Wie im anderen Thread angedroht mach ich mal einen weiteren Beitrag auf, um Schwarmwissen zu sammeln.
Ich bitte hier um Erfahrungen zu den verschiedensten gebisslosen Zäumungen und welche Eure Pferde aus welchem Grund mögen bzw ablehnen.

Die Anzahl der verwendeten gebisslosen Zäumungen ist ja in den letzten Jahren regelrecht explodiert - wenn man bedenkt daß es vor ca 30 Jahren als einzige ( in Europa bekannte ) Alternative eigentlich nur das gute alte mechanische Hackamore inklusive aller Schaudermärchen dazu gab

Dieses sehr martialisch aussehende "Folterinstrument", das sich nach wie vor, vor allem in den Springreiterlagern, hält, war die erste mir bekannte gebisslose Zäumung, mit der ich seinerzeit Kontakt hatte.
Die Wirkung wurde durch die enge Verschnallung am Pferdekopf noch verstärkt und die (oft ungepolsterten) Kinnketten und die Metalleinlagen auf der empfindlichen Nase im Zusammenspiel mit den verhältnismässig langen Anzügen waren mit ein Grund, warum dieser Zäumung nachgesagt wurde, daß man damit Pferdenasen brechen könne.

Ich persönlich habe allerdings trotz langjähriger Nachforschungen zu dem Thema letztendlich kein einziges Pferd bzw eine authentisch bestätigte Krankengeschichte gesehen, wo eine mechanische Hackamore die Ursache für eine Gesichtsverletzung war.
Trotzdem gehört das m.H. meiner persönlichen Einschätzung nach nicht auf einen Pferdekopf - und schon gar nicht, um harte und grobe Einwirkung des Reiters durch falsche "Pferdefreundlichkeit" zu kaschieren, wie man es auf Springplätzen so gerne sieht und von Laien hört
"guck mal ,der ist so liep zu seinem Pferd, daß er gar kein Metall im Maul hat..."

Diese kleine Variante des m.H. hingegen habe ich gerne in Verwendung - allerdings nur mit ca. 2cm breitem Lederriemchen statt Kinnkette und relativ locker am Pferdekopf verschnallt.

Für mich und meine Pferde ist das eine gemütliche Alternative zur Zäumung mit Gebiss.
Cuvee´s RBs verwenden nur dieses Kopfstück, weil ich ungern jemand anderen auf meinem Pferd mit Trense oder Bosal reiten lasse. Da die RBs auch mehr bewegen und ausreiten, als ernsthaft am Viereck zu gymnastizieren ist das Babyhack eine mehr als ausreichende Zäumung.

Man hat etwas mehr Einwirkung auf das Pferd als mit einem Stallhalfter, Knotenhalfter oder einem glücksradartigen Zaum, die Hilfen kommen allerdings vor allem durch meine lockere Verschnallung eher schwammig und unpräzise am Pferdekopf an. Darum ist es meiner Einschätzung nach eher kein dauerhaftes Ausbildungsgebiss - vor allem auch weil die seitwärtsweisenden Hilfen damit nur recht schwer zu kommunizieren sind.
Andererseits verstehen Pferde die bisher mit Gebiss geritten wurden relativ rasch, wie die Hilfengebung auf dem Babyhack zu interpretieren ist, was auch es zu einer brauchbaren Umsteigevariante macht.

Ich finde es eine durchaus gute Alternative falls ein Pferd aus welchen Ursachen auch immer einmal eine zeitlang gebisslos geritten werden muß/will/kann - und ich nehme es auch gerne auf Wanderritten oder für ungeübte Reiter, eben aus den selben schon genannten Gründen.

Der Text in dem link ist super geschrieben - danke dafür! Vor allem das:

Zitat

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Durchlässigkeit ist so nicht zu erzielen. Sie muss meiner Meinung nach bereits vorhanden sein und auch bestehen bleiben, damit gebissloses Reiten funktioniert.

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kann ich nur vollinhaltlich unterschreiben

Ich bin zwar ein Fan von gebissloser Zäumung, aber eine reele Anlehnung zur korrekten Gymnastizierung kann meiner Meinung nur mit einem Gebiss erreicht werden - oder mit unheimlich viel Geduld, Fachwissen und Selbstreflexion und dem Willen, sich jahrzehntelang erstmal der Grundausbildung vom Boden aus zu widmen, wie es z.B. Oceansoul mit ihren tollen Gorny praktiziert.
Ich gebe zu, daß ich dazu vermutlich alle 4 Punkte nicht aufbringen würde

Bei dieser Zäumung muß ich ebenfalls Franzi voll zustimmen:

Ich habe sie selber erst einmal auf einer Achal Tekkiner Stute verwenden dürfen, fühlte mich aber mit der kreuzweisen Verschnallung bzw Einwirkung nicht wohl und neigte zu Handfehlern.
Die Stute war ein sehr "freizeitlich" gerittenes Kinderpferd, die eben zwischen ihren Trächtigkeiten am Platz und im Gelände recht nett zu reiten war, ohne aber dabei ernsthaft "etwas zu können".

