Um das Problem angemessen zu schildern, muss ich etwas ausholen:
Es geht um eines der Pferde aus der Offenstallgruppe, Luke, einen ca. 10jährigen Wallach. Er lebt seit etwa sieben Jahren in besagter Gruppe, deren Mitglieder über die Jahre allerdings mehrmals gewechselt haben. Luke selber ist in der Gruppe ranghoch, mittlerweile ist er sogar der Chef, obwohl er im Umgang mit Menschen und teilweise auch "draußen" oft eher unsicher und ängstlich ist.
Schon immer hatte er den Hang, dass er von Zeit zu Zeit seine fünf Minuten bekam und dann eines der Pferde aus der Gruppe aufs übelste jagte und biss bzw. trat. Das kam aber immer nur sporadisch vor, ich sage mal, so ein oder zwei Mal im Jahr. Wen er sich da ausguckte, das war immer verschieden. Oft aber auch Stuten, Joya zum Beispiel hatte er auch schon mal "dazwischen", obwohl die beiden sich eigentlich ganz gerne mögen und auf der Wiese auch oft zusammenstanden und grasten.
Es gab hierzu verschiedene Theorien, z.B. dass er zu wenig Aufmerksamkeit und Beschäftigung hätte (seine Besitzerin beschäftigte sich gar nicht mehr mit ihm). Das passt aber eigentlich auch nicht, weil er seit einem Jahr (oder länger?) eine RB hat, die regelmäßig was mit ihm macht. Eine andere These war, dass er quasi größenwahnsinnig ist, seit er kein anderes Pferd mehr über sich hat. Auch diese Theorie passt nicht so recht, denn er hatte früher zwei andere Pferde über sich und hatte es da aber auch schon manchmal gemacht. Nächste Überlegung: Er ist im Grunde mit der Chefrolle total überfordert und dreht deshalb so auf.
Wie auch immer. In diesem Frühjahr geht jetzt gar nichts mehr!
Luke geht gezielt auf die Pferde aus dem Stall los, sobald diese mit auf die Wiesen gelassen werden. Er jagt sie, besonders eine Stute und einen Wallach, und hört damit auch nicht auf, beißt und tritt und setzt ihnen wieder nach und immer so weiter. Klar, dass das nicht geht! Luke wurde daraufhin von den anderen getrennt und kam auf ein Stück Wiese neben den anderen. Das hat er ganz gut akzeptiert. Abends bzw. für die Nacht kam er dann wieder mit seiner Offenstallgruppe zusammen, während die Stallpferde die Nacht in den Boxen verbrachten. Das funktionierte so jetzt seit ca drei oder vier Wochen und war vielleicht nicht die superzufriedenstellende Lösung, aber immerhin überhaupt eine Lösung.
Seit zwei Tagen nun geht er auch auf die Offenstallpferde los, sobald alle hochgeholt werden. Auch hier gibt er keine Ruhe und fliegt immer wieder neue Attacken. Kein Pferd ist vor ihm sicher. Es wurde lange unter Aufsicht probiert, so dass man immer wieder eingreifen konnte. Ohne Aufsicht? Das mag ich mir gar nicht vorstellen.
Es geht also nicht. Luke steht jetzt auch nachts alleine. Zum Schutz für alle anderen. Aber auf die Dauer ist das natürlich keine Lösung. Aber ich traue es mich auch nicht mehr, mein Pferd dazuzustellen, und so geht es allen anderen Pferdebesitzern auch.
Was tun? Hat jemand Ideen? Was können wir nur mit ihm machen?
Die Besitzerin würde ihn auch in gute Hände abgeben, am besten in Gesellschaft eines ranghohen Pferdes.
Puuuuuuh, sehr schwierig. Wir hatten im Laufstall mal einen ählichen Fall, der Wallach drangsalierte mit einem anderen zusammen die Gruppe. Die beiden arbeiteten sozusagen im Team. Der Wallach musste den Stall verlassen, um die Gruppe zu schützen und hat sich in anderer Umgebung wohl positiv entwickelt. Manchmal sind solche Verhaltensweisen auch wirklich an eine Gruppe gebunden. Vielleicht eher ein pseudo dominanter, der mit Angst und Schrecken regiert, aber eigentlich nicht wirklich respektiert wird und ständig Stress hat, seinen Status zu verlieren, da er ihn eben nicht natürlich besitzt.
