Die Pferde meines Lebens

Wer von Euch hatte sie nicht: Die Pferde seines Lebens!

Wenn Ihr mögt, möchte ich Euch die Pferde meines Lebens vorstellen und ich würde mich freuen, wenn es Euch animiert, auch von Euren Pferden Eures Lebens zu erzählen.

Alle schaffe ich allerdings nicht auf einmal – ich erzähle Euch die Geschichten also in Etappen – wenn Ihr sie lesen mögt.

Also denn – es geht los:

Einen „Pferdefimmel“ hatte ich – glaube ich den Erzählungen meiner Eltern – schon bevor ich laufen und sprechen konnte. Wann immer meine Mutter den Kinderwagen mit mir als Passagier an einem Pferd vorbei schob, soll ich wohl gestrahlt haben und fand ich einen Hufabdruck auf einem der Wege, über die unser Sonntagsspaziergang führte oder gar ein Häuflein Pferdeäppel, hüpfte ich aufgeregt und jubelnd darum herum, als hätte ich einen Schatz entdeckt.

Den Sommer durch kehrten wir auf solchen Spaziergängen ja auch noch in Angelas Eisdiele ein und weil mein Vater seinen Espresso ohne Milch und Zucker trank, durfte ich mir die Würfel einstecken, damit ich – falls wir ein Pferd getroffen hätten -, es damit hätte füttern können ... meist entwickelte sich in der Jackentasche aus dem Zuckerwürfel ein klebriger Klumpen, bevor ich ihn zwischen weiche Pferdelippen schieben konnte, denn zu meiner großen Enttäuschung traf man bei uns eher selten auf Pferde. Meiner Hoffnung, trotzdem einem zu begegnen, tat das aber keinen Abbruch und so sammelte ich weiter Zuckerstücke und befand mich – wenn uns dann doch ein Pferd begegnete, in einem Zustand trunkener Glückseligkeit, weil ich ihm meine Liebesgaben anbieten durfte.

Zwar soll mein erstes gesprochenes Wort trotzdem nicht „Pferd“ gewesen sein, aber ich vermute, dass es trotzdem zu meinen Top Ten gehörte, denn wann immer man mich fragte, was ich mir zu Weihnachten oder zum Geburtstag wünschte, war meine Antwort: „Ein Pferd!“

Ich war, glaube ich, ungefähr sechs Jahre alt, da nahm mich mein Patenonkel, der auch ein Reiter war, mit zum Stall. Für mich war das, als hätte ich das Paradies betreten und fortan schraubte ich meinen großen Wunsch nach einem Pferd erst mal herunter und schrieb statt dessen „Reitstunden“ auf meine Wunschzettel.

Als großes Glück empfand ich dann, dass mein Vater, der nach einem Unfall im Krankenhaus war, sein Zimmer mit dem Pferdezüchter Herr Spieß, teilte, zu dem der freundschaftliche Kontakt noch lange Jahre erhalten blieb. Wann immer wir ihn auf seinem Hof besuchten, durfte ich in den Sattel des Reitponys Max klettern oder mit den Shettys vor der Kutsche Runden im Hof drehen und die Ponys taten mir den Gefallen, mir meine Wünsche zu erfüllen, obwohl ich ja weder reiten noch Kutsche fahren konnte.

Ich hatte also durchaus das Gefühl, in Sachen Pferd schon ein kleiner Experte zu sein.

Sonja, das Schimmelpony

Ebenfalls zu der Zeit, als ich sechs Jahre alt war, zogen wir „aufs Land“. Nicht dass wir zuvor in der Stadt gewohnt hatten, aber jetzt begann hinter unserem Haus die Natur mit Feldern, Wiesen und dem Wald ... und keine zehn Minuten Fußweg von uns entfernt befand sich ein Haus mit großem Grundstück und vielen Hundezwingern, in denen Schäferhunde untergebracht waren.

Meine zweite große Leidenschaft gehörte nämlich neben den Pferden den Hunden. Im Gegensatz zu meinem Wunsch ein eigenes Pferd oder doch wenigstens ein Pony zu besitzen, wurde mir der Wunsch nach einem Hund schon sehr früh erfüllt. Wobei meine Großmutter mütterlicherseits immer Schäferhunde gehalten und sogar gezüchtet hatte – insofern war meine Mutter mit Hunden aufgewachsen und meine Tante (die Frau des reitenden Patenonkels) züchtete sogar Leonberger Hunde. Die Liebe zu den großen Hunden lag also quasi in meinen Genen ... nur hatten die ihre Wirkung nicht bei meiner Mutter getan. Sie liebt bis heute Pudel und mir war es peinlich, solche „Fiffis“ an der Leine spazieren führen zu müssen, wo ich doch immer „einen richtigen Hund“ wollte.

Aber dann führte mich das Schicksal zu jenem Anwesen, auf dem es vor großen Hunden nur so wimmelte. Wann immer mich mein Weg in diese Richtung führte, versuchte ich einen Blick auf die Hunde zu erhaschen und einmal konnte ich sogar den Besitzer des lebhaften Rudels, Herrn Greiner, treffen, der mit einem seiner Hunde auf einer weitläufigen Wiese vor dem Haus trainierte. Ihm fiel wohl rasch das Kind am Zaun auf, das mit leuchtenden Augen zu ihm hinüberschaute und so lud er mich ein, hereinzukommen.

Warum ich das nun erzähle und von den Pferden zu den Hunden abschweifte, erklärt sich aus dem Umstand, dass eines Tages – ich muss so ca. acht Jahre alt gewesen sein – auf der Wiese vor dem Haus ein Schimmelpony graste. Sonja – so hieß die Schimmeline, war quasi als Rasenmäher und zur Bespaßung der Enkelkinder angeschafft worden.

Während ich vollkommen fasziniert am Zaun stand, sehnsüchtig hoffend, dass das Schimmelpony zu mir kommen würde, damit ich es streicheln kann, kam Herr Greiner aus dem Haus und fragte mich, ob ich reiten kann. Nun schrieb ich ja bereits, dass ich nachdem ich ca. einmal pro Monat bei Herrn Spieß das Pony Max reiten durfte, das mich trotz jedweder fehlender Reitkenntnisse meinerseits freundlich spazieren trug, durchaus der Überzeugung anheim gefallen war, reiten zu können und so nickte ich natürlich auch eifrig, als mir nun in Aussicht gestellt wurde, Sonja reiten zu dürfen.

Zu Sonja gehörte ein Westernsattel, der ihr allerdings nicht sonderlich gut passte – nicht dass ich das in meinen jungen Jahren schon hätte erkennen können, aber nachdem sich der Sattel beim Leittraben hinten anhob und die Sitzfläche quasi meinem Popo folgte und der Sattel auch immer mehr Richtung Ponyhals rutschte, teilweise auch zur Seite kippte und auch sonst ein ziemlich schwammiges Gefühl bei mir erzeugte, ritt ich fortan lieber auf dem blanken Pferderücken. Viel Halt bot der mir allerdings nicht, denn ich erinnere mich an zahlreiche Abstürze und daran, dass Sonja mich schnell lehrte, dass ich definitiv nicht reiten konnte ... ja nicht mal sonderlich lange oben zu bleiben gelang mir wirklich und das mit der Steuerung funktionierte auch eher mittelmäßig.

Darum reifte in mir auch der Entschluss, wirklich reiten zu lernen. Ganz in der Nähe von unserem Haus gab es einen „richtigen“ Reitstall. Das wusste ich von einer Schulkameradin, die dort Reitunterricht nahm. Spontan erklärte ich sie zu meiner besten Freundin und begleitete sie fortan treu zu ihren Abteilungsstunden auf den unterschiedlichsten Schulpferden.

Meine Eltern standen meiner Leidenschaft für die Pferde nicht unbedingt entgegen – ich komme ja aus einer sehr tierlieben Familie und seit ich denken kann, gab es bei uns immer Hunde, Katzen, Goldhamster, Zwergkaninchen und ein Aquarium -, aber sie waren der Meinung, dass ein Reiter zumindest mit den Füßen übers Sattelblatt reichen sollte und dass ich meine Dosis an Reitsport durchaus weiterhin bei Sonja abholen könnte. Mein Argument, dass meine reitende Freundin ja auch nicht älter wäre als ich, kam leider nicht so gut an, denn meine Eltern meinten: „Sie ist aber größer als DU!“

Tatsächlich war ich die jüngste und kleinste Schülerin der Klasse. Also bemühte ich mich schnellstens zu wachsen aber bis meine Eltern fanden, dass ich groß genug sei, nun Reitunterricht nehmen zu können, vergingen fast zwei Jahre.

