Hallo,

naja, ich erinnere mich aber auch an kaum ein Pferd ohne Satteldruck, Narben oder Atrophien in meiner damaligen Reitschulzeit.
Hatte ein (Schul)Pferd einen Satteldruck, wurden 2 Tage Standzeit verordnet, wenn der Druck offen war, danach vielleicht mal ein Schaumstoffpolster, das war's dann.

Vor kurzem war in einem VFD-Heft ein Artikel über Sättel und deren Paßformen drin. Ein französischer Sattelbauer orientiert sich an den deutschen Militärsätteln und hat 4 verschiedene Sattelbäume im Angebot. Der Rest geht über die Polsterung.

Mein Eindruck ist, daß es heutzutage, im Vergleich zu den 70er-Jahren, deutlich mehr verschiedene Pferderassen in unseren Ställen gibt. WB war Standard, VB war was für Spezialisten und der Araber war ein Exot. Dazu kamen die Ponies, die unter der Rubrik "passt schon" liefen und meist eh ohne Sattel geritten wurden. Und Westernsättel kannte man aus John-Wayne-Filmen

Heute sind ja Rassen aller Kontinente vertreten. Viele haben dann gerne auch den passenden Sattel dazu: den Isländersattel, das Berberblingbling, den spanischen Vaquerosattel (*an die eigene Nase fassend*), den Australian Stocksaddle etc.
Und mit wachsender Auswahl steigen auch die Ansprüche bzw. Wünsche.

Ich weiß nicht, ob sich so viele Reiter Gedanken um den passenden Sitz machen. Wenn ich mal in andere Ställe komme und mich dort umsehe, sehe ich immer noch viele Pferde mit empfindlichem Rücken oder Atrophien und die Besitzer denken, der Sattel wäre in Ordnung...
Wobei ich insgesamt den Eindruck habe, daß mehr Wert auf Sattelpaßform gelegt wird als in meiner Anfangszeit. Es kann sich ja auch bei der Menge verfügbarer Informationen keiner mehr rausreden mit "hab ich nicht gewußt". Außerdem ist der "individuell angefertigte Sattel", auch wenn er aus variablen Standardteilen zusammengebaut wird, ein gutes Geschäftsmodell für Sattler

Wir dürfen nicht vergessen, daß wir hier alle ähnlich ticken und ähnlich sensibel zum Thema Paßform der Sättel sind. Und da diskutiert man auch häufiger über gut oder schlecht sitzende Sättel.

Noch zu den optisch nicht zu 100% passenden Sätteln, unter denen sich die Pferde wohl fühlen: wir schauen ja meist drauf, wenn das Pferd steht. Sobald es in Bewegung ist und der Rücken arbeitet, sieht es ganz anders aus und der vermeintlich suboptimale Sattel wird plötzlich optimal.

LG
Ameli

PS: flexible Sattelbäume gab es schon in der Mongolei im 12.Jhdt., da wurden die Sattelbäume aus mehreren Teilen gefertigt und mit Sehnen aneinander gefügt!

Interessantes Thema, über das ich auch schon öfter nachgedacht habe. Ich glaube schon, dass zumindest die Warmblüter in den letzten Jahrzehnten durch entsprechende Zucht wesentlich sensibler geworden sind. Wir wollen bewegungsstarke, leichtrittige Pferde und die reagieren nun einmal auch sensibler, wenn es irgendwo zwackt. Das Blümchen ist auch so ein Kandidat, bei ihr kommt noch dazu, dass sie einen extrem kurzen Rücken hat, was zum einen die mögliche Auflagefläche begrenzt und zum anderen jede Bewegung der Hinterhand bis in die Sattellage dringen lässt. Sie hat allerdings einen Sattel von der Stange, der von einem GUTEN Sattler angepasst wurde und ist damit sehr zufrieden.
Womit wir beim nächsten Punkt wären. Es gibt nur noch sehr wenige fähige Sattler, welchen es wichtiger ist, dass ein Pferd einen passenden Sattel bekommt, als ein Mega Geschäft zu machen.
Der dritte Punkt sind dann meiner Meinung nach tatsächlich die von Dir bereits angesprochenen "Reitvermeider", die meistens ALLES wissen, aber leider nicht reiten können und deshalb immer einen Grund brauchen, warum sie nicht reiten und warum das Pferd wenn sie denn reiten sch... läuft! Es gibt leider auch immer weniger Reiter, die gut reiten und wenn das Pferd dann Rückenschmerzen hat, ist es der unpassende Sattel schuld.

