Danke Franzi für dieses Statement! Ich lese hier seit gestern mit und habe schon seit einigen Jahren aufgehört, über dieses Pferd im Netz zu diskutieren.
Ich mag weder Herrn Gal, noch seine Reitweise. Ebenso habe ich den Verkauf des Hengstes an die Familien Schockemöhle/Linsenhoff/Rath von vornherein als nicht besonders fruchtbar - rein reiterlich - prognostiziert, als bekannt wurde, dann man Matthias damit möglichst schnell zu reiterlichem Ruhm verhelfen wollte.
Immer hat Totilas polarisiert, sei es durch seine Bewegungsstärke, die immer wieder kontrovers diskutiert wurde, oder durch die wahnsinnigen Wertungen und Erfolge, die er unter Edward Gal errang.
Dennoch war er als sehr schwierig und nervig bekannt, und hier kommen wir zu dem Punkt, der ganz allein dafür sorgte, dass man mit diesem Hengst niemals so hätte umgehen können, wie wir das mit unseren Pferden tun. Er war Deckhengst im Deckeinsatz, und das machte die Sache natürlich noch schwieriger.
Ich bin mir ganz sicher, dass Totilas in den letzten Jahren ganz bestimmt kein schlechtes Leben auf dem Schafhof hatte, und dass man ihm - in seinem Rahmen als Hengst im Deckeinsatz - ein abwechslungsreiches Dasein versucht hat zu ermöglichen. Diesem Pferd ist es ganz bestimmt besser gegangen, mit all dem medizinischen Background, als so manchem Freizeitpferd, was irgendwo auf einer matschigen Wiese gehalten wird, schlecht geritten, gefüttert und versorgt, weil man es nicht besser weiß.
Nun ist er über die Brücke galoppiert und kann alles das genießen, was er in seinem realen Leben nicht durfte. Allein das stimmt mich sehr fröhlich, aber ich werde mich nicht dazu hinreißen lassen, zu sagen, dass man diesen Hengst nicht “hengstgerecht” gehalten hat.
Ich würde gar nicht mal sagen, dass man ihn nicht besser hätte halten können (so ein Pferd wird in der Regel auch weniger nervig, wenn es nicht nur eine Stunde täglich begrenzten Außenreizen ausgesetzt ist) - mir geht es nur darum, dass das in der Szene halt größtenteils leider so Usus ist (Ausnahmen wie Uta Gräf etc. mal außen vor - die ja wiederum zeigen, dass das geht) und Totilas jetzt nicht ein besonders tragisches Beispiel ist, sondern es ihm - innerhalb dieser Vergleichsgruppe - wohl nicht besonders schlecht ging.
Nein, solch ein Pferd wird eben nicht ruhiger, wenn man es länger draußen lässt, sondern es wird eher noch durchgeknallter, weil diese Pferde einfach von Vornherein gar nicht damit in Verbindung gebracht werden. Einmal abgesetzt sind sie kurz bis dreijährig beim Aufzüchter, um dann angeritten und ausgebildet zu werden. Da fängt es doch schon an, dass man ihnen Wiese und Auslauf kürzt, gerade als Hengst. Und da ist dann die Gefahr der Verletzungen einfach zu groß, dass man das über eine längere Zeit versucht.
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man, wenn man einmal ein Pferd besitzt, was eine Ausnahmeerscheinung darstellt, man automatisch anfängt, dieses Pferd in Watte zu packen, da kann man gar nichts gegen tun, es passiert einfach. Und jeder, der dem entgegnet, dass das Quatsch ist, der hat einfach noch nie solch ein Pferd gehabt. Da reden Trainer, Sponsoren, Tierärzte, etc. auf dich ein, dass du dir ganz schnell überlegst, dein Pferd möglichst wenig Risiken auszusetzen, wenn es denn einen gewissen Wert erreicht hat.
Ich sage nicht, dass man so ein Pferd direkt 24/7 in den Offenstall stecken kann. Aber mit genug Geduld und daran gewöhnen, lange auf der Wiese zu stehen und einfach Pferd zu sein, das geht, da lasse ich mir auch nichts anderes erzählen. Das sieht man bei einigen Rentnern aus dem großen Sport und das sehe ich an meinem eigenen Pferd, das vor 6 Jahren so aggressiv war, dass es jedes Pferd in seinem Umkreis angegriffen hat und zwei Jahre später im Offenstall laufen konnte. Es wäre ja schon viel getan mit einer Paddockbox. Dass man bei so einem wertvollen Tier schnell paranoid wird, ist nochmal ne andere Frage. Aber das ist ja nicht das eigentliche Thema - es bleibt dabei, dass Toto jetzt mE kein außergewöhnlich trauriges Leben geführt hat.
Zitat von jaara2008 im Beitrag #13Neben der Tatsache, dass Totilas nun nicht mehr lebt, betrauern wir wohl alle noch einmal die Entzauberung dieses Dressur"stars". Das Märchen vom Wunderpferd hätten (hatten?) wir doch alle zu gerne geglaubt.