Am Stall selbst wird eine Lösung schwierig, der muss meiner Meinung da raus, auch für ihn selbst. Ob allerdings eine Haltung mit EINEM anderen ranghohen Pferd die Lösung ist, finde ich fraglich. Die hauen sich vielleicht gegenseitig die Köppe ein.
Hört sich wirklich nicht nach ranghoch an. Ein ranghohes Pferd hat sowas eigentlich nicht nötig. Vielleicht ist dieser Stall auch einfach nichts für ihn - egal mit welchen Pferden, weil er einen größeren Individualraum braucht, der dort nicht vorhanden ist. Wenn er permanent unter Stress steht löst sich irgendwann das Ventil und je länger er in der Situation verbleibt, um so häufiger muss er Dampf ablassen. Ich finde auch, er muss da raus.
Ich habe es vielleicht nicht ganz gut geschildert:
So extrem wie jetzt ist es erst seit diesem Frühjahr. Vorher war er durchaus verträglich, hat auch immer wieder gerne mit anderen Pferden gespielt und hat sich - bis auf die "fünf Minuten" ein, zwei Mal pro Jahr - vollkommen normal verhalten und war total friedlich. Er wirkte also nicht ständig gestresst oder unter Druck.
Schwierig und eigentlich auch unmöglich ist es jetzt seit wenigen Wochen bzw. seit zwei Tagen, seit er nun auch in seiner Offenstallgruppe Pferde angreift.
Und, ja, es geht um den Schutz der anderen, aber auch um seine Lebensqualität, die arg leidet, wenn er immer separiert wird.
Es geht ja ums Jetzt und wenn der Wallach jetzt die anderen Pferde jagd, beisst und verletzt, dann ist es nicht so wichtig, wie friedlich er vorher war. Die Pferde müssen geschützt werden, weil das grossen Stress und Verletzungsgefahr für sie bedeutet. Wir hatten eine Araberstute im Offenstall, die in der Gruppe absolut nicht zurecht kam, aggressiv wurde und es an meinem Hafi auslebte. Als wir die Stute aus der Gruppe heraus nahmen, sie hatte ihre eigene Box und einen riesigen Auslauf neben den anderen Pferden, wurde sie richtig glücklich, entspannt und freundlich. Sie war nicht für die Gruppenhaltung geeignet, auf der Weide war es kein Problem (mehr Ausweichmöglichkeiten?). Vielleicht würde sich der Wallach in separater Haltung wohler fühlen? Als souveränder Herdenchef hört er sich nicht an.
Da kann ich auch etwas beisteuern - in unserer großen Offenstallgruppe (je nach Füllung 15-25 Pferde gemischt) gab es hin und wieder solche Probleme.
Wir haben aktuell einen Wallach, der ganz klar ähnliche Eigenschaften hat : Er wird grundlos plötzlich aggressiv und geht dann auf beliebige Pferde los - und das auch ziemlich heftig. Allerdings hält sich das Ganze in Grenzen, da er nicht Chef ist und so doch immer wieder "eingenordet" wird weil er nervt. Wäre er der ranghöchste, würde das sicherlich nicht klappen.
Einen Wallach bekamen wir mal dazu, der vorher ausschließlich Koppelgang in Kleingruppen gewöhnt war. Der wurde so aggressiv, dass er nach 3 Monaten wieder gehen musste. Heute lebt er äußerst zufrieden mit einer Stute zusammen, die seine beste Freundin ist. Anscheinend kam er mit der großen Gruppe nicht zurecht.