Ein Bekannter versuchte sich damit auf seinem Traber, der aufgrund eines Zungenproblems und der für (unausgebildete) Traber eher typischen Anlehnungs- und Renntempo Probleme meinte, daß er seinem Rappen damit einen Gefallen täte.
Es stellte sich aber heraus, daß der Traber einerseits mit dem vielen Druck am Kopf absolut nicht klar kam, der sich faktisch rund um den ganzen Kopf herum aufbaut und durchaus auch ein schraubstockartiges Gefühl hervorrufen könnte.
Andererseits war die Einwirkung sehr verwaschen, unklar und im Falle eines Notfalles war der Bekannte trotz ( oder gerade wegen) seiner "Kraftreiterei" einfach nur mehr einwirkungsloser Passagier.

Ich habe seinerzeit den alten Hr. Meroth noch kennen- und schätzen gelernt und durfte lange Diskussionen mit ihm geniessen, wo er mir die Vorzüge und Funktionsweise der Zäumung detailreich erleuterte.
Trotzdem ist diese Zäumung eher nicht meine erste Empfehlung - auch wenn es Pferd-Reiter Kombinationen gibt, die damit überraschend gut klarkommen.

Das Sidepull zählt für mich zur 1. Wahl für jedes Jungpferd, das seine ersten Schritte unterm Reiter erlernt - egal in welcher Reitweise und wie weit die Vorausbildung vom Boden aus erfolgt ist.
Allerdings würde ich immer empfehlen, den Rohleder Nasenteil entweder mit einem Fell oder zumindest mit einem Glattleder-Überzug zu versehen. Es gibt inzwischen auch schon viele Hersteller, die den Nasenteil des Sidepulls gleich gänzlich aus Glattleder herstellen.

Wichtig wäre für mich, daß das Sidepull dicht aber trotzdem locker genug am Pferdekopf sitzt und bei der Verschnallung darauf geachtet wird, daß man auch bei starker seitlicher Einwirkung die Backenstücke nicht ins Auge ziehen kann. Dafür gibt es bei vielen Modellen einen zusätzlichen Riemen der vor den Ganaschen verschnallt wird und einen besseren Sitz des Sidepulls gewährleisten soll.

Mit dem Sidepull - wie der Name schon sagt - installiert man am jungen Pferd die seitliche Lenkung mit einer eher ausgesprochen breiten Handhaltung. Die innere Hand kann in den Wendungen bis über Kniehöhe seitlich geführt werden, um eben die Pferdenase nach innen zu wenden. Gleichzeitig liegt dabei der äußere Zügel an der Halsaussenseite an und gibt dem jungen Pferd eine Vorahnung vom späteren "neck reining" - wie im Westernreiten das Weichen vor dem Druck an der Halsaussenseite (mit Innenstellung!) genannt wird.

Bei eher panzerigen, bulligen Pferden ist es aber leider oft so, daß man mit einem Sidepull regelrecht am Pferd "verhungert" und selbst mit durchaus grobmechanischer Einwirkung wird man da nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen. Oder eben gerade deswegen

Bei sensiblen Pferden ist es aber ein sehr gutes Mittel zur Wahl um an einem bestimmten Ausbildungszeitpunkt dem Pferd relativ rasch und eindeutig eine gewünschte Reaktion beizubringen.

Als dauerhafte Zäumung ist es meiner Meinung nach "recht nett" bei einem gut ausgebildeten, sehr folgsamen Pferd, das gemütlich am Platz oder im Gelände geritten wird und von dem keine großartigen gymnastischen Verbiegungen erwartet werden. Zum Gymnastizieren und zum in Anlehnung reiten ist es jedoch weder gedacht noch geeignet.

Das Bosal ist normalerweise nur die Bezeichnung für den aus Rohleder geflochtenen Nasenteil.
Dieser muß zuerst an die jeweilige Pferdenase angepaßt werden, da er eigentlich dicht am Pferdekopf anliegen und flach den Konturen der Pferdenase folgen sollte, um korrekt wirken zu können.
Frisch gekaufte Bosals sind daher nicht sofort als Zäumung geeignet, sondern müssten erst noch individuell ans Pferd angepaßt werden. Dafür sollte ds Rohleder genügend lange mit Hilfe von einem passenden Holzstück in Form gebogen werden, bis es von selber die Form hält und richtig sitzt.