Ich glaube, es ist ein bisschen von Allem. Die Zahl der behandelnden Osteopathen hat stark zugenommen im Laufe der letzten 20 Jahre. Als meine Osteo vor 20 Jahren mit ihrer Praxis anfing, war sie bei uns in den Breiten ein echter Paradiesvogel, und die Reitlehrer belächelten ihre Arbeit mit dem Kommentar, man könne das Geld für die Behandlung auch gleich in den Kamin werfen.
Heute leistet sich jeder Pferdebesitzer regelmäßige Behandlungen für sein Pferd, was natürlich zur Folge hat, dass auch mehr Muskelprobleme „ans Licht“ kommen, als damals, wo man lediglich erst dann feststellte, dass das Pferd Rückenschmerzen hat, wenn es beim Putzen über den Rücken in die Knie ging.

Was für mich aber der maßgebende Punkt ist, ist die Tatsache, dass heute einfach im Zuge des Internets und der sozialen Medien mehr publik gemacht wird. So lesen wir automatisch vermehrt in FB von Problemen mit Sattelanpassungen und Rückenproblemen in eigens dafür erschaffenen Gruppen, wovon wir früher in der Form niemals Kenntnis erhalten hätten.

Hinzu kommt der neue Geschäftszweig des „Sattel-Fitters“, also jenen, der die Sattlerei als solches nicht als Beruf gelernt hat, sondern sich lediglich das Anpassen in Fortbildungen im Zuge von Sattelvertriebsübernahmen angeeignet hat. Diese Leute richten oft mehr Schaden an, als das sie helfen. Ist man mit dem Einen unzufrieden, geht man zum Nächsten (und wechselt damit gleich die Sattelmarke), während der Beruf des Sattlers mehr und mehr ausstirbt.

Ich habe mal einen Artikel zu dem Thema gelesen, dessen Kernaussagen war, dass früher eben immer der selbe Typ Pferd gezogen wurde, um den selben Typ Reiter zu tragen. Die ungünstig gebauten Pferde gingen in die Wurst oder gingen zunehmend zu Lieschen Müller. Irgendwann kamen die Lieschen Müllers dieser Welt auf die Idee ohne Sachverstand Nachwuchs zu produzieren und die, die eigentlich Sachverstand hatten/haben kreuzen immer mehr andere Rassen mit ein, was dazu führte, dass immer mehr Oferde mit unterschiedlichem Exterieur Sättel brauchten.
Hinzu kommt die Veränderung des Reiterklientels. So waren es früher zumeist große, kräftige aber Drahtige Männer. Heute sind es mehr Frauen, von Größe Xxs bis XXL, was durchaus Beachtung finden muss.

Und nicht so letzt wird mangelnde Ausbildung gern auf alles geschoben, als auf das eigene Unvermögen, was wohl zur Erfindung der Sitzprothesen führte.

Sehr interessantes Thema, dass mich seit vielen Jahren umtreibt. So viele meiner Bekannten kaufen sich um Kopf und Kragen
mit Sätteln und irgendwie läuft das Hüh nicht. Habe dazu eben auch etwas ambivalente Gedanken.
Wurde alles hier bereits schön aufgeführt. Danke den fleißigen Vorschreibern!

