Radok kam die ersten paar Kilometer gut voran und Heydu folgte ihm mehr oder weniger dicht hinterher.

Womit er allerdings nicht gerechnet hat, war diese gewisse Widersetzlichkeit, die der knackige Schimmelmann an den Tag legte.
So bestand er darauf, zu jeder vollen Stunde mindestens eine Viertelstunde Rast zu machen - den so stünde es ja in seinem Arbeitsvertrag und so hatte er es als Stallbursche in der Schenke auch immer gehalten.
Der passende Rastplatz mußte dann auch noch gefunden werden, weil der Herr hatte ziemliche Ansprüche was die Zartheit und Qualität des Grünfutters und die Sauberkeit des Wassers betraf.
Wollte Radok wieder weiter, gab es erst noch eine ausführliche wortlose Diskussion ob denn das Anlegen der Gebissstange notwendig wäre oder nicht - und wie fest genau der Sattelgurt gezogen werden durfte, bevor er "zuuuu fest" war.

Nicht nur einmal warf Radok dem Schimmel einige heftige Schimpfwörter an den Kopf - aber er lernte mit der Zeit, daß man es sich als Passagier wohl doch besser zweimal überlegt, was man das auf Kampf gebürstetete Ross so alles schümpft.
Vor allem wenn der verzauberte Hengst auch noch jedes Wort verstehen konnte und man auf dessen goodwill angewiesen war.

Trotzdem kamen sie gut voran, das Wetter war ihnen hold und nach wenigen Tagen erreichten sie den letzten Berg hinter dem sich das sagenumworbene Zwergenland befinden sollte - und von dem sich Radok nach seinen letzten Erlebnissen Jahrzehnte zuvor eigentlich für immer hatte fernhalten wollen.

Die 7 Zwerge saßen abends von der Suche völlig erschöpft am Tisch und löffelten eine sehr fade schmeckende Gemüsesuppe.
Vor allem Pepsi rührte mehr darin um als zu Essen, was ihm erneut einen bösen Blick von Dumbo eintrug, der für die schnell zusammengekochte Suppe verantwortlich war.

"Hättest Du dem Dackel nicht so viele Kekse gegeben, hätte er vielleicht eine Spur vom Sternchen gefunden" knurrte Pepe in Richtung Pepsi, als er Dumbo´s Blicke bemerkte.
"Aber, aber ... aber... der hatte ja die Spur und verlor sie dann am Zaun" versuchte Düsi seinen Kumpel zu verteidigen.
Filou konterte daraufhin "Und?! Kannst Du irgendwie erklären, wie irgendwer durch den magischen Zaun kommen sollte? Sogar Ottokarl hat es versucht und hat sich ganz bitter seine Hände verletzt, weil er so einen schlimmen Stromschlag abbekommen hat!"
"ja das war soo witzig" lachte Futzi und bekam daraufhin ein zusammengeknülltes Geschirrtuch an den Kopf geworfen, worauf er schlagartig zu Lachen aufhörte, nicht ohne ein "ist doch waaahr" nachzumurren.
"Die arme Luna ist völlig durch den Wind - sie hat sogar mein Angebot ausgeschlagen, daß sie hier bei uns schläft." gab Dumbo zu bedenken " ich hoffe nur sie frisst heute noch was und ruht sich etwas aus. Die Arme macht sich solche Sorgen..."

"Wo steckte heute eigentlich Elliot als wir gesucht haben?" fragte da plötzlich der Schatzi.

Die Zwerge hielten inne beim Suppenlöffeln und sogar Pepsi hörte auf mit angewidertem Gesicht in der Suppe zu rühren.
Und dann fingen sie wie auf Kommando alle an durcheinander zu reden:
"Stimmt" "Hat ihn wer gesehen" "der sollte doch aufpassen" "Ich sags gleich - ICH wars nicht" "Wo steckt der denn?"
"ich hab den schon seit gestern nicht mehr gesehen" "der war schon einige Tage so komisch" " der ist doch immer komisch"
"das ist alles nur passiert, weil er nicht aufs Sternchen aufgepaßt hat" "ich sag ja, ich wars nicht..."

"Und wo bitte IST der Schmunzeldrache?"

Das Sterrnchen guckte völlig baff auf die undurchdringbare Zauberblütenwand, die sich vor ihr auftürmte.
Sie versuchte mehrmals, sich wieder zurück durch den Zaun zu zwängen, hatte aber keine Chance. Zu dicht und stachelig war das Gestrüpp auf dieser Seite.

"Ja wen haben wir denn DA??" hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme. Glücklich drehte sich das Sternchen um und freute sich, die hoch aufragende, Sicherheit vermittelnde Gestalt des Schmunzelmonsters vor ihr zu sehen. Er würde ihr sicherlich helfen, zurück zu Luna und den Zwergen auf die andere Seite der Hecke zu komme.
Sie hatte den langjährigen Einhorn-Wächter zwar bisher immer nur aus der Ferne gesehen, aber sie war mit dem Wissen aufgewachsen, daß Elliot dafür sorgte, daß keiner den Einhörnchen zu nahe kam.
"Ich bin da irgendwie durchgeflutscht" versuchte sie ihre Anwesenheit zu erklären. "Ja ich weiß" antwortete Elliot " äh.. ich meine, ich habe Dich gesehen" legte er noch nach "Du kommst besser mit mir mit, oder willst Du da alleine stehenbleiben?"