Wäre Sonja nicht wegen Mangels an Interesse der Enkelkinder plötzlich verkauft worden, hätte man mich vielleicht noch länger vertröstet. Aber so hatte ich kein Pony mehr zu reiten und plagte meine Eltern, bis sie entnervt zustimmten, mich zum Reitunterricht anzumelden.

Natürlich hatte ich meine Freundin weiterhin zu ihren Reitstunden begleitet und während sie wirklich nur einmal der Woche zum Reitstall radelte, war ich fast täglich dort. So kam es, dass ich nicht nur neue Freundinnen fand, mit denen zusammen ich Trensenzäume und Sättel putze, die Stallgasse fegte oder die Schulpferde striegelte, sondern auch dem Stallbetreiber Heiner schon gut bekannt war, als ich dann meine erste Zehnerkarte „abreiten“ durfte.

In der Regel beginnt der Reitanfänger ja reiten zu lernen, indem er an der Longe seine Runden dreht. Bei mir jedoch machte man entweder eine Ausnahme, weil man davon ausging, dass ich bereits so sattelfest sei, in der Abteilung mitreiten zu können oder es fehlte Heiner in der Erntezeit die Muße, sich eine halbe Stunde mit einem kreiselnden Schulpferd und mir obendrauf in die Halle zu stellen, während er draußen hätte das Stroh pressen können. Jedenfalls wurde ich auf Argo gehoben und ans Ende der Abteilung geschickt.

Ich gebe zu, dass ich, als ich das erste Mal vom Pferd abstieg, durchaus Zweifel hatte, ob Reiten nun wirklich der richtige Sport sein könnte, denn mit Sonja war das nicht halb so anstrengend gewesen – wobei ich sie auch meist im Schritt ritt, denn zum einen rutschte der Sattel im Trab und Galopp bedenklich, zum anderen nahm das Pony meine Aufforderung zu schnelleren Gangarten nicht wirklich ernst und kam ihr nur selten nach, genau genommen nur dann wenn ihr gerade das Mützlein nach forscherem Vorwärts stand.

Trotz Muskelkater und pflasterumwickelten Blasen an den Fingern trat ich aber dann aber wieder zur nächsten Reitstunde an und weil Heiner mich wohl mochte, durfte ich sogar oft kostenlos in der Abteilung mitreiten, wenn die Stunde nicht voll war.

So hielt die erste Reitkarte sogar fast vier Monate, obwohl ich zweimal die Woche in der Abteilung mitritt und zu Weihnachten gab es dann die nächste.

Joschi – der nächste Schimmel

Nach ungefähr zwei Jahren auf dem Rücken der Schulpferde Argo, Tino, Chapperel, Max, Moritz, Bebé gris und Don bot mir Heiner an, kostenlos eines seiner Verkaufspferde reiten zu dürfen. Joschi – der tatsächlich wieder ein Schimmel war – wurde von mir zu Anfang noch in der Abteilung mitgeritten, dann erhielt ich die Erlaubnis, ihn auch alleine bewegen zu dürfen.

Doch eines Tages fragte mich Heiner, ob ich Joschi am Samstag Nachmittag um drei reiten könnte. Es kämen Kaufinteressenten, die ein braves Kinderpferd suchen.

Zuerst dachte ich: „Nein! Ich unterstütze doch nicht denn Verkauf „meines“ Pferdes!“ und überlegte, ob ich Joschi ganz besonders schlecht präsentieren sollte. Dann überlegte ich, dass mir Heiner dann wohl nie mehr ein Pferd zum Reiten anvertrauen würde und dass es unfair wäre, ihm das Geschäft zu vermasseln, nachdem er mir monatelang kostenlos Unterricht gegeben hatte und mich Joschi hatte reiten lassen.

Die Leute kauften meinen Schimmel natürlich und danach bin ich zwei Monate lang gar nicht mehr zum Stall gefahren.

Irgendwann war dann aber die Sehnsucht nach den Pferden größer, als der Schmerz um meinen Joschi und ich trat mit einer neuen Zehnerkarte wieder zum Unterricht an. Aber die Frage Heiners, ob ich Lust hätte, wieder Verkaufspferde mitzureiten, verneinte ich – ich mochte nicht noch einmal von einem Pferd Abschied nehmen müssen.

Bis hierhin habe ich leider keine Bilder – die sind noch in den Alben meiner Eltern.

Aber jetzt wird’s bunt – oder erst mal schwarz-weiss, denn in mein Leben trat ...

Copavil – der schwarze Renner

Zu der Zeit gab es im Stall aber einen schwarzen Vollblüter. Sein Name war Copavil und er gehörte der Tante meines späteren Ehemannes. Wobei er erst drei Jahre später mein Freund wurde und ich ihn erst weitere acht Jahre später heiratete, denn ich war ja inzwischen gerade mal 13 Jahre alt.

Aber das Foto (leider das einzige, was ich von ihm habe) zeigt ihn mit Bernd (meinem Exmann) im Sattel – das Foto war übrigens Foto des Monats in der Reiter Revue, weil am Wassergraben ein Pressefotograf stand, der hoffte, den Sieger der Vielseitigkeit fotografieren zu können. Statt dessen wurde es dieser Sturz in den Wassergraben – Bernd ist aber nach dem Abtauchen wieder aufgesessen und hat den letzten Sprung samt des Rappen noch überwunden:



Jedenfalls fragte mich Copavils Besitzerin, warum ich denn so lange nicht mehr zum Stall gekommen wäre und als ich ihr sagte, dass Joschi verkauft wurde und ich deshalb das Reiten fast aufgegeben hätte, bot sie mir an, Copavil zweimal wöchentlich reiten zu dürfen. Allerdings sollte ich ihn nicht alleine, sondern im Unterricht reiten, denn als ehemaliges Rennpferd bekam er zwischendurch mal das große Galoppieren.

Mit Copavil durfte ich dann aber sogar das erste Mal ins Gelände – und lernte, wie rasant so ein Galopper werden kann, wenn ihm einfällt, dass er darauf trainiert wurde, schneller zu laufen, als die anderen. Coco – wie er von allen gerufen wurde – ging mir gepflegt durch und entgegen all der Mädels in den Pferdebüchern, die ich eifrig las, war ich keinesfalls begeistert, so schnell galoppieren zu dürfen, sondern froh, als Coco sich soweit zurücknehmen ließ, dass ich ums Pumpenhäuschen trabend, auf meine Gruppe und den Stallbetreiber wartete, denn Schritt war in dem Moment bei dem Rappen ausverkauft.

Dann wurde ein Reitlehrer eingestellt. Der mochte mich leider gar nicht – das ließ er mich in jeder Unterrichtsstunde spüren. Als ehemaliger Jockey war er ein kleiner, drahtiger Mann und setzte er sich auf ein Pferd, dann lief das immer auf einen Kampf heraus, bei dem er sich freute, dass er „die Zossen knackte“.

Nun hatte ich ja aber die Order, mit Coco nur unter der Aufsicht des Reitlehrers zu reiten und das tat ich dann. Mein Problem bei dem Rappen war, dass ich ihn im Trab schlecht aussitzen konnte und genau das bemängelte der Reitlehrer dann auch gleich. Zuerst ließ er mich die Bügel überschlagen und als ich trotzdem auf dem mir viel zu großen Sattel herumhoppelte, ließ er mich absatteln und verlangte, dass ich Coco ohne Sattel reite.

Mir wurde ganz schwummig in der Magengegend und nachdem ich auf dem blanken Pferderücken saß, weigerte sich in mir alles, mein Pferd in den Trab zu schicken. Der Reitlehrer merkte das natürlich, holte mit der Longiergerte aus und traf Coco auf dem Hintern. Der sprintete mit mir auch sofort im Renngalopp los, aber weil die Halle keine Rennbahn ist und vier Ecken hatte, wurde uns eine von denen dann auch zum Problem, denn meinem Rappen zog es die Füße weg. Im Prinzip war es ein Glück, dass meine Füße nicht in Steigbügeln steckten, denn als Coco zur Seite fiel, geriet ich nicht unter ihn, sondern flog von ihm weg.