Ich denke auch, dass sich Konstellationen und Gemütszustände ändern können - und dass es durchaus sein kann, dass diese Gruppe jetzt nichts mehr für den Wallach ist. Ganz allein stehen finde ich auch nur eine Notlösung, aber vielleicht kann man ihn ja mit einem anderen Pferd vergesellschaften ? Mir wäre das auch zu gefährlich, bei uns gab es durch solche Aggressionen schwere Verletzungen. Da fehlt nämlcih genau die Zurückhaltung, die sonst dafür sorgt dass zwar gerangelt, aber nicht ernsthaft gekämpft wird.
Richtig gute Herdenchefs findet man eh selten - die meisten decken nur Teilbereiche ab. Unser aktueller Chefwallach ist ein echter Womanizer, alle Mädels lieben ihn und er ist äußerst charmant und fürsorglich mit allen (hat aber keinerlei Deckambitionen). Wenn sich allerdings zwei Wallache bekriegen, ist ihm das wurscht - außer es nervt ihn in seiner Nähe. Ein richtig guter Chef (in unserer zweiten Gruppe) kümmert sich ja um alles : Streß zwischen anderen Pferden, er schreitet ein wenn es zu arg wird, er bestimmt wie neue integriert werden und wann und er sorgt in unruhigen Zeiten für Ruhe in der Gruppe. Der Gute hat bei 20 Pferden aber echt nen Vollzeitjob
Es könnte aber auch ein gesundheitliches Problem der Auslöser sein. Vielleicht hat er Schmerzen und reagiert deshalb "frustriert" über? Wurde das mal abgecheckt? Ich weiß, ist super schwierig und aufwendig aber ich hab schon sehr oft von solchen Fällen gehört, wo später herauskam, dass sie Schmerzen oder einen Tumor oder Magengeschwüre haben.... LG
Es heißt ja auch von Klopphengsten, dass sie mit der Zeit oft aggressiv werden, weil die im Bauchraum verbliebenen Hoden/Nebenhoden entarten. Vielleicht wurde bei dem ja was "vergessen"? Das könnte man durch einen Hormonstatus herausfinden.
Ansonsten ist die Konstellation "gemischte Herde" halt grundsätzlich sehr unnatürlich und bietet jede Menge Stoff für Konflikte. Besonders wenn die Pferde dann noch zeitweise getrennt und dann wieder zusammen stehen.
Ich habe bei mir im Stall auch so ein exemplar stehen. Der Wallach von meiner Bekannten. Dreht nun auf, und ist ziehmlich agressiv. Aus dem Nichts heraus. Wenn das bis Herbst, Ende der Weidezeit, nicht deutlich besser ist. Muß sie leider wieder gehen, oder er steht alleine.
Ich hatte das auch bei meiner Stute Querida. Da hat allerdings das Cushing die Wesensveränderung verursacht. Ist zwar nun deutlich besser, aber so eine Grundtendens ist noch vorhanden.
Evtl mal testen?
"Die Reitkunst ist eine unendlich schwere Kunst, und noch niemand ist wohl in vollem Sinne Meister darin geworden, bevor ihm das Alter den Schädel gebleicht hat."
Wenn das Pferd seit 7 Jahren in der Gruppe steht und vorher 'nur' gelegentliche Aussetzer hatte, würde ich auch eine körperliche Ursache in Betracht ziehen, die das schon vorher angelegte Verhalten plötzlich so verstärkt. Stoffwechselprobleme (gerade Leber- und Nierenschäden), hormonelle Imbalancen, Schmerzen, Borreliose, Borna (gerade letzteres ist für das Auslösen von Aggressionen bekannt)?
Mein Richard neigt ja auch zu solchen aggressiven Ausrastern, er treibt es aber zum Glück nicht so weit und jagt nicht; er belässt es beim 'Scheinangriffen'. Und er ist ja nun Stoffwechselpatient vor dem Herrn und zudem sehr stressanfällig. Bei ihm wird es auch schlimmer, wenn er sich unwohl fühlt oder gestresst ist. Etwas Besserung hat bei ihm auch die zugabe von Mönchspfeffer gehabt; der regelt ja generell Hormone, nicht nur Sexual- sondern auch Stresshormone.
