich von Dir zu sehen längst aufgegeben habe!“

Früher hätte ich das so nicht akzeptiert. Aber früher hatten meine Pferde auch nicht so viel Spaß mit mir beim gemeinsamen Turnen. Es gab früher Tage, da lief Lilo auf der Weide vor mir weg, weil er keine Lust mehr hatte, mit mir zu turnen. Längst erwartet er mich mit fröhlichem Wiehern, entzücktem Blubbern oder gar mit einem Kunststückchen, das er mir vorführt, weil er weiß, dass er mich damit begeistert.

Darum ist die Freude zu meinem Gradmesser beim Lilo-Turnunterricht geworden. Ich frage Lektionen meist nur einmal ab und manchmal muss ich mich mit einer mittelmäßigen Ausführung zufrieden geben, weil ich weiß, dass wenn ich ihn nun wieder und wieder mit Wiederholungen nerve, er ganz zu macht. Anfangs war ich sicher, dass das schief geht und er dann gar keine Fortschritte mehr macht, wenn ich so genügsam in meinen Ansprüchen bin. Er aber hat mich gelehrt, dass es gar nicht um die Perfektion geht, sondern darum, dass wir beide unseren Spaß behalten. Wenn er die Piaffe eher dahinschlurt, obwohl ich weiß, dass er sie richtig gut ausführen kann, dann lobe ich ihn trotzdem – verhalten zwar und mit einem „Na eigentlich kannst Du das besser!“, aber wenn er dann das Kompliment, an dem wir so lange übten, von sich aus anbietet, dann freue ich mich darüber und ärgere mich nicht mehr über die versiebte Piaffe. Er greift mir auch oft vor, weiß, was ich will und vergisst mich dann mitzunehmen. Aber da ist so viel Begeisterung und Motivation in ihm, dass die Freude eben doch wieder überwiegt, weil ich merke, dass es ihm Spaß macht.

Es gab eine Zeit, da lief er in der Halle seinen eigenen Weg. Wollte ich ihn aufhalftern, wich er mir aus. Seit ich aber meinen Anspruch an ihn gering halte und die Freude in den Vordergrund stelle, stehe ich immer im Fokus seines Interesses und das Faszinierende ist, dass ich Lektionen, die ihm zu erarbeiten einst so schwer fielen, plötzlich im Repertoire sind und er viel entspannter mitturnt, ja sogar förmlich darauf wartet, dass er sich selbst übertreffen darf und mitdenkt, wenn ich etwas Neues mit ihm übe.

Als mir im Forum geraten wurde, meine Ansprüche herunter zu schrauben, Lektionen in ganz kleine Schritten aufzubauen, um immer einen Erfolg feiern zu können und nicht frustriert zu werden, da fürchtete ich, dass Lilo dann das Level beim ersten Schritt belässt und gar keine Motivation verspürt, den nächsten Schritt anzugehen. Zuerst war das auch so, weil ich immer noch vom Ehrgeiz getrieben wurde und er eben zu funktionieren versuchte – aber eben ohne eigenen Ehrgeiz. Im Gegenteil: Ich hatte das Gefühl, dass er sich dachte: „Ich habs doch gemacht was Du wolltest und jetzt lass mich in Ruhe!“

Jetzt fragt er: „Soll ich noch mal? Ich kann das sogar noch besser!“

Sein Ehrgeiz wuchs erst mit meiner Begeisterung über die Mini-Fortschritte und als ich auch das Mittelmaß als Angebot akzeptieren und mich darüber freuen konnte.

Aber ich gebe zu, dass es nicht leichter geworden ist, den Punkt zu finden, an dem man besser aufhört, denn zu sagen: „Hör auf, kurz bevor das Pferd den Spaß verliert und nicht erst, wenn es schon frustriert und demotiviert ist“, würde ja bedeuten, dass wir den Punkt kennen ... aber den kann man nur fühlen. Manchmal aber, fehlt mir dieses Gefühl und wenn ich merke, dass ich so einen Tag habe, an dem meine Laune schon Richtung „Unzufriedenheit“ tendiert, dann lasse ich Lilo auch lieber auf der Weide stehen, als mich bei ihm unbeliebt zu machen.

Einen besseren Tipp habe ich leider nicht.