Naja, ich gehöre tatsächlich zu denen, die von Anfang an von ihm nicht verzaubert waren, wie so viele. Mir tat er auch von Anfang an leid, ab dem Punkt, wo er für ein Heidengeld verkauft wurde, tatsächlich noch um so mehr.... nun hat er es geschafft... traurig für ihn, dass auch das wieder mit Leid einhergehen mußte...
Schöne Erinnerungen sind eine zweite Gelegenheit zum Glücklichsein
Ich bin absolut bei Euch und kann jede Eurer Meinungen teilen, denn tatsächlich würde auch ich mir überlegen, ob ich ein 11-Mio-€-Pferd auf 24/7 im Offenstall halte oder den ganzen Tag auf die Weide stelle, respektive war als Zylinderzicke auch nicht gerade der Meinung, dass ich mein sportlich genutztes Pferd vor der Fahrt zum Turnier gerne aus dem Offenstall holen möchte, wo es sich vielleicht gerade noch gewälzt oder mit seinen Kumpels lustig herumgetobt hat, sodass es dann keine Lust mehr hat, das bisschen Restenergie im Viereck zu mobilisieren. Es vereinfacht das Training eben durchaus auch, wenn man das Pferd frisch und ausgeruht, sauber und ohne Macken, aus seiner Box ziehen kann.
Mein Denken ist heute ein anderes und auch wenn meine Deckhengste nicht annähernd den Wert eines Totilas hatten (also rein materiell - ansonsten waren sie selbstverständlich auch unbezahlbar und unendlich wertvoll für mich), standen sie tagsüber auf der Weide. Nicht miteinander, aber jeder auf seiner Koppel mit Blickkontakt zu den anderen Hengsten, teilweise auch zu den Stuten.
Vermutlich würde ich selbst mit meinem freundlichen Lilo das Experiment nicht wagen, ihn mit einem anderen Hengst zu vergesellschaften oder ihn als Weidehengst zu den Stuten zu stellen. Da ist mir die Verletzungsgefahr einfach zu groß. Auch mit einem Wallach ist - so wurde mir das erzählt - die Vergesellschaftung nicht gut gegangen, denn Lilo fing nach drei Tagen an, den Eunuchen zu bespringen und bedrängte den armen Kerl dabei auch massiv, sodass man ihn vor Lilos Liebesbezeugungen retten musste.
Mit Schimmi zusammen würde es sicher auch nicht gut enden - ich habe das erlebt, als Schimmi über den Zaun gegangen war, um mit Lilo zu kämpfen. Das war für beide eine schmerzhafte Erfahrung.
Aber ich denke durchaus, dass man auch Hengsten eine Haltung ermöglichen kann, die näher an der "Artgerechtigkeit" liegt, als eine Isolation zum Wohl des Hengstes. Ich bin mir auch durchaus bewusst, dass es Pferde gibt, die mit dem "auf die Weide stellen" erst mal überfordert sind und entweder krähend am Tor stehen, um wieder in ihre Box geführt zu werden oder Runde um Runde übers Geläuf preschen, bis die Beine weh tun. Dass man einen 11-Mio-Hengst so einem Risiko ungern aussetzen möchte, verstehe ich aber auch.
Mein persönlicher Eindruck vom Stall Paul Schockemöhle war aber eher der einer "Pferdefabrik", denn die Stars aus Zucht und Sport stehen in dunklen, kleinen Boxen und führen nicht zwingend ein fürstliches Leben. Sicher hatte es Totilas auf dem Schafhof deutlich besser getroffen und ich denke durchaus, dass man den Hengst auch auf der emotionalen Ebene sehr schätzte. Aber ein so teures und erfolgreiches Pferd ist nun mal eine Wertanlage - nicht nur für die Besitzer und Eigentümer, sondern auch für alle, die sich einen Profit davon erhoffen und insofern hält man das Risiko gering, dass so ein Pferd nicht mehr finanziell nutzbar wird.
Wie ich schon schrieb: Unter diesen Gesichtspunkten verstehe ich, dass man den Hengst nicht hielt, wie wir unsere Hengste halten oder halten möchten. Das Gereit der Leute in seinem Sattel war für den Hengst aus meiner Sicht weit weg von dem, was ich unter "Gesunderhaltung des Pferdes durch reiterliche Nutzung" verstehe, aber all die kontroversen Diskussionen führten nie zu einer Veränderung des Denkens im Kopf seiner Reiter.
Wenn man also den Maßstab von vielen von uns als den für die "pferdegerchte Haltung und Bewegung" nimmt, war Totilas vermutlich ein armes Pferd und sein Tod, auch wenn er sicher auf der letzten Strecke gelitten hat, eine Erlösung, weil er nun frei von allen Zwängen auf den immergrünen Weiden galoppiert.
Wenn man aber Corinnas Gedanken aufgreift - mit denen ich durchaus einhergehe - dann ist das Offenstallpferd, das im Matsch steht und von den dominanteren Herdenmitgliedern gemobbt wird oder das nur am Wochenende einen Sattel trägt, aber dann für zwei Stunden im Schweinsgalopp durchs Gelände gescheucht wird, wahrscheinlich viel ärmer dran, als Totitlas es war.