Die etwas vermurksten Pferde gingen dann übrigens oft auch in den Schulbetrieb ...
... und die Sättel passten auch keineswegs! Ich erinnere mich auch an üble Sattedrücke.
Der Rappe hieß Askari, der Fuchs Pluto.*seufz*

Oh spannend.
Mein Sattel für den Willow damals war ein ca. 40 Jahre alter Militärsattel. Und der passte ihm perfekt und ich wage mal zu behaupten, dass dieser Sattel ca. 70% aller Warmblutpferde gepasst hätte. der hatte nämlich so dermaßen bewegliche Teile, dass der sich praktisch dem Rücken angepasst hat. Dagegen sind die heutigen Flexisättel Kindergarten. Ich habe keine Ahnung mehr, welcher Hersteller das mal war - gekauft hatte ich den seinerzeit in einem Secondhand Laden um geringes Geld, das Leder war kein bisschen brüchig, Steigbügelriemen gabs neue.
Bequem war er noch dazu.
Er war allerdings nicht der schickste Sattel und sicher auch nicht der leichteste und ganz eindeutig nicht der aktuellen Sattelmode entsprechend. Das Leder war an den entsprechenden Stellen ordentlich glattgewetzt - eben wie ein Sattel, der sehr viele Jahre in Gebrauch war.

Die mangelnde Fachkraft machts meiner Meinung nach recht schwierig. Früher gabs noch Leute die ihr Handwerk mit Leder wirklich verstanden haben, wo gibt's die heute?? Man hat 3000 verschiedene Modelle zur Auswahl und dann sollte man wissen welcher Pferd und Reiter passt.

Meine Ma hat einen Sattel der älter ist als ich, das sind dann jetzt nur mind. 43 Jahre. Dieser Stübben passt auf sehr viele Pferde. Die Pferde laufen auch alle gut mit dem Sattel.

Aber ich glaube die Pferde haben sich auch sehr verändert. Wir haben mehrere Ponys die haben eigentlich gar keinen Rücken mehr. Die sind so kurz das es wirklich schwer ist da nen Sattel zu finden. Wenn ich an die Fotosammlung meiner Mutter denke, dann waren die Warmblüter alle sehr gleich gebaut. Die Ponys waren entweder so kleine Reitpferdetypen oder so Thelwellmäßige Ponys. Also auch eher gleich.

Die heutige Rassevielfalt macht da sicherlich auch mehr Typen aus. Dazu kommen wie schon jemand schrieb, das mit Pferden gezüchtet wird, die nicht optimal sind. Weil aus der eigenen Stute das geliebte Nachwuchspferd gezogen werden soll.

Dazu kommt eine Geiz ist Geil Mentalität gepaart mit Unwissenheit und einem gewissen Maß an Blödheit. Sorry aber manchmal reicht Kopfschütteln einfach nicht mehr aus.
Da Wird dem jungen Pferd ein billig Sättelchen aufgelegt, weil der Rücken verändert sich ja noch. Der Sattel passt so leidlich. Dann wird das junge Pferd mit diesem Sattel angeritten und es macht die ersten Erfahrungen mit einem nicht ganz so passendem Sattel. Ob das dem Pferd spaß macht wenns hier und da zwick oder klemmt? und eine gesunde Art ist das Pferd an die Aufgabe als Reitpferd zu gewöhnen? Ich meine wer läuft schon einen Marathon mit unpassenden Schuhen oder nem Steinchen im Schuh? und hat dann auch noch Spaß daran???

Gerne auch genommen ein Sättelchen mit bunten Kopfeisen. Da kann man glaube ich ein ganzes Set kaufen. Was wird gemacht man kauft das Sättelchen mit einem Kopfeisen. Probiert, passt nicht, man kauft oder bestellt im Netz das nächste. Passt wieder nicht, also geht's weiter. Ich habe noch keinen getroffen, der einfach mal das Set bestellt hat, oder mal den Sattler oder wen kompetenten beauftragt hat das mal anzupassen. Da man ja reiten will, wird auch jedes Kopfeisen ausgiebig getestet und das Pferd läuft also ewig mit unpassendem Sättelchen rum. Wenn das Pferd dann gesundheitlich irgendwann kaputt ist, wird der Wunderheiler gerufen, der legt die Hand auf und das Pferd läuft, na ja nicht wirklich. Der Wunderheiler taugt nix, es muss ein neuer her. Der ist nun schlauer und schaut auch nach dem Sättelchen...das nächste Kopfeisen wandert aufs Pferd und die Geschichte geht so lange weiter, bis mal jemand sagt, der Sattel ist scheiße denn der wird nie auf diesen Rücken passen. Kauf dir was gescheites.

