Angeregt durch den Thread über Filo würde ich gerne eine andere Diskussion aufwerfen:

Ich meine mich aus grauem, pferdischem "Urwissen" zu erinnern, daß ich irgendwann einmal gelernt bzw gelesen habe, daß es Pferden aufgrund von ihrer "nicht vorhandenen Intelligenz" und der Art ihrer Verarbeitung von Sinneseindrücken nicht möglich ist, logische und nachhaltige "wenn - falls- dann" Verknüpfungen zu erstellen und ihre Handlung darauf abzustimmen.

So wurde damals auch erklärt, daß Pferde in der absoluten Jetztzeit leben und darum rein reaktive Handlungen setzen können. Die Reaktionen jedoch können durch diverse Schlüsselerlebnisse geprägt und in unterschiedlicher Ausprägung abrufbar sein.
Ein Pferd könne aber nicht so weit denken, daß es sich z.B. frühmorgens einen Plan macht im Sinne von "wenn ich heute zum Reiten geholt werde, und falls es der eine doofe Reiter ist, dann lass ich mich einfach nicht von der Koppel holen"

Sondern das Pferd reagiert im Jetzt auf das Erscheinen und die aktuelle Körpersprache, Mimik, Gestik und Geruch des "doofen Reiters" und reagiert darauf entsprechend seiner bisherigen Erfahrungen mit exakt dieser Wahrnehmungs-Kombination.
Dadurch besteht auch die Möglichkeit, erlernte Erfahrungen und Reaktionen "zu überschreiben" und mehr oder weniger ausgeprägtes "Fehlverhalten" zu korrigieren.

Es gab da auch Ergebnisse aus Untersuchungen zur Wahrnehmung über eine bevorzugte Körperseite ( der so genannten sensorischen Lateralität): Je nachdem, ob ob die Pferde eine sensorische Links- oder Rechtslateralität zeigen, benutzen sie bevorzugt Auge, Ohr und Nüster der linken oder rechten Körperseite. Und daran kann man erkennen, ob sie mehr emotional oder rational reagieren.
Sinneseindrücke haben einen emotionalen Informationsgehalt, wenn sie vermehrt mit den linksseitigen Sinnesorganen
aufgenommen und in der rechten, reaktiven Gehirnhälfte verarbeitet werden.
Werden Sinneseindrücke dagegen vermehrt mit den rechtsseitigen Sinnesorganen aufgenommen und in der linken
Gehirnhälfte verarbeitet, werden sie eher rational umgesetzt. Eine stark ausgeprägte, zunehmende sensorische Lateralität
kann auf ein beeinträchtigtes Wohlergehen der Pferde hinweisen.
Die sensorische Lateralität ist jedoch nicht mit der motorischen Lateralität (= bessere linke oder rechte Hand ) identisch.

Wie genau diese Intelligenztests ablaufen und worauf die sich beziehen ist mir leider entfallen, aber die Quelle hörte sich sehr seriös und wissenschaflich an

Im Gegensatz dazu stehen jedoch Erzählungen und Erlebnisse von Reitern oder Pferdebesitzern, die ihren Pferden logische Schlussfolgerungen nachsagen - auch wenn sich diese Logik bei näherem Nachfragen und analysieren oft als eine Art "self fullfillig phophecy" oder aber durchaus als körperliches oder psychisches Leiden herausgestellt hat

Wie sind Eure Erfahrungen und Einstellungen dazu?

Dafür muss man einen Blick auf die Gehirnaktivitäten des Pferdes und des Menschen richten. Warum können wir Menschen gut planen? Weil wir einen sehr großen Präfrontalen Cortex haben. Dies ist die oberste Steuerungszentrale im Gehirn und mit allen Arealen direkt oder indirekt verbunden. Es ist für die bewussten Entscheidungen verantwortlich und wurde den Pferden lange Zeit abgesprochen. Aber auch Pferde haben einen präfrontalen Cortex, der nur nicht so stark ausgeprägt ist. Einen ganzen Tag planen können Pferde nicht, aber schon Entscheidungen treffen. Alle meine Pferde wissen, wenn ich z.B. in einen bestimmten Weg abbiege, wo es hingeht und wie lange die Runde dauern wird bzw. das gleich etwas anstrengendes kommt. Und diese Anstrengung kommt nicht nach 100 m, sondern erst nach einem knappen Kilometer. Einer der Tinker weigert sich sogar, an der neuralgischen Stelle abzubiegen, weil er dann irgendwann krackseln muss. Das ist auch der Tinker, der eigentlich total verladefromm war und nachdem ich 2 x zu einem anstrengenden Reitkurs gefahren bin, nun zum Hängerverweigerer wurde. Auch das hat er gut geplant.
Was Pferde aber nicht können, ist, etwas zu übertragen. Beispielsweise ist die Mülltonne, die man seit Jahren kennt, an einer anderen Stelle (oder umgefallen) plötzlich wieder ein gefährliches Raubtier.

Die Sache mit dem Sehen ist noch einmal etwas anders gelagert bei den Pferden. Im Gegensatz zum Menschen gehen beim Pferde Informationen, die z.B. ins linke Auge gelangen zu 80 % in die laterale (gegenüberliegende) Gehirnhälfte und nur zu 20 % in die mediale (gleiche) Gehirnhälfte. Da die beiden Gehirnhälften auch nur sparsam miteinander kommunizieren, müssen Pferde alles mit beiden Augen gesehen haben, um einen Gegenstand komplett zu erfassen. 90% der Pferde werden aber bemüht sein, einen Gegenstand zunächst mit dem linken Auge zu betrachten, da dies ihr Sicherheitsauge ist. Entsprechend ist die rechte Gehirnhälfte dazu in der Lage, Gegenstände auf ihre Gefährlichkeit hin zu bewerten. Das rechte Auge ist das Fluchtauge und behält immer die möglichen Fluchtwege im Blick, damit bei der Erkennung einer Gefahr schnell reagiert werden kann.