Zum Bosal braucht man dann noch ein passendes, oft sehr einfach gehaltenes Kopfstück, bei dem man aber wie schon beim Sidepull darauf achten muß, daß der Backenriemen nicht zu dicht am Auge verläuft. Die Lage des Backenstücks hat wiederum sehr viel mit der Größe, Stärke und Form des Bosals zu tun und mit der Lage des Bosalknopfs - und je nachdem wie es auf das jeweilige Pferd paßt. Bei den meisten Fotos, die man auf google findet wenn man Bosal eingibt, liegt der Backenriemen für meinen Geschmack viel zu dicht am Pferdeauge.
Ich habe mir dadurch geholfen, daß ich in meine Backenstücke auf Höhe des Pferdeauges kleine Lederriemchen eingeschnallt habe, so genannte Fiador, die mit dem Bosalknoten verbunden sind und einerseits verhindern, daß der Bosalknoten zu weit nach vorne in Richtung Maul fällt und zum anderen den Backenriemen vom Auge fernhalten soll.



Zu einem Bosal gehört dann taditionell noch die Mecate - einen speziell geknoteten langen Strick aus Pferdehaar - der mit einem aufwendigen Knoten so am Bosal befestigt wird, daß man zum einen einen geschlossenen Zügel und einen gut 2m langen Führstrick in einem hat.



Der Führstrick-Teil wird beim Reiten meistens am Sattelhorn oder mit einem Bändchen am Sattel befestigt.
Die Struktur der Mecate soll eher grob und borstig sein, in einer Stärke die dem jeweiligen Reiter angenehm in der hand liegt. Meine Mecate ist relativ dick, so wie ich auch meine Führstricke bevorzuge.
Dadurch hält sie auch selber sehr gut ihre Form und muß nur minimal bewegt werden, um dem Pferd am Hals und an der Nase die gewünschte Tempo- oder Richtungsänderung anzugeben.
Dünnerer Mecates oder Mecate aus Baumwolle haben nicht die Einwirkung und die Funktion, die diesem Zäumungsteil eigentlich eigen ist.


Das Bosal mit Mecate zusammen stellen das klassische Hackamore dar und dieses ist ein grundlegendes Ausbildungs"gebiss" der Altkalifornischen "Reinsmen" Reitweise, der auch der hierzulande bekannte J.C. Dysli angehört hat.

Dabei wird das Pferd auf Sidepull gestartet und dann mit einem beidhändig gerittenen snaffle bit an laterale und diagonale Einwirkungen und Hilfen gewöhnt. Im Zeitraum des Zahnwechsels werden die Pferde dann mit der klassischen Hackamore gebisslos so weit ausgebildet, daß sie dann mit 6-10 Jahren weitestgehend zügelunabhängig geritten werden können. Daraufhin folgt eine 4-zügelig Phase in der das Pferd mit Bosal und bit an das Stangengebiss gewöhnt wird. Und erst Jahre später wird das Pferd als "bridlefertig" angesehen und als letzte, krönende Ausbildungsstufe einhändig in einem spadebit geritten.


Um aber aus Bosal zurückzukommen:
Für mich und Cuvee ist es DAS Gebiss unserer Wahl für Gelände- und Wanderritte.
Allerdings ist das Bosal im Vergleich zu den zuvor besprochenen eine schwierge Zäumung, da man durch die Zügelbefestigung am Knoten unterm Pferdekinn nur sehr eingeschränkt übers neck reining der stacheligen Mecate eine seitliche bzw seitwärtsweisende Zügelhilfe zur Verfügung hat.
Das Bosal ist auch absolut nicht zum Reiten in Anlehnung gedacht, sondern für reines Impulsreiten.
Dazu muß aber eben die laterale und diagonale Hilfengebung dem Pferd schon gut geläufig sein und das Pferd schon ein recht hohes Maß an Durchlässigkeit vorweisen.

Denn wenn das Pferd diese Durchlässigkeit noch nicht aufweist, bleibt einem im Zweifelsfall bei einer Bosalzäumung als einzige Einwirkungsmöglichkeit nur das so genannte "Doubling".
Darunter ist im Grunde das leichte bis (sehr) heftige Verkürzen von nur einem Zügel zu verstehen, um dem Pferd eine verlangsamende Reaktion auf minimales Anheben der Zügelhand beizubringen.
Richtig angewendet kapieren die meisten Pferde recht rasch, was man meint, wenn man einen Zügel anfängt zu verkürzen. Aber im Falle eines Notfalles oder eines "Panzerpferdes" kann dieses doubling auch schon mal sehr heftig ausfallen und ein unfeines Bild dieser Zäumung vermitteln.

Letztlich empfinde ich persönlich es als eine super Zäumungsvariante, die aber tunlichst nicht ohne Kurs und Schulung und einer fundierten sorgfältigen Ausbildung des Pferdes angewandt werden sollte!