Die Romeria

In Andalusien sind Romerias ein wunderbarer Brauch. Es ist Tradition, diese kleinen Feste zu feiern, bei denen Pferde immer ein wichtiger Bestandteil sind. Unsere Dorf-Romeria fand im Mai eines jeden Jahres statt. Glücklicherweise wurde sie auch ganz in der Nähe unseres Stalles abgehalten, so dass wir nur 2 km hin reiten mussten. Im Prinzip war eine Romeria nichts anderes als ein Picknick. Aber eben mit Pferden. Und so zog jeder Dorfbewohner, der ein Ross besaß dort hin. Alle Pferde wurde natürlich herrlich herausgeputzt, und auch die so genanten „Who is WHo“ Leute waren dort vertreten. Und wenn man so wie ich einen eigenen Reitstall hatte, war es geradezu ein Muss dort zu erscheinen. Aber es machte ja auch Spaß. So begannen meine damalige Praktikantin Jeska und ich, unsere Pferde heraus zu putzen. Die Mähnen und Schweife mussten geflochten, Bandagen anlegt und Sattelzeug putzen werde. Es gab viel zu tun. Nach gut einer Stunde waren wir fertig, denn die Pferde hatten wir am Tag zuvor schon mit Shampoo gewaschen. Mähnen und Schweife hatten wir sogar mit der teuersten Kurpackung von einem hochwertigen Markenprodukt für Menschenhaare bearbeitet. Was für uns zu teuer war, war für unsere Pferde gerade gut genug. So glänzten Riko und Carinosa nur so um die Wette. Samtschwarzes Fell eiferte gegen schimmerndes Kastanienbraun Nach dem Satteln und bandagieren machte wir uns auch schick. Wir trugen weiße Blusen, blaue taillierte Westen und .glänzende Lederchaps mit Messingknöpfen. Und zur Feier des Tages legten wir sogar Lippenstift auf, was für zwei Ranchero - Frauen eher ein Ausnahmezustand war. Wir waren fertig und warteten auf zwei Bekannte, die mit uns hin reiten wollten. Stephanie und Rafael. Da kamen sie auch schon, wir bemerkten ihr Kommen als unsere Hengste anfingen zu wiehern. Da waren sie noch 500 Meter entfernt. Auf Macho - Instinkte kann man sich verlassen. Die Familie unsere Freunde war schon voraus gefahren, und hatte die Tische und Stühle im Flussbett unter schattigen Eukalyptusbäume aufgestellt, und der Grill war auch schon vorbereitet. An den Romerias bringt jeder etwas zu Essen mit. Zwar gibt es auch eine Art Chiringuito – also ein Barstand, wo man Tapas essen konnte, oder einen Sommerwein trinken. Natürlich gegen Bezahlung. Aber selbstgegrillte Chorizo – das ist spanische Paprikawurst, schmeckt herrlich und einfach unvergleichlich. Als wir los ritten machte ich mir so meine Gedanken wegen meinem Ross. Riko war ein absoluter Schreckhase, zu mindestens wenn man außerhalb des Stalles unterwegs war. Man konnte an seiner Box mit einem ratternden und knatternden Traktor vorbei fahren, er zuckte nicht mal mit den Wimpern. Auf der Koppel mit der Motorsäge Holz schneiden, kein Problem. Aber wehe dem es ging ins Gelände. Und auf einer Romeria ging es immer rund. Laute Musik, schreiende Kinder, Menschengeschnatter. Andere Pferde. Stinkende Autos und Mopeds ohne korrekten Auspuff. Ihr könnt Euch also vorstellen was mich erwartete. Als wir zu viert loszogen, mussten wir ausgesehen haben wie die Musketiere, aber eben statt 3 waren wir 4 an der Zahl. Es war sicher ein schönes Bild. Noch alberten wir ausgelassen und begannen fröhlich, Lieder zu singen, als wir langsam im Schritt dahin zuckelten.