Das mal in Kurzform, was ich über das Gehirn und Sehen beim Pferd gelernt habe.

Darum brachte ich das Thema auch auf. Es gibt auch für mich eigentlich zu viele Beweise, daß Pferde eine gewisse Art von Intelligenz haben, auch wenn es ihnen (damals ) bei besagter Studie abgesprochen wurde.

Z.B. Die Situation die Corinna beschrieben hat, daß ein Pferd innerhalb von wenigen Sekunden abcheckt, ob es sich bei einem Reiter im Energiesparmodus benehmen darf oder womöglich gar keine Befehle von ihm entgegen nimmt.
Da war mein dickes Pony selig eines der besten lebenden Studienobjekte für

Oder das punktgenaue Erkennen von Wegstrecken, mit der konsequenten Schlussfolgerung, daß es wo anstrengend wird, wo gerannt werden darf, wo der Weg nach Hause führt usw.

Oder eben auch die angesprochene Situation, daß Pferde sehr wohl merken, wenn ein Reiter in einer "Zwangslage" ist und nicht regulierend oder korrigierend eingreifen kann.
Da gibt es meiner Meinung aber auch verschiedene Typen von Pferden:

Die einen, die dann helfend ihren Job machen und evetuell sogar unterstützen oder Schwächen kompensieren.
Und die anderen - sorry - "Arschlochpferde", die das dann leider oft auch beinhart ausnutzen.

Als Beispiele fallen mir da einige Pferde aus meinem Bekanntenkreis ein, die sich entweder alles von Kindern im Sattel gefallen lassen und sogar aufpassen, daß ihnen nichts passiert - und im Gegensatz dazu jene Pferde, die schwächere Reiter eiskalt und bei erster Gelegenheit absetzen oder runterbuckeln.


Ich stimme da mit Ameli überein, daß Pferde durchaus kombinieren können - vor allem zu ihrem Vorteil :D
Aber ob das dann wissenschaftlich als Intelligenz gilt oder nicht

Zu Pferden, die Schwächen gnadenlos ausnutzen: ich habe ja nur gefrässige Tinker. Meine Reiter haben da schon häufig zu kämpfen, um nicht an jedem Blatt zu stehen. Wenn jetzt jemand sagen sollte, dass ich meine Pferde nicht ordentlich trainiere, dann könnte ich nur sagen: was soll ich tun? Sobald ich mich drauf setze, versuchen sie es gar nicht erst.

Und ich werde nie-niemals den Blick von Jaguar vergessen, als er mal mit einer angeblichen Reiterin den Stall verließ. Ich sah dem Tinkerpony im Gesicht an, dass er wusste, dass er mit dieser Reiterin heute nicht den Hof verlassen wird. Glücklicherweise habe ich einen schnellen Pferdetausch gemacht, den Fjordi Lukas war da weit weniger gnadenlos. Es stellte sich als weise Entscheidung heraus.

Wenn wir jetzt etwas von der Pferdewelt abschweifen: ich kann mich gut an das Video von den Moskauer Strassenhunden erinnern, die zielsicher in die U-Bahn ein- und wieder ausgestiegen sind.

Intelligenz ist wirklich relativ. Pferde sind in so vielen Dingen besser als wir Menschen, weil sie es zum Überleben brauchen. Aus der Sicht eines Pferdes sind nämlich wir Menschen total dumm, weil wir einfach sehr oft für sie nicht nachvollziehbar und langsam reagieren. Allein die Tatsache, dass wir gezielt Lösungen erarbeiten und präsentieren können, versetzt uns in die Lage, ein Pferd zu führen.

Zitat von Flamenco im Beitrag #8

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Wenn wir jetzt etwas von der Pferdewelt abschweifen: ich kann mich gut an das Video von den Moskauer Strassenhunden erinnern, die zielsicher in die U-Bahn ein- und wieder ausgestiegen sind.

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@Muniqui:
So eine ähnliche Verknüpfung haben wir seinerzeit auf einem Hof installiert, wo es eine 10 Ha große sehr hügelige Weide gab. Abends rief man beim Tor ein lauthin schallendes "Heeeeyaaaah" und schon kam die 20 köpfige Herde angestürmt, weil es dann eine Maulvoll Müsli aus dem Futtereimer gab
Das war ausgesprochen sinnvoll und wurde auch untertags gerne genutzt, wenn man eigentlich nur ein einzelnes Pferd brauchte


Zum Thema Wiedererkennen ( das aber eigentlich kein Zeichen von Intelligenz ist, oder? ) kann ich auch einige Geschichten erzählen... So zog Cuvee mit 1.5 Jahren aus ihrem Geburtsstall aus, kennt aber jetzt nach über 20 Jahren die Gegend dort noch aus dem ff, wenn ich zufällig dahin komme im Rahmen eines größeren Wanderrittes.
Als Cuvee 6 Jahre alt war, kaufte sich meine "Stiefschwester" eine 1 Jahr jüngere Stute, die im Frühjahr nach Cuvee dort zur Welt gekommen ist - knappe 4 Monate bevor Cuvee ausgezogen ist. Und die beiden Stuten erkannten sich auf Anhieb wieder, tratschten ausführlich und machten ganz dicke auf "beste Freundinnen" von dem Tag an, an dem Wendy in unserem aktuellen Stall eingezogen ist.
Auch eine weitere Stute von dem Züchter kam noch zu uns und die 3 Mädels bildeten eine eingeschworene Truppe, obwohl sie sich da jeweils 2-5 Jahre dazwischen nicht gesehen hatten.