Das Sternchen überlegte nur kurz, ob es wie meistens eine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen sollte, aber da sie doch ein wenig verunsichert war, stimmte sie zu, dem Schmunzelmonster folgsam hinterherzulaufen.
Nach einiger Zeit kam es ihr aber vor, als ob der Weg sie immer weiter vom sicheren Zuhause fortführen würde und so fragte sie Elliot vorsichtig: "Sag mal, Großer, sollten wir nicht besser entlang vom Zaun laufen, bis wir zum magischen Tor kommen?"

"Bin ich ortskundig oder Du?" fragte Elliot zurück, und dabei schmunzelte er kein bisschen, was dem Sternchen fast noch mehr Angst machte, als die Tatsache, daß sie sich immer weiter vom Zaun entfernten.

Radok, der verzauberte Schimmel und Heydu waren kurz den Treffpunkt, den ihnen die Göttin angegeben hatte:

"Halte Dich nach dem 6. Berg rechts bis Du am Fluss anstehst, dann folgst Du diesem nordwärts und nach einem weiteren halben Tagesritt wirst Du zu Deiner Linken eine Höhle im Berg sehen, vor der ein weisses Banner mit einem roten Kaninchen flattert.
Dort triffst Du Deinen Kontaktmann, der Dich zu dem Einhorn führen wird."

Nun hatten Sie zwar den Fluss gefunden - aber mit dem eigenwilligen Zeitplan des ehemaligen Stallburschen war sich Radok nicht sicher, wann sie diesen vagen "halben Tagesritt nordwärts" geschafft hätten.
Das Klima zwischen Radok und dem immer mehr widerstrebenden Schimmel hatte sich im Laufe der Zeit nicht wirklich gebessert - eher im Gegenteil. Nur zu Heydu schien das weiße Ross eine gewisse Zuneigung zu entwickeln.

Bei der Zwergenhütte krähte der Hahn dem frühen Morgen entgegen - im Gegensatz zu Erin´s Hof, wo schon seit einiger Zeit kein Hahn mehr krähte, sondern Erin vom Duft von Gorn´s Frühstücks wach wurde.

Verwundert mußte der Hahn jedoch feststellen, daß er wohl der letzte war, der an diesem Morgen wach geworden war.
Die Zwerge rüsteten sich schon zum Aufbruch. Und jedermann weiß, daß man einen Zwerg morgens nur dann aus dem Haus bekommt, wenn er zuvor ausgiebig gefrühstückt hatte.
Während die unausgeschlafenen Zwerge in außergewöhnlichem "sich-gegenseitig anschweigen" ihre Rucksäcke packten, kam auch schon der Gendarm den Weg entlang geschnauft und keuchte den Zwergen ein lautes "Sakra, jetzt ist der Dackel auch verschwunden" entgegen.

Der Pepsi öffnete schon den Mund, um das wie üblich mit einem " vermutlich ist er schon wieder Kekse jagen gegangen" zu kommentieren - aber noch während er ansetzte, sah er in den Gesichtern der restlichen Zwerge, daß heute keine lustigen Scherze auf der Tagesodnung standen.

Und so brachen die Zwerge und Ottokarl in ungewöhlich ernster Stimmung auf, um Luna bei der Suche nach dem Einhornkind, dem Schmunzeldrachen und dem Dackel zu helfen.
Erst nach einer guten Stunde Suche, als die Sonne anfing vom Himmel zu brennen, bemerkte Filou, daß sich Schatzi und Futzi irgendwie verdrückt haben und die Stimmung bei den Zwergen sank trotz dem schönen Wetter weit unter den Nullpunkt.

Fuzi und Schatzi litten sehr unter dem kargen Frühstück - bis ihnen einfiel, daß doch der Dackel gestern Kekse bekommen hatte.
Und so suchten sie diese Stelle, in der Hoffnung, daß es dort noch ein paar Kekse oder zumindest Kekskrümel geben würde.

Nach einem langen Fußmarsch erreichten sie die Stelle - doch Schatzi mußte sich zuerst unheimlich schrecken, weil dort ein großer, frisch ausgebuddelter Erdhaufen lag. Kekse waren auch keine auffindbar, nur eine Gruppe Ameisen, die die letzten Kekskrümelbrösel wegräumte.
Und dann war da das Loch unterm Zaun.
Zwar viel zu klein für das Sternchen, aber wohl groß genug für einen Zwerg, wenn er seinen Bauch etwas einzog.

"Was meinst Du? Krabbeln wir da durch oder suchen wir zuerst die anderen" fragte Fuzi. "hmmm - bist Du sicher daß es ungefährlich ist, durch den Zauberzaun zu kriechen? überlegte Schatzi. "Naja - so wie es aussieht ist da schon wer durch und hat es überlebt" meinte Fuzi.
"Ja aber....aber...aber man kann nie wissen" gab der skeptische Schatzi zurück. "Vielleicht ist das ein zwergenfressendes Loch und drum sieht man keine Leiche?"

"Zwergenfressendes Loch?! Daß ich nicht lache! Wer verzapft denn da so einen Blödsinn!" piepste da eine leise, helle Stimme aus dem Gras.