Bis Riko plötzlich zur Salzsäule erstarrte. Er stemmte die Hufe in den Boden, und starrte ungläubig in die Ferne. Da sahen wir auch den Grund seines Entsetzens: Ein Esel, der einen wunderschön mit Blumenkränzen verzierten Karren zog kam direkt auf uns zu. Entweder hatte Riko in seinem bisherigen Leben noch nie einen Esel gesehen, oder aber es lag an den Blumenkränzen und dem Karren. Möglicherweise auch an beidem zusammen? Das ließ sich hier und jetzt nicht ergründen. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, streichelte ihm
den Hals und erzählte ihm, das Esel keine Ungeheuer waren, sondern viel, viel kleiner als er, und das der Esel vermutlich mehr Angst vor ihm hatte, als er vor dem Esel. Aber es nütze nichts. Vor lauter Aufregung musste der arme Riesenfriese äppeln. Dann kniff er den Schweif zischen den Pobacken zusammen und traute sich keinen Schritt mehr weiter, auch als die anderen wieder weiter zogen, nicht ohne mein edles Ross ordentlich ausgelacht zu haben. Der Karren mit dem Esel zog an uns vorbei, Riko lief der Schweiß aus den Poren vor Furcht, und binnen Sekunden war sein Hals schneeweiß eingeschäumt davon. Wahrscheinlich tat das Shampoo vom vorherigen Tag auch noch sein Nötiges dazu. Erst als der Esel außer Sichtweite war ließ Riko sich wieder dazu bewegen den anderen zu folgen. Das tat er in Windeseile, ich hatte kaum Einfluss auf ihn. Im flotten Friesentrab schwebten wir rasch auf unsere Gruppe zu. Geschafft! Na das konnte ja heiter werden, wenn Riko schon bei einem Esel die Fassung verlor. Kaum gedacht schon passiert, wir kamen dem Romeria - Geschehen näher, es wimmelte vor Menschen und den zuvor schon erwähnten knatternden Mopeds und Autos. Riko verkrampfte sich durch und durch. An jedem Picknickstand zog er immer mit einem riesigen Satz vorbei, so das ich dachte ich hätte ein Springpferd unter dem Popo. Meist waren es auch 2 oder gar 3 Sprünge hintereinander. Die Leute stoben vor Schreck auseinander. Ich hatte alle Mühe mit meinem Streitross. Dann begann er zu tänzeln, als die Musik der Bar immer lauter wurde, da wir ihr immer näher kamen. Er tänzelte nach links, dann nach rechts, er fiel in eine Art Tscha Tscha Tscha Rhythmus. Mir lief der Schweiß an der Stirn hinunter. Schließlich wollte ich niemanden gefährden, aber irgendwann musste sich Riko nun mal an solche Ereignisse gewöhnen. Unser Auftritt war spektakulär, wir machten auf alle Fälle eine Menge Eindruck, und noch Jahre später konnte sich jeder, der auf dieser Romeria war an das schwarze Ross des Rancho Rayo de Sol erinnern. Tolle Reklame. Als Riko dann noch vor lauter Aufregung direkt vor dem Barstand stieg und mit den Vorderhufen wirbelte, stoben auch die restlichen mutigen Menschen hektisch auseinander. Trotzdem beschloss ich, dass er auch durch den weiteren Ablauf durch musste. Also gingen wir zu unserem Picknickstand, ich halfterte ihn an einem Baum an neben seiner Freundin Carinosa, und tränkte die Rösser. Dort unter den Bäumen entspannte er sich ein wenig, die Musik war auch nicht mehr so laut, weil wir 100 Meter entfernt von der Bar ein Plätzchen gefunden hatten. Nach und nach kamen uns immer mehr Dorfbewohner besuchen, es war so Brauch von einem Picknickstand zum anderen zu gehen. Man trank ein Bier, machte Smalltalk und zog dann weiter. Wo die besten Würstchen waren, blieb man eben etwas länger. Jedenfalls wollten alle mein schwarzes Ross streicheln und ich wurde bewundert, weil ich ihn da so gelassen durch die Romeria geritten hatte. Wenn die wüssten, wie viel Bammel ich selber gehabt hatte. Nachdem der Ruhm um uns sich wieder gelegt hatte, beschlossen wir nach dem Essen wieder heim zu reiten. Riko war jetzt spürbar ruhiger und gelassener. Ich konnte endlich auch mal entspannen. Langsam ging es im Schritt nach Hause. Doch plötzlich zog eine rasend schnelle Geländemaschine an uns vorbei, wir hatten sie gar nicht kommen hören. Sie muss irgendwo im Busch gestanden haben mit ihrem Fahrer. Völlig rücksichtslos zog der Bursche an uns mit Vollgas vorbei. Wir schauten uns verdutzt an, alle Pferde blieben komischerweise völlig gelassen. Aber als die Maschine schon längst weg war, ging es los; Riko verlor die Fassung. Mit verspäteter Reaktion, anders kann ich das nicht bezeichnen, buckelte er plötzlich völlig unvorhersehbar los. Es waren wahre Rodeobocksprünge. Nur ein Wunder verhalf mir dazu oben zu bleiben. Aber ich war danach kreidebleich im Gesicht. Nichts war mehr übrig von meiner zarten Frühlingsbräune im Gesicht. Meine Freunde schauten mich bewundernd an. Stephanie sagte nur trocken: Gut gehalten, man. Rafael nickte zustimmend, Jeska saß mit offenem Mund staunend auf Cariñosa. Danach hatten wir alle Lust so schnell wie möglich zum Stall zu kommen. Wir sehnten uns nach Ruhe und einer langen, einjährigen Pause bis zur nächsten Romeria.