Der Reitlehrer war nun doch ziemlich geschockt und es schien, als wäre ihm erst eben bewusst geworden, dass er den Unfall verschuldet hatte. Darum wies er mich an, kein Wort davon zu erzählen, weil er mich sonst „fertig“ machen würde.

Unter diesen Umständen mochte ich aber auch nicht mehr reiten und so schrieb ich Cocos Besitzerin einen Zettel, dass ich den Rappen nicht mehr reiten möchte und blieb dem Stall wieder eine Zeitlang fern. Offenbar kam aber die Geschichte dann doch raus und der Reitlehrer wurde entlassen. Nun hatte ich zwar längst die Schule gewechselt, aber nach wie vor gingen zwei Reitfreundinnen von mir in die gleiche Klasse und die erzählten mir dann auch, dass nun ein neuer Reitlehrer gekommen wäre, der den ganzen Schulbetrieb gepachtet hätte.

Isba – mein kurzes Glück (darum gibt es auch leider keine Fotos)

Natürlich führte mich mein erster Weg nach der Schule auch gleich zum Stall und tatsächlich standen da auch ein paar neue Schulpferde in den Ständern und weil die Ständerplätze wohl nicht gereicht hatten, waren auch ein paar der Pferde in Boxen untergebracht. Eines davon war Isba.

Die Stute war kein besonders schönes Pferd. Schmal, hochbeinig, mit einem Steckenpferdhals und viel Unterhalsmuskulatur und dazu auch noch einem Axthieb vor einem Widerrist, der wie eine Haifischflosse aus dem Pferd ragte. Aber ich verliebte mich trotzdem in die Schwarzbraune.

Der Reitlehrer, Herr Schulz, hatte aber nicht nur den Schulbetrieb übernommen, sondern damit gleich ein neues System eingeführt: Die Reitbeteiligung! Man konnte sich ein Schulpferd aussuchen und es dreimal pro Woche reiten, wenn man dafür die halbe Stallmiete bezahlte.

Ich war nie ein Rechengenie, aber so wie ich meinen Eltern die Ersparnis vorkalkulierte, die es für sie bedeuten würde, wenn sie mir statt einer Zehnerkarte für 110 Mark die 180 Mark für die Reitbeteiligung an Isba bezahlen würden, klang es zumindest so überzeugend, dass mein Vater den Vertrag unterschrieb.

Mein Vorteil war es nun, dass keiner außer mir Isba reiten wollte und ich somit nicht dreimal die Woche, sondern täglich in Isbas Sattel saß, ohne dass meine Eltern mehr bezahlen mussten.

Mit Isba habe ich meine ersten Springstunden absolviert und meine ersten Stoppelfeldgalopps. Dabei fiel mir aber auf, dass Isba auf einer Seite sehr schreckhaft reagierte und als ich dann in der Springstunde den Sattel räumte und im Bügel hängen blieb, wurde sie vollkommen panisch und trat sogar nach mir. Mir war dabei nichts passiert, aber Herr Schulz hatte tags drauf auch keine guten Nachrichten für mich, denn der Tierarzt hatte festgestellt, dass die Stute auf einem Auge blind war ... Isba ging zu dem Pferdehändler zurück, von dem Herr Schulz sie gekauft hatte und ich war abermals pferdelos.

Im Austausch für sie kam Gerber, ein klobiger Fuchswallach, für den ich mich so gar nicht erwärmen konnte. Auch die anderen Schulpferde konnten mich nicht begeistern und Verkaufspferde wollte ich auch keine reiten.

Manuletta (auch von ihr gibt es leider keine Bilder)

Allerdings hatte es sich wohl längst unter den Privatpferdebesitzern herumgesprochen, dass die kleine Sabine die Pferde, die sie reiten darf, mit solch einer Hingabe versorgt und selbst das nicht gerade üppige Taschengeld in anderer Leute Pferde investiert, um Möhren, Äpfel, Leckerchen und sogar Huffett zu kaufen, dass der Pferdebesitzer, der ihr sein Pferd zur Verfügung stellt, stets davon profitiert.

Obwohl ich erst mal kein Pferd zu reiten hatte und es mich auch nicht reizte, Schulpferde zu reiten, nutzte ich viele Tage meiner Schulferien, um schon morgens früh um halb acht im Stall zu sein und unserem Pferdepfleger beim Putzen und Satteln der Privatpferde für die „Kochlöffelstunde“ zu helfen. In der ritten morgens um acht die Hausfrauen – meistens Gattinnen von Ärzten und anderen betuchten Herren, die ihren Ehefrauen ein Pferd kaufen konnten. Damals gab es eigentlich keine Normalverdiener mit eigenem Pferd, sondern nur „reiche Leute“, die sich die monatlichen Kosten für ein Pferd leisten konnten.

Jedenfalls erwarteten die Damen aus der Kochlöffelstunde, dass man ihnen ihr Pferd geputzt und gesattelt in die Reithalle führt und sie waren auch froh, jemanden zu finden, der sich bereit erklärte, das Pferd nach der Stunde trocken zu reiten und zu versorgen.

Ich machte das einerseits sehr gerne, andererseits hatte ich natürlich auch die Hoffnung, dass man mir auf diesem Weg ein „Pflegepferd“ anbieten würde.

Mein Eifer wurde auch rasch belohnt, denn Frau Dr. Grellmann bot mir an, ihre Manuletta am Wochenende und während ihres Urlaubs reiten zu dürfen. Leider war Manuletta nicht mehr die Jüngste und so ritt ich die Stute überwiegend im Gelände spazieren und meine reitsportlichen Ambitionen rückten erst mal wieder in weite Ferne.

Meine Reitfreundinnen hatten mittlerweile auch Pflegepferde und zwei Mädels ritten Heiners Pferde mit und durften, wenn er am Wochenende zum Turnier fuhr, die eine oder andere Prüfung mit den Pferden starten. Ich begleitete das Turniertrüppchen natürlich immer gerne und es waren wirklich immer schöne Tage, wenn wir den LKW mit Sattelzeug und Pferden beluden und dann mit fünf Pferden zum Turnier fuhren. Aber bei allem Spaß, den wir zusammen hatten, beneidete ich doch die beiden Mädels, die nicht in Jeans, sondern in weißen Turnierreithosen Bandagen wickelten, Pferde einflochten, vor dem Start noch mal überputzen oder sattelten, denn sie hatten Erfolge zu feiern, für die mir das passende Pferd fehlte.

Arthus – mein erstes Turnierpferd



Das änderte sich aber, als mich der Besitzer der beiden irischen Hunter Arthus und Hektor fragte, ob ich Lust hätte, seine Pferde zu reiten. Was für eine Frage! Natürlich hatte ich Lust dazu! Auch wenn der Rotschimmel Hektor mir das Leben im Sattel nicht leicht machte und der Fuchswallach Arthus mit meinen Dressurambitionen nicht so wirklich konform ging, war ich glücklich.

Natürlich ritt ich Manuletta weiter, bis sie eines Tages den letzten Weg antreten musste, aber mit Arthus und Hektor hatte ich zwei junge, gesunde Pferde unter dem Sattel, die es mir wieder möglich machten, am Springunterricht teil zu nehmen, denn nachdem Isba nicht mehr da war, hatte ich ja auch keine Reitstunden mehr gehabt.

So sehr es mich in der Vergangenheit oft gestört hatte, wenn man mir Pferde zur Verfügung stellte, die ich dann aber überwiegend unter Aufsicht reiten musste, so froh war ich, endlich wieder Pferde zu haben, die mir eine sportliche Perspektive bieten konnten und auf denen ich am Spring- und Dressurtraining der Privatpferdereiter teilnehmen konnte – das wurde nämlich nicht von Herrn Schulz geleitet, sondern wieder vom Stallbetreiber höchstselbst und der war mir als Reitlehrer am liebsten. Herr Schulz war nett, aber man ritt halt „im Kreis herum“ und kam so reiterlich auch nicht weiter. Ich habe ihn eigentlich nur einmal selbst auf einem Pferd sitzen sehen und dabei hatte er sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert.