Dann wird das Internet befragt. In Foren bekommt man kompetenten Rat und man kauft einen gebrauchten Sattel. Weil der hat ja bei dem so super geholfen und war der Heilsbringende Problemlöser. Ich hatte das Vergnügen schon mal Sättel im Netz verkaufen zu dürfen. Meine Lieblingsfrage auf was für einem Pferd hat der denn gelegen? Als ob man davon schließen kann das der dann auch auf das eigene Pferd passt. Also die Schuhe die meiner Freundin passen, passen seltenst auch an meine Füße obwohl wir die gleiche Größe haben. Wir haben einfach ganz andere Füß! So ist es auch mit dem Pferd!!! Ich habe ja nichts dagegen im Internet einen gebrauchten Sattel zu kaufen, aber ich muss dann bitte auch immer einen Sattler bestellen, der den Sattel anpasst! Ja das kostet Geld und ja das kostet auch was mehr wenn man den Sattel nicht bei ihm gekauft hat...das ist so. Aber was passiert in der Praxis, die Leute kaufen und verkaufen die Internetschätzchen am laufenden Band und wer hatte sie alle auf dem Rücken? Genau das "geliebte" Pferd.

So hat das junge Pferd eigentlich nie einen passenden Sattel beim anreiten getragen und Rückenprobleme und Unlust sind von Anbeginn Teil der Ausbildung gewesen. Die Kosten für den Sattel und das Porto und die vielen male wo man in den Laden gefahren ist um das Kopfeisen neu zu kaufen (die kann man nämlich nicht umtauschen!) sind vergessen und werden nicht mitgerechnet, auch die des Wunderheilers nicht. Wenn man das aber mal zusammen rechnet, wäre sicherlich ein Maßsattel am Ende billiger gewesen, denn den kann man natürlich auch anpassen und Service vom Sattler ist meist auch noch mit inbegriffen, so dass eine spätere Anpassung und Überprüfung auch abgedeckt ist.

Ich bin am Stall doof angeschaut worden, als ich mir einen Sattel hab bauen lassen. Ich wollte gerne was in Barockoptik die Barocksättel fand ich aber unbequem (die Galerien sind nicht mit meinen Oberschenkeln konform), Pferd hat aber kurzen Rücken und ich dicken Pöppes, ich brauchte ne große Auflagefläche für den kurzen Rücken. Die Bügel wollte ich nicht unter dem Sattelblatt sondern drüber. Ich saß im Geschäft auf den verschiedensten Modellen probe. Die schönen Sättel saßen sich nicht gut. Ich habe in einem gesessen den ich furchtbar häßlich fand (Alpha vaquero glaube ich). Da guckten unter dem Sattelblatt die Kissen hervor und diese Wulst...aber ich saß gut und er war bequem. Ich habe echt mit mir gehadert das häßliche Ding für so viel Geld zu kaufen. Da kam der Vorschlag den Sattel zu ändern. Ich bekam ein größeres Sattelblatt was die Pauschen verdeckt, eine kleinere Wulst (nur für die Optik und das Vaquerotuch) ich bekam kleine Pauschen, die Bügel gehen über das Sattelblatt und ich bekam einen großen Sitz mit Vaquerokissen. Als der Sattel kam war ich sehr gespannt, er passte meinem Pferd bis auf einen kleinen Wattebausch, der so groß war wie die Kosmetikdinger. Er wurde nachgemessen mit einer Meßschabracke und was soll ich sagen, er passte auch an meinen Hintern. Nach einem Jahr wurde nochmal geschaut und gemessen und der Sattel passte immer noch perfekt, es musste nichts geändert werden. Nach einigen Jahren haben wir an einer Studie teilgenommen, der Sattel wurde wieder vermessen und geprüft und er passt immer noch super. Ich würde das immer wider so machen, die Entscheidung einen Sattel bauen zu lassen habe ich nicht bereut.

*wer eine Gewisse Ironie gefunden hat, darf sie behalten!*