Das ändert nichts an meiner Meinung, dass eine Pferdehaltung, die von der Intention bestimmt wird, damit Geld zu verdienen, meistens auf Kosten des Pferdes geht und selten das psychische Wohl des Pferdes in den Vordergrund der Gedanken über Haltung und Gereit gestellt werden kann. Wo Geld und Erfolg die Richtungsweiser sind, ist das Pferd leider meist der Verlierer.
Insofern bedaure ich den viel zu frühen Tod von Totilas nur bedingt, denn auf den immergrünen Weiden genießt er eine Freiheit, die er wohl in seinem irdischen Leben nur als Fohlen kannte. Wie ich aber auch schrieb, tut es mir sehr leid, dass die Umstände, die zu seinem Tod führten, von Schmerzen geprägt waren.
Ich fühle auch durchaus Mitgefühl mit seinen Eigentümern und allen, die ihn schätzten und verehrten und die ihn jetzt vermissen müssen und ich weiß, wie tröstlich es sein kann, wenn man Anteilnahme erfährt und Trost gespendet bekommt, denn egal welchen materiellen Wert ein Pferd hatte, für diejenigen, die es liebten, ist es ein Verlust, der schmerzt, wenn es über die Regenbogenbrücke galoppiert.
Geh Wege, die noch niemand ging, damit Du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub (Antoine de Saint Exupéry)
Auch ich war nicht lange oder nachhaltig verzaubert von dem Wunderpferd. Kenne sehr gut die holländischen Methoden aus der Friesenszene und bin der Meinung, dass das kein Pferde verdient hat so trainiert zu werden. Ich hab es schon mal hier geschrieben; an der ganzen Geschichte hat mich am meisten getroffen, dass ein Zögling der Linsenhoffschen-Schule sich dem NL-Trainer an den Hals geschmissen hat um die Bedienungsanleitung zum (in meinen Augen) Missbrauch unsers Partners Pferd zu holen. Das ist tragisch und traurig. Dem Totilas ist es auf dem Schafhof bestimmt so ganz gut gegangen... wenn man die Meßlatte der Sportreiter ansetzt.
Was mich aber an diesem Tod des Pferdes jetzt umtreibt ist die Tatsache, dass alles "in-Watte-packen" nicht verhindern konnte dass dieses Pferd an einer Kolik verstarb. Ich bin absolut Kolik-traumatisiert und versuche alles aber auch alles so zu machen, dass es dazu nicht kommt. Ich bin jeden morgen froh wenn ich raus komme und habe zwei aufrecht stehende Pferde im Hof. Und dass es trotz allem Geld und aller Kontrolle auch in diesem Fall nicht gut gegangen ist, hilft mir ein bisschen dies Thema los zu lassen.
Dem Totilas ist es auf dem Schafhof bestimmt so ganz gut gegangen... wenn man die Meßlatte der Sportreiter ansetzt.
So sollte man es vermutlich sehen - denn der eigene Maßstab, bei dem das seelische Wohl des Pferdes genauso hoch bewertet wird, wie das körperliche, ist nie rentabel. Zumindest nicht im materiellen Sinn. Unsere Pferde kosten meistens nur Geld und bringen finanziell nichts ein ... oder zumindest verhelfen Sie uns nicht zu finanziellem Reichtum. Unser Geld verdienen wir anderweitig. Insofern können wir gut damit leben, wenn unser Pferd kein Züchtermagnet ist oder nennenswerte Preisgelder sammelt und halten es nicht unter dem Gesichtspunkt der Werterhaltung oder Wertsteigerung.
Das macht wohl den Unterschied zwischen unseren Gedanken zur pferdegerechten Haltung und denen von Paul Schockemöhle und Co.
... und ja, liebe Susanne, ich dachte auch im Zuge von Totilas an die Tage in Telgte, in denen wir nach der Kolik-Op um Sambucos Leben bangten und ihn letztendlich doch über die Regenbogenbrücke gehen lassen mussten ... und danach fühlt sich vermutlich jeder Pferdebesitzer, dem sein Pferd wichtig ist, ziemlich gleich ... der Verlust schmerzt und die Erfahrung zeigt uns, dass all unsere Bemühung, alles richtig und besonders gut zu machen, manchmal vergebens sind, weil das Leben und der Tod eigene Gesetze befolgen und die gelten nicht nur für unsere Pferde, sondern auch für die Pferde derer, die sich von allem das Beste leisten können.
... und ja, das ist ein bisschen tröstlich.
Geh Wege, die noch niemand ging, damit Du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub (Antoine de Saint Exupéry)
Das stimmt. Böse Zungen werden jetzt natürlich anführen, dass hier vielleicht gerade der Mangel an Bewegung zur Kolik geführt hat. Aber das wäre wohl unfair, denn Koliken treffen, wie wir ja leider schon mehrfach traurig feststellen mussten, auch ganz toll gehaltene Pferde, ohne erkennbaren Grund.
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Totilas ist tot
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16.12.2020 20:30
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