Heiner – der Stallbetreiber ritt selbst erfolgreich S-Springen und er gab auch sehr guten Dressurunterricht. Das war insofern auch dringend nötig, als dass Arthus alles andere als leichtrittig und ich mit dem Fuchs ziemlich überfordert war, denn wenn ihm das Mützlein danach stand, drückte er seinen Hirschhals gegen meine Hand und bekuckte sich den Himmel.

Auf der einen Seite war ich ja froh, dass der Besitzer von Arthus und Hektor definitiv kein begnadeter Reiter war, der sich hätte sorgen können, dass ich seine Pferde „verreite“. Auf der anderen Seite hätte ich mir aber gewünscht, dass er mich etwas mehr in meiner Bemühung unterstützt hätte, zumindest seinen Fuchs ein wenig korrekter geritten zu bekommen.

Ein wenig bedauerte ich, dass er nicht zu den Pferdebesitzern gehörte, die Wert auf korrektes Reiten und guten Unterricht legten, sondern mit seinen Pferden nur durchs Gelände galoppieren und Spaß haben wollte. Dabei war es ihm zimlich egal, ob Arthus die Nüstern gen Himmel reckte.

Mit Manuletta, Coco oder Joschi hatte ich ja Pferde von Besitzern geritten, die ihre Verantwortung für ihr Pferd sehr ernst nahmen, nahezu täglich selbst kamen, um sich um ihr Pferd zu kümmern und auch regelmäßig Unterricht nahmen – oder im Fall von Heiner - auch Lehrgänge besuchten und selbst sehr gut ritten. Da wollte natürlich keiner, dass ich das mirt zur Verfügung gestellte Pferd „vergurke“. Ich ritt darum entweder unter ihrer Aufsicht oder im Unterricht mit, bis ich mir ihr volles Vertrauen erritten hatte und sie mir das Bewegen ihrer Pferde auch ohne Aufsicht zutrauten. Das fand ich natürlich erst mal nicht so schön, aber natürlich war es durchaus sinnvoll, einem Mädel mit 12, 13 Jahren nicht alle Freiheiten zu gewähren und von dem Unterricht (der von den Pferdebesitzern bezahlt wurde), profitierte ich letztendlich auch.

Aber der Besitzer von Arthus und Hektor gehörte zu Basels erfolgreichsten Unternehmern und hatte dem entsprechend sehr wenig Zeit, sich um seine Pferde zu kümmern. Für ihn war das Reiten nur Entspannung und Ausgleich zu seiner Arbeit und damit hatte er auch keine Lust, sich dabei anzustrengen. Er selbst ritt meistens Sonntags ins Gelände und Dienstags sowie Samstags kam ein mit dem Besitzer befreundetes Ehepaar, um mit beiden Pferden auszureiten – die restliche Zeit hatte ich die beiden Pferde zur freien Verfügung. Einzig ins „Reittagebuch“ musste ich eintragen, was ich mit den Pferden gemacht hatte.

Gesehen habe ich Arthus und Hektors Besitzer aber nur selten und wenn es Fragen gab, wurden die über das Reittagebuch gestellt und beantwortet. Eines Tages stand da dann eine Nachricht für mich, ob ich vielleicht mit Arthus am vereinseigenen Turnier teilnehmen möchte und ich solle doch anrufen, wie ich mich entscheide. Während des Telefonats erfuhr ich dann, dass ihm zugetragen wurde, dass ich seine Pferde sehr liebevoll versorgen und ordentlich reiten würde und dass ich es mir doch „verdient“ hätte, das Turnier zu reiten.

So durfte ich dann 1978, mit 15 Jahren, meine erste A-Dressur nennen. Damals brauchte man noch kein Abzeichen und keine Leistungsklasse, um in der Klasse A starten zu dürfen, aber es gab in der Dressur noch den Gehorsamssprung. Den absolvierte Arthus ganz hervorragend, sodass mir einer der Richter später empfahl, das Lager zu wechseln und Springprüfungen zu reiten, denn mit in der Dressur brachten wir es weder zu Erfolgen und leider auch nicht zu höheren Weihen, obwohl ich dann sogar die Erlaubnis bekam, auch die Turniere auswärts mit zu reiten, an denen auch unser Stallchef teilnahm, denn mit dem durften wir dann im LKW mitfahren und im Austausch den TT für ihn geben.



Nach einer miserablen Turniersaison mit Arthus überwog dann immer mehr der Frust der Niederlagen, denn der hochbeinige und schmale Fuchs hatte – zumindest aus meiner Sicht - ein stattliches Stockmaß und war im Prinzip viel zu groß für mich. Dazu kam der tief angesetzte Steckenpferd-Hals, ein gehöriger Axthieb und eine sehr steile Hinterhand. Ihm fehlte aber nicht nur das Dressurpferdeexterieur, sondern auch das Interieur eines Turniersportlers. Am Anfang hoffte ich noch, er würde irgendwann an Routine und damit auch an Gelassenheit auf dem Turnierplatz gewinnen, aber statt dessen wurde er im Viereck immer „heißer“ und unkontrollierbarer.



Irgendwann nahm mich ein Dressurrichter, der sein Pferd auch bei uns im Stall stehen hatte zur Seite und meinte: „Mädel, mit dem Fuchs kann das nichts werden. Du übst und gibst Dir alle Mühe, aber die anderen Leute, die ihn reiten, lassen ihn nur durchs Gelände knattern und keiner von denen kann wirklich reiten!“

Tatsächlich hatte es, nachdem ich das Wochenende für Turniere nutzte, einen Tausch der Reittage gegeben. Das Ehepaar behielt den Dienstag, bekam statt des Samstags den Mittwoch, der Besitzer ritt nun Freitags. Dazwischen bemühte ich mich redlich, die Pferde und vor allem Arthus, bei dem ich ja den Ehrgeiz hatte, dass ich doch irgendwann mal eine Schleife vom Turnier mitbringen wollte, dressürlich zu reiten. Bei Hektor hatte ich sowieso längst alle Hoffnungen begraben und ritt ihn meistens ins Gelände oder ab und zu auf dem Springplatz.

Axel – so hieß der Turnierrichter – meinte, ich bräuchte unbedingt ein anderes Pferd. So sicher wie es war, dass ich mit Arthus nie erfolgreich Dressur würde reiten können, so sehr hing ich trotzdem an „meinem“ Fuchs. Aber Axel blieb hartnäckig und meinte, ob ich nicht das Pferd meines Freundes (und späteren 1. Ehemannes) an Turnieren vorstellen würde wollen. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits ein halbes Jahr mit Bernd zusammen und natürlich hatte ich seinen „Adlon“ ab und an geritten. Der schwere und eher kurzbeinige Hannoveraner vom alten Schlag war nun aber auch nicht unbedingt leichtrittig und außerdem ein „Familienpferd“, das Bernd im Springparcours einsetzte, seine Mutter und seine Schwester im Gelände ritten und sein Vater vor der Kutsche spannte. So wirklich sah ich nun keinen Vorteil für mich, das Pferd zu wechseln und quasi vom Regen in der Traufe zu landen. Schlussendlich wäre ja wieder nur ich dressürlich bemüht gewesen und bei der intensiven „Belegung“ des Pferdes hätte ich mit Adlon höchstens einmal pro Woche trainieren können, während mir Arthus wenigstens zweimal pro Woche und am Wochenende zur Verfügung stand ... und das war ja schon zu wenig, um das Gereit der anderen Reiter auszugleichen.

Von Adlon habe ich leider auch nur wenige Bilder – also darum eins mit Bernd im Sattel auf dem hauseigenen Turnier:



Ich war also wirklich ein bisschen an dem Punkt angekommen, an dem ich reiterlich stagnierte. Zwar bekam ich immer mal wieder das eine oder andere Verkaufspferd unseres Stallchefs zum Reiten (oder eher zum „Testen“), aber kaum fühlte ich mich im Sattel richtig wohl, musste ich mich schon wieder verabschieden, weil die Pferde ja möglichst schnell gewinnbringend den Besitzer wechseln sollten.

In dieser Phase meines Reiterlebens lernte ich Esther kennen. Sie war selbst bis S-Dressur geritten, hatte aber seit dem Tod ihres Pferdes keines mehr gekauft, sondern ritt vor allem das Dressurpferd einer Freundin mit und jedes Wochenende fuhr sie zum Unterricht zu Egon von Neindorff. Für sie war ich wohl die Tochter, die sie nie hatte und so wurde sie zu meiner Mentorin und als solche nahm sie mich fortan auch immer mit zum Reitunterricht nach Karlsruhe.

Für mich waren das reiterliche Offenbarungen, die ich dort erleben durfte. Aber wenn ich zuhause in Arthus Sattel stieg, folgte die Ernüchterung noch herber.

Little Lady – meine Micky Maus


Nach einem weiteren Jahr, in dem ich das Turniere reiten mit Arthus aufgab und ihn auch nur noch spazieren ritt, sprach mich Axel an, ob meine Eltern mir eventuell ein eigenes Pferd kaufen würden. Es gäbe da eine Stute bei dem Aufzüchter, bei dem er seinen Wallach gekauft hatte, die recht preisgünstig zu haben wäre, weil zu klein geblieben sei und außerdem ein paar hässliche Warzen hätte – die wäre das richtige Pferd für mich.





Meine Eltern hatten mir ja eigentlich zugesagt, mir den Führerschein zu bezahlen und ein kleines Auto, wenn ich nach der mittleren Reife weiter zur Schule gehen würde, um dann auf dem „2. Bildungsweg“ noch zur Fachhochschulreife zu gelangen und meine Idee war es, ihnen vorzuschlagen, dass sie mir statt des Führerscheins das Pferd bezahlen und statt des Autos die monatlichen Kosten für das Pferd übernehmen sollten, bis ich selbst Geld verdienen würde.

Meinen Führerschein habe ich dann eben erst mit 24 Jahren machen können, als ich ihn mir leisten konnte – aber mir machte es auch nie etwas aus, mit dem Fahrrad zur Schule und zum Stall zu fahren.

So kam es also, dass Axel, meine Freundin Manu und ich eines Freitags Abends mit der Erlaubnis meiner Eltern, das Pferd zu kaufen, nach Kirchzarten fuhren.

Die erste Fahrt führte uns allerdings nicht wirklich zum Ziel, denn Axels Peugeot hauchte in Höhe Freiburg auf der A5 sein Leben aus und während Axel zur Notsäule lief, um den ADAC-Abschleppdienst zu rufen, hielt neben uns Mädels ein Polizeiwagen, aus dem ein junger Polizeibeamter ausstieg, um uns zu fragen, ob wir Hilfe bräuchten. Wir informierten ihn, dass wir auf den Fahrer des Autos und den Abschleppdienst warten und er meinte, wir sollten besser im Auto warten, denn aus dem Tierpark Mundenhof sei ein Wolf ausgebrochen. Zuerst dachten wir, dass der junge Polizist und veralbern und uns nur einen Schreck einjagen will, aber dem war offenbar doch nicht so. Netterweise warteten die Polizisten dann aber mit uns auf Axel, damit uns nicht doch noch der „böse Wolf“ holt.

Dank des kurz darauf ebenfalls ankommenden ADAC-Pannendienstes wurde Axels Auto sogar wieder fahrtüchtig, aber es war so spät geworden, dass wir erst irgendwann nach 21 Uhr in Kirchzarten angekommen wären. Also lud und Axel nach Freiburg ins Kino ein – wir schauten uns den Zeichentrickfilm Cap und Capper an, der in dem Jahr – 1981 – in den Kinos angelaufen war und wir verbrauchten so viele Taschentücher, dass Axel uns nie mehr in Kino mitnehmen wollte. Aber zum Pferdekucken wollte er unbedingt noch mal mit uns los.

Eine Woche später machten wir uns also wieder auf den Weg zu Goldschmieds nach Kirchzarten, wo wir uns das kleine Stütchen anschauen wollten.

Diesmal kamen wir tatsächlich auch an und das braune, ziemlich winterbepelzte Stütchen stand auch bereits auf der Stallgasse angebunden. Eigentlich hätte ich vermutlich sehr aufgeregt sein müssen – schließlich waren wir als potentielle Pferdekäufer angereist und genau genommen hatte ich den Traum vom eigenen Pferd mindestens 16 Jahre lang geträumt, denn die Familienanalen behaupten, dass ich mir bereits mit zwei Jahren ein Pony vom Christkind gewünscht haben soll. Nun, da sich dieser Wunsch erfüllen sollte und ich ganz nah dran war, vermisste ich das glücklich beschwingte Kribbeln im Bauch. Irgendwie schien mir das Ganze noch immer nicht so realistisch, obwohl des Objekt meines Interesses nun vor mir stand und ich eigentlich hätte jubeln müssen. Ich weiß aber noch ganz genau, wie ich ein Pferdeleckerchen aus der Jackentasche zog und es dem Strubbelstütchen reichte. Die nahm es, lutschte kurz darauf herum ... und spuckte es mir vor die Füße! Das war der Moment, in dem sie in mein Herz galoppierte!

Nachdem das Pferd vorsichtig gesattelt und getrenst worden war, führte der Bereiter es an der Longe in die Halle und ließ es um sich herumlaufen. Der Schritt war sehr ordentlich und auch im Trab konnte das Pferdemädchen mich sofort überzeugen. Der Galopp war hingegen sehr stürmisch und ich staunte, mit welcher Kurvenlage die kleine Braune auf der Zirkellinie entlang düste.

Vor dem Handwechsel wurde noch einmal der Gurt vorsichtig nachgezogen und nach weiteren 10 Minuten an der Longe wurde ich dann aufs Pferd gebeten. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich die Anweisung erhielt, mich erst einmal über den Sattel zu legen und das Pferd am Bauch zu streicheln, bevor ich mein Bein vorsichtig über die Kruppe führen durfte. Aber ich dachte mir nicht viel dabei, denn die Stute war ja erst drei Jahre alt und vermutlich noch nicht so weit geritten.

In der Halle sammelte sich gerade eine Abteilung aus Haflingern und denen sollte ich mich nun anschließen und immer hinter dem letzten Blonden her reiten. Das klappte im Schritt wirklich gut, im Trab bekam ich aber schon ein ungutes Gefühl, denn das Pferdchen unter mir wurde immer schneller. Sehr besorgt, dass wir gleich auf der dicken Haflingerkruppe landen werden, versuchte ich das Stütchen an der Abteilung vorbei und auf eine Volte zu lenken. Ich hörte dann noch wie der Bereiter schrie: Nicht vorbeireiten! Hinter der Abteilung bleiben!“ und dann hörte ich noch, wie jemand polternd auf die Tribüne kam und den Bereiter anschnautze: „Günter, bischt Du denn wahnsinnig? Du kannscht des Mädle doch nit auf des Roß nahsetze – die isch doch no gar nit agridde!“

Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich hier gerade den Testpilot für eine rohe Stute gab und während diese Erkenntnis in mein Gehirn drang, preschte das Stütchen an der Abteilung vorbei, bremste dann vor der Bande, drehte auf der Hinterhand um und schickte mich damit in den Hallensand.

Axel schwor später, dass er nicht gewusst hatte, dass man die Stute am Nachmittag erst von der Jungpferdkoppel geholt hatte, wo sie nach der Fohlenauktion in Marbach die Aufzuchtsjahre verbracht hatte und Günter, der später dann bei uns als Reitlehrer arbeitete, amüsierte sich noch viele Jahre später über sein Husarenstückchen, mich mein Pferd selbst anreiten gelassen zu haben.

Vermutlich hätte mancher Kaufinteressent nach diesem Absturz das Interesse an diesem Pferd verloren, aber zu meinem eigenen Erstaunen stieg ich wieder in den Sattel zurück und blieb dann auch rund 20 Minuten brav hinter der Abteilung ... auch wenn wir den braven Hafi mehrmals als Bremsklotz benutzen mussten.

Axel hatte mir im Vorfeld erzählt, dass wir uns eine Trakehnerstute anschauen und als mir dann der rote Abstammungsschein vorgelegt wurde, sah ich zu meiner Enttäuschung die Württemberger Hirschstange darauf prangen. Da versöhnt mich auch erst mal nicht, dass beide Eltern des Pferdes die Elchschaufel trugen und die Stute damit natürlich trotzdem eine reine Trakehnerin war:

http://www.horsetelex.nl/horses/pedigree/1494969

Bevor wir uns verabschiedeten, fragte ich Herrn Goldschmied noch, wann er die Ankaufsuntersuchung durchführen lassen könnte und da waren dann doch wohl alle Anwesenden sehr erstaunt, dass ich das Pferd trotz des Sturzes und des falschen Brandes kaufen wollte.

Am nächsten Tag bekam ich dann auch den erlösenden Anruf, dass die Ankaufsuntersuchung ohne Befund verlaufen war – wobei mir Axel bereits bei der Heimfahrt sagte, dass ich mir bei dem Preis die Untersuchung auch hätte sparen können und dass ich beim Kauf dieses Pferdes ja nichts falsch machen könnte.

Später wurde mir mal von einem Trakehnerzüchter gesagt, dass alleine der schöne Kopf meiner Stute ihren Preis gerechtfertigt hätte.



Zuerst war der aber gar nicht so hübsch.

Nach wie vor hatte mein neues Pferd nämlich Stielwarzen – eine davon wuchs aus der Nüster und wann immer mein Stütchen ausatmete, winkte mir das Gewächs entgegen – und auch jede Menge krustiger Sarkoide im Gesicht und am Hals.

Die Stielwarze, die aus der Nüster wuchs, band der Tierarzt, der die Ankaufsuntersuchung vorgenommen hatte, noch bei dieser Gelegenheit mit einem Schafskastrationsgummi ab – die Sarkoide konnten wir erst ein Jahr später erfolgreich behandeln.

So – wenn Ihr wissen wollt wie es weitergeht mit Micky und mir und wer da sonst noch durch mein Leben galoppierte, bis es der Pferde dann so viele wurden, dass ich nicht mehr von jedem Einzelnen berichten werde können (respektive sowieso von manchen in „Sabines Pferdegeschichten“ berichtete) dann gebt Bescheid und dann schreibe ich gerne weiter.

Hier schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf unsere ersten Turniere:

Auf dem Foto im bunt geringelten T-Shirt seht Ihr meine Mentorin Esther, die mir auch weiterhin Untericht gab und mich zu Egon von Neindorff mitnahm)

... und bitte entschuldigt die schlechte Qualität der Fotos. Ich habe sie abfotografiert und teilweise kleben sie in Fotoalben oder hängen an der Wand hinter Glas und da spiegelte das Licht des Blitzes.

Ui wie spannend, sowas lese ich ja immer gerne.
Mach bitte weiter .

Dein braunes Stütchen hatte aber wirklich ein wunderschönes Köpfchen.
Was ist mit ihr weiter passiert?

Was für schöne Geschichten, Sabine.
Freu mich schon wenn du weiter schreibst!

Liebe Sabine,
bitte schreib weiter, ich lese Deine Erzählungen zu gerne. Außerdem ist es schön zu lesen, dass sogar Du mal ähnlich angefangen hast, wie so viele andere von uns.

Um den Unterricht bei Egon von Neindorff beneide ich Dich sehr. Ich hatte schon viel Glück, als ich mit 13 eines der Pferde unseres RL als Pflegepferd anvertraut bekam und mit ihm Unterricht nehmen durfte, aber Du hast ja quasi das Goldtöpfchen unterm Regenbogen gefunden.

P.S. Wann gibt es denn bei Deinen Pferdegeschichten was neues? Ich weiß ja, die liebe Zeit, aber jetzt hast Du uns halt angefüttert, ........

Was für eine umwerfende Idee!
Wer hat sie nicht noch alle in Erinnerung: die Ponies und Pferde seines Lebens!
Ich werde Deinen Text nachher in Ruhe geniessen und wenn ich die Zeit dazu habe, auch meine Lebenspferde+Geschichten
zusammensammeln!

Oh, da mach ich mit...

Zuerst mein Monsterpony, das nun schon seit 25 Jahren mein Wegbegleiter ist...
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Limbo - der kleine Allrounder...

Limbo ist ein 1987 geborener Isländer-Shettland-Wallach in kastanienbraun.
Meine Tante und mein Onkel haben sich 1988 einen alten Resthof gekauft, auf dem Pferdehaltung möglich ist. Meine Tante selber hatte immer eigene Pferde und immer wenn meine Mutter sie besuchte und ich mit meinen damals 4 Jahren mitgekommen bin, fand man mich später im Stall wieder. Schon damals wurde ich ständig aufs Pferd gesetzt und durfte an der Longe im Schritt meine Runden drehen. Nach 4 Jahre, die ich jede Woche ein oder mehrmals im Stall war, die Pferde der Einstaller trockenreiten durfte und mich bereits an Katjas (meine langjährige Freundin und Besitzerin "meiner" Jungs) Fersen geheftet hatte, hatte mein Opa Erbarmen mit mir und meiner 4 Jahre jüngeren Cousine und schenkte uns ein Pony. Das war Limbo.
Der Plan war, dass wir ihn reiten konnten und mein Opa ihn einfährt, damit er selber mal wieder mit der Kutsche los konnte. Geritten haben wir Limbo, aber aus dem Einfahren wurde leider nie etwas. Aber Limbo war mit uns auch so gut ausgelastet. Aber erst einmal weiter im Text…

Limbo hieß bevor er zu uns kam Rambo. Wir wunderten uns, dass dieses süße kleine Pony so einen bedeutungsschweren Namen hatte und nannten ihn kurzerhand um. Nur um von ihm bewiesen zu bekommen, warum er Rambo geheißen hat. Wenn Limbo der Meinung war, dass das Gras auf der anderen Koppel grüner war als das, was er gerade zur Verfügung hatte, drückte er so lange mit dem Kopf oder der Brust gegen die untere Latte des Weidezauns, bis diese nachgab, Limbo durchhuschen konnte und der Zaun repariert werden musste. Er konnte aber auch subtiler vorgehen. Er legte sich einfach dicht am Zaun nieder und robbte unter dem Zaun durch.

So manches Mal kam es vor, dass wir auf die Koppel gingen und vergeblich nach dem Pony suchten. Meistens fanden wir ihn dann im benachbarten Wald wieder, wo das frische Grün im Schatten der Bäume wohl besser schmeckte als das auf der Koppel.

Er blieb zum Glück immer nahe bei unseren Koppeln und hielt sich von der Straße fern. Zum Glück!

Als Limbo auf den Hof kam, war Mutabor (ein Araber, der mich ebenfalls viele, viele Jahre auf meinem Weg begleitet hatte, und Katja gehörte) bereits ein paar Jahre bei uns. Zuerst ignorierten sich die Beiden, doch relativ schnell freundeten sie sich an und waren fortan nicht mehr zu trennen. Wollte man den Einen von der Koppel holen, musste man schwer aufpassen, dass der Andere nicht mit durchs Tor flutschte. Brachte man den Einen dann wieder auf die Koppel, kam der Andere sofort angelaufen und die Wiedersehensfreude war groß… Es wurde gequiekt, fellchenkraueln gemacht um dann nebeneinander zum liebsten Fressplatz zu schlendern. Auf der Koppel Fotos machen ging nur, wenn man akzeptierte, dass der Zweite irgendwo auf dem Foto mit zu sehen war. Im Gelände ergänzten sie sich wie Pat und Patterchon. Der eine war aufgeregt, äugte nach jedem Blatt, das sich bewegte und der andere war völlig relaxt. Diese Rollenverteilung wechselten sie aber regelmäßig, so dass es mit den Beiden zusammen nie langweilig wurde…

Die Freundschaft zwischen den Beiden war groß und auch Jahre nachdem Katja mit Mutabor den Stall gewechselt hatte, erkannten sich die Beiden immer wieder. Auch wenn Monate oder sogar Jahre zwischen ihren Wiedersehen lagen.

Irgendwann meldete Katja uns alle zu einem Abhärtungswochenende an. Mutabor stand bereits auf dem Hänger und krähte nach seinem Freund. Wir wussten nicht, wie Limbo auf einen Pferdeanhänger reagiert und ob er überhaupt schon einmal verladen wurde, und so sollte nicht ich ihn herauf führen, sondern Astrid (eine weitere Einstellerin auf dem Hof meiner Tante). Limbo sah den Hänger, dass sein Freund bereits dort drauf stand und stieg, ohne großes Zutun von Astrid einfach ein. Cooles Pony.

Seine Coolness sollte sich auf dem Lehrgang weiter bestätigen. Es wurden dort diverse verschiedene Hindernis aufgebaut. Ein Cavaletti mit Luftballons behängt, Flattervorhang, Buschschneise, Rasensprenger, Trecker, ein ausgehobenes Loch mit Teichplane ausgelegt und mit Strauchwerk und Wasser gespickt und vieles mehr. Limbo kam, sah und siegte… Kein Hindernis machte ihm auch nur im Ansatz Probleme. Er sah sich die Sachen an, befand sie für ungefährlich und gut war es. Nach kurzer Zeit diente er bereits als Zieh-Pony für die aufgeregteren Teilnehmer. Und bei fast allen schaffte er es ein wenig Ruhe reinzubringen.

Bereits am ersten Nachmittag bekamen wir das erste Kaufangebot für ihn. Am Zweiten Tag das Nächste. Aber keine Chance, Limbo sollte bei uns eine Lebensstellung haben.

Nach diesem Abhärtungswochenende stand fest, mit dem Pony kann man auch auf öffentliche Veranstaltung. Das hieß für Limbo und mich, das wir üben, üben und nochmals üben mussten. Mittlerweile bekam ich auf Limbo von Katja regelmäßig Unterricht. Wir versuchten uns in der Dressur, mit Cavaletti-Hüpfen und allgemeine Trail-Aufgaben. Limbo war ein absoluter Allrounder. In den folgenden Jahren nahmen wir an massenhaft Reiterwettbewerben, E-Dressuren, Trails, Negerkussrennen, Ralleys, Kostümreiten etc. teil.

Sogar bei den Dschungelnächten in Hagenbecks-Tierpark machten wir mit.
Hier war Limbo allerdings reichlich aufgeregt. Wir sollten eine befreundete Araberzüchterin mit ihren Reiterinnen vertreten, da diese an dem Tag an einem anderen Turnier teilnehmen sollten. Wir traten also im Schaubild „Arabische Nächte“ auf. Mit dabei waren Katja und Mutabor sowie eine weitere Reiterin mit ihrem Araber-Hengst und Limbo und ich. Limbo tarnten wir ebenfalls mit einem arabischen Kostüm, aber es viel natürlich allen auf, dass sich unter dem Kostüm kein Araber versteckte. Dies baute Katja jedoch gut ins Schaubild mit ein.

Zuerst ritten wir Drei als Pas de trois in die Arena ein und machten als Fächer einige Runden gemeinsam, Limbo und ich sollten uns nach einigen Runden von den beiden Arabs lösen und einen Augenblick außer Sichtweite warten, bis wir wieder gerufen wurden.

5 Auftritte hatten wir an dem Tag. Und nur beim ersten Mal klappte das Rausreiten mit Limbo reibungslos. Als er jedoch merkte, dass er für einige Zeit seinen Kumpel Mutabor aus den Augen verlor, stellte er seinen Pony-Dickschädel ein. Er verweigerte sich beim Rausreiten, beim Warten zappelte er ohne Unterlass, bockte und stieg. Astrid und ich hatten alle Hände voll zu tun, den kleinen Pony-Mann hinter den, uns verdeckenden, Büschen zu halten.

Als die beiden Arabs ihr Pas de deux in jeder Vorstellung beendet hatten, erzählte Katja ein wenig über die Geschichte des Arabers und über das Gebet Mohammeds über das Arabische Pferd. Zum Schluss klärte sie die Zuschauer auf, dass Limbo natürlich kein Araber war, sondern ein Mischlings-Pony. Bei den Kindern war er unlängst Publikumsliebling und alle wollten ihn noch einmal in der Arena sehen. Katja erklärte, dass er noch einmal in die Arena käme, wenn ihn die Zuschauer rufen würden. Alle riefen seinen Namen und Limbo wurde immer hibbeliger. Zum Lied „Limboli Limbola“ schossen wir dann jedes Mal hinter den Büschen hervor und lieferten ein, zwei rasante Runden um die Arena um dann prompt in einer Ecke zum Stillstand zu kommen. Ich stieg ab und Katja läutete das Ponyreiten ein. Sobald Limbo seine pferdischen Kumpels nur sah war er wieder die Ruhe selber und das verlässliche Pony, das wir kannten. Die Kinder standen Schlange um auf ihm zu reiten. Und er machte diese Aufgabe sowas von artig.

Als wir abends wieder im heimischen Stall ankamen, waren Limbo und Mutabor völlig geschafft und sichtlich zufrieden wieder zu Hause zu sein. Stolz waren wir auf die Beiden wie Bolle…

Leider gibt es von diesem Auftritt keine Fotos, da alle Beteiligten alle Hände voll zu tun hatten. Aber vergessen werde ich den Tag nie.

Der Pony-Mann war jedoch nicht immer nur ein lieber Wegbegleiter. Es gab eine Zeit, in der er einfach keine Lust mehr auf uns Kinder hatte und die Arbeit auf dem Platz oder in der Halle verweigerte. Er stieg und bockte, sobald er nach der ersten Runde das Tor passierte und wir Kinder hatten unserer Mühe Not uns überhaupt auf seinem Rücken zu halten. Zu der Zeit ließ er sich auch nur noch mit Tricks auf der Koppel fangen und kniff vermehrt, wenn man ihm zu nahe kam.
Für uns Kinder wurde das zu gefährlich und so wurde Limbo von den Erwachsenen erst einmal unter deren Fittiche genommen und mit genauso viel Ideenreichtum, wie es auch der Pony-Mann an den Tag legte, wieder kindertauglich gemacht...

Danach war es wieder etwas einfacher mit ihm. Wir ritten ihn eine Zeitlang vermehrt aus, um ihm wieder mehr Abwechslung zur Platzarbeit zu bieten. Und mit der Zeit fand er wieder Gefallen am Arbeiten und uns Kindern.
Aber so ganz raus bekommen haben wir diese Unarten nicht, denn bei Zeiten machte er dennoch deutlich, wenn er genug von der Arbeit hatte. Aber damit konnten wir leben.

Auch manche kleinen Unfälle hatte ich mit ihm. Unzählige Male bin ich von ihm runtergesegelt, manchmal haben wir uns auch gemeinsam lang gemacht, aber wir hatten immer Glück.

Nur einmal hat er mich verletzt. Und dann auch noch an einer Körperstelle, die nicht so ganz alltäglich ist.

Es war Winter und Limbo trug nach getaner Arbeit seine Abschwitzdecke. Als ich ihm diese später wieder abnehmen wollte, fühlte er sich wohl von mir so sehr gestört, dass er zubiss. Direkt in meine Nase. Er ließ sofort wieder los und rein reflexmäßig haute ich ihm die Decke um die Ohren. Stören tat ihn das schon wieder gar nicht, da er sich bereits wieder seinem Heu gewidmet hatte.

Ein kontrollierender Griff an meiner Nase zeigte, dass ich ordentlich blutete. Meine Tante sah mich zwar etwas geschockt an, als ich blutend in die Küche lief, aber die Nase war noch dran und somit kam relativ schnell Ruhe ein.

Meine Mutter wurde angerufen und wir fuhren gemeinsam ins Krankenhaus. Es wurde geschaut, ob die Wunde genäht werden konnte, was jedoch nicht ging. Also ein Pflaster drauf und gut war es.

Heute merkt man noch beim Befühlen eine kleine, dreieckige Narbe auf meiner Nasenspitze, aber mehr ist von diesem Vorfall nicht übrig geblieben.

Mit den Jahren wuchs ich von Limbo runter und meine Cousine ritt ihn vermehrt. Ich beschränkte mich auf ruhigere Ausritte mit ihm und bekam nebenbei regelmäßig Unterricht auf Mutabor. Als Katja mit Mutabor den Stall wechselte, war ich noch einige Jahre immer zuerst bei Limbo und ging dann durch den Wald zum Hof, auf dem Mutabor nun stand. Als ich dann jedoch endgültig zu groß für Limbo war, und meine Cousine ihn immer mehr übernahm, widmete ich mich mehr Mutabor und den Pferden, die ich durch das Engagement von Katja reiten durfte.

Limbo ist mittlerweile deutlich über 29 Jahre alt, hat vielen Kindern das Reiten und einen festen Knieschluss beigebracht, war 20 Jahre lang King oft the Koppel und festes Familienmitglied.

Letzteres ist er immer noch und wird ganz sporadisch noch von meiner kleinen Cousine geritten. Über all die Jahre war Limbo ein sehr robustes Pony und hat nur in den seltensten Fällen den Tierarzt gesehen. Seit einigen Jahren neigt er zu Hufrehe und hat Cushing. Mittlerweile hat er auch keine Backenzähne mehr, aber ihm geht es soweit noch gut und ich versuche ihn regelmäßig bei meiner Tante zu besuchen.

Er ist nach wie vor genauso frech, wie 1992 als wir ihn bekamen und er hat immer noch Feuer in den Augen und den Schalk im Nacken.

Körperlich hat er altersbedingt etwas abgebaut, aber nur im normalen Rahmen.

Ich hoffe er ist noch viele, viele Jahre bei uns, denn er hat mir so viel gegeben, mir so viel beigebracht. Wir haben Unmengen an tollen Erlebnissen gehabt, Erfolge gefeiert und so manche Kriese miteinander überstanden.

Limbo ist über die größte Zeit meines bisherigen Lebens ein treuer Wegbegleiter und wird immer ein Teil meines Herzens sein. Ich bin ihm so unendlich dankbar für unsere gemeinsame Zeit!

Limbo 1994 (14).jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Mehr Bilder von Limbo und mir findet man hier:
http://sabrinas-fotowelt.jimdo.com/pferd...s-lebens/limbo/

Solche Geschichten sind wirklich spannend. Ich freue mich schon mehr davon zu lesen. Sabine, Deine Bilder kann ich leider nicht sehen. Die muss ich mir später zuhause anschauen.
Limbo ist ja ein süßer. Auch wenn er den Schalk im Nacken hat. Sehr hübsch.
Ich versuche die Tage mal ein bißchen was von meinem Pferd des Lebens zu schreiben.....

Auch ich habe Pferde die mein Leben begleitet haben, mit 6 wusste ich das ich unbedingt ein Pferd haben möchte, geritten bin ich bis dahin einmal auf einem Reiterhof auf einem Pony, was mir dann noch 5 extrarunden bescherte die wir nicht bezahlen mussten
Meine Eltern waren mit mir zu diesem Reiterhof gefahren und spendierten mir eine Runde Ponyreiten. Es gab dort eine Ovalbahn auf die ich mit dem Pony gebracht wurde dann durfte ich alleine dort meine Runde drehen, dem Pony war aber wohl nach Bewegung und so ging er statt im Schritt mit mir sehr schnell in den Rennmodus über und bescherte mir so die kostenlosen extrarunden.
Ich saß zwar führungslos aber glücklich oben und genoss die Galopprunden.
Danach waren wir nie wieder dort und auch sonst bot sich nur das Zuschauen bei den Therapeutischen Reitstunden meines Bruders und dort mal das streicheln des Therapiepferdes.

Dann im selben Jahr war eine Veranstaltung bei uns in der Nähe, was genau weiß ich gar nicht mehr, aber ich gehe davon aus das es ein Turnier war, das Einzige was mir wichtig war, das wir Lose kaufen, denn es sollte ein Fohlen verlost werden.
Da die Besitzer des Fohlens und meine Eltern sich kannten, durfte ich das Fohlen dort herumführen, ich war stolz wie bolle und in Gedanken stand es schon bei uns im Stall Leider hatten wir kein Glück, sondern die Gewinnzahl stand bei uns auf dem Kopf denn wenn man unser Los umdrehte hätten wir die 89 gehabt, leider hatten wir die 68 und somit ging das Fohlen nicht an uns.

Da bei uns in der Nähe auch kein Reiterhof war, musste ich noch länger warten bis wieder Pferde wieder greifbar wurden, familiäre Umstände (füher Tod meiner Mutter) ließen es finanziell auch nicht zu.

Als wir umzogen und ich auf eine neue Schule wechselte, lernte ich Petra kennen, Petra hatte in einem mit dem Fahrrad erreichbaren Reitstall Reitstunden, wir freundeten uns an und ich fuhr so oft ich konnte mit in den Reitstall um zumindest Pferdeluft zu schnuppern, Reitstunden waren aber immer noch nicht drin.
Petra übernahm dann von einem Pärchen ein Pflegepferd, welches noch näher bei mir stand, aber dafür allein im Stall war. Petra und ich kümmerten uns ich durfte dann im Gelände das erste mal reiten und es kam wie es kommen musste, die Stute hatte es sehr eilig nach Hause und ich war nur noch blinder Passagier und in einer Kurve verließ ich den Pferderücken was die Landung auf Schotter sehr schmerzhaft machte, aber Lotte und ich blieben dann fast ein Jahr zusammen, Petra hatte ob des alleinseins in dem Stall bald keine Lust mehr und so, obwohl ich nicht wirklich reiten konnte kümmerte ich mich um Lotte und ritt auch weiter mit ihr aus.
Wir hatten dann auch noch einen rasanten Ritt bei dem ich dachte das wars, denn Lotte war mal wieder auf der Welle das nur schnell nach Hause kommen ein wirkliches nach Hause kommen ist, nur leider kam der Zaun der Taucherbasis die an dem See ansässig war immer näher, ich glaube ich habe zu diesem Zeitpunkt einen wirklich erbärmliches Bild abgegeben, denn ich saß brüllend auf dem Pferd und versuchte es anzuhalten, zum Glück schaffte ich das dann doch noch oder eher denke ich überlegte sich Lotte das sie wohl doch kein Springpferd ist.
Aber wir kamen ansonsten ganz gut miteinander aus, und runtergefallen bin ich nur beim ersten mal und dann nie wieder.
Doch dann meinten die Besitzer eine bessere Reitbeteiligung gefunden zu haben und ich durfte nicht mehr zu Lotte.

Danach war lange wieder keine Möglichkeit, denn Petra ritt mittlerweile nicht mehr und so sollte es lange dauern bis ich mir die Reitstunden selbst finanzieren konnte und mit Reitstunden anfing.

Nachdem ich dort verschiedene Schulpferde ritt, kaufte der Verein Rina, eine 1,43m große Arabo/Haflingerstute, und obwohl ich nicht gerade klein bin, bot mir die Reitlehrerin Rina als Schulpferd an und wir wurden zum Team, ich durfte sie auch als Pflegepferd gegen Mithilfe im Stall dann 1 mal die Woche allein reiten und hatte mit ihr in den Reitstunden, wie in den Stunden in denen ich etwas mit ihr allein machen durfte, viel Spaß.
Wir hatten so ein großes Vertrauensverhältnis, das sie mir, wie Sabine immer schreibt, in Herz galoppierte.
Mit Rina durfte ich einen Umzug mitreiten und auch Dönekes machen, wir waren wirklich ein Team. in den Reitstunden war sie ja eigentlich für die Kinder angeschafft worden, leider erwies sie sich dort nicht unbedingt als Kinderpony, und buckelte wenn sie merkte wer oben sitzt fast jedes Kind runter.
Mit mir versuchte sie das auch mal und musste feststellen das ich mich da oben nur schlapplache und es als lustige Einlage zur Reitstunde nehmen, sie hat es mit mir nie wieder versucht, jedoch leider bei den Kindern und auch meist erfolgreich.
Also wurde beschlossen sie zu verkaufen, leider hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht das nötige Kleingeld für ein eigenes Pferd und so wurde sie verkauft und ich hoffe nur das sie einen lieben Menschen fand und glücklich sein durfte.

Danach ritt ich wieder verschiedene Schulpferde, und nebenbei hatte ich ein Pflegepferd, welches ich aber nicht ritt, wollte ich auch nicht, da ich nie was für Reiten auf ganz großen Pferden übrig hatte. Velvet war glaube ich 1,80m, ich konnte jedenfalls nicht über den Rücken gucken und wenn sie nicht wollte dann kam ich zum Auftrensen zum longieren auch nicht an den Kopf Aber meist war sie wirklich brav und wir kamen gut miteinander aus, bis die Besitzerin den