Das Mönchspfeffer auch Steßhormone beeinflußt, habe ich nun noch nicht gehört, werde es aber meiner Einstellerin sagen. Evtl. hilft es ja ihrem Pferd.
"Die Reitkunst ist eine unendlich schwere Kunst, und noch niemand ist wohl in vollem Sinne Meister darin geworden, bevor ihm das Alter den Schädel gebleicht hat."
Zitat von gabi im Beitrag #11Das Mönchspfeffer auch Steßhormone beeinflußt, habe ich nun noch nicht gehört, werde es aber meiner Einstellerin sagen. Evtl. hilft es ja ihrem Pferd.
So ist es mir zumindest erklärt worden - dass er generell hormonausgleichend wirkt. Teilweise wird Mönchspfeffer ja auch zur Unterstützung bei Cushing/Pseudo-Cushing eingesetzt (nicht ganz unumstritten), das ja auch mit einer übermäßigen Ausschüttung des Stresshormons Cortisol einhergeht.
Wir hatten vor Jahren einen Wallach in unserer gemischten Gruppe, der letztlich nach knapp 3 Monaten wieder gehen mußte. Diese kleine "Schnappschildkröte" bekam ebenfalls nach mehreren ruhigen Tagen plötzliche Aussetzer und vermöbelte "grundlos" andere Pferde. Selbst der Herdenchef und die Chefin wurden zum einen nicht verschont, zum anderen hatte ich den Eindruck, sie ignorierten sein abartiges Verhalten bewußt und versuchten die Situationen irgendwie zu deeskalieren, weil es sonst vermutlich Tote gegeben hätte.
Angeblich laut PB stand der Wallach vorher und nachher problemlos in kleineren Herden und kam nur mit der Gesamtsituation in der 18 köpfigen Herde nicht zusammen. Andererseits hörten wir jedoch auch aus anderen Ställen der Umgebung, daß der Wallach immer wieder zu Problemen führt bzw führte und die TÄ der Gegend sind immer recht alarmiert, wenn er wo auftaucht - denn dann ist mit vermehrten Verletzungen zu rechnen.
Meine Theorie zu dem Pferd war, daß der Wallach je nach Frustlevel nach der täglichen Arbeit mit seiner Besitzerin ein Ventil brauchte, wo er seinen immensen Druck und die innere Anspannung ablassen konnte. Seine SB arbeitete das Pferd mit extremen Futterbelohnungen "auf einer Art Clickerbasis". Das Pferd war immer auf extremer innerer Anspannung, wenn die PB da war und machte auf mich den Eindruck einer überspannten Feder, die jeden Moment explodiert. Und gerade nach Tagen, wo er auf Turnieren oder Shows war, passierten dann in der Nacht die heftigsten Übergriffe...
Ich hatte gestern Abend noch was geschrieben, aber dann vergessen abzuschicken und nun ist es weg, und was ich schreiben wollte war schon gesagt. Mein erster Gedanke: Ist er gesund? Kein chemisches oder neuronales Ungleichgewicht irgendwo? Können Schmerzen ausgeschlossen werden? Ich z.B. habe Arthrose seit ich 8 jahre alt bin. Sie "nervt" eigentlich nur im Frühjahr und gelegentlich im Herbst. Das gibt dann neben dumpfen Dauerschmerzen gelegentlich feine "heiße, helle" Pikser, bei denen ich glatt zu Boden sinken möchte (oder alternativ jemanden schlagen ) .
Auch der Gedanke mit dem Streß kam mir. Manchmal ist es ja ein kleiner Tropfen der das Faß zum überlaufen bringt, und man weiß als "Außenstehender" gerade gar nicht, womit man eine heftigere Reaktion verdient hat - und hat das auch eigentlich nicht, man hat nur den einen Tropfen beigesteuert der nicht mehr verarbeitbar war.
You can never know everything, and part of what you know is always wrong. Perhaps even the most important part. A portion of wisdom lies in knowing that. A portion of courage lies in going on anyway. (Al'Lan Mandragoran)
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23.05.2017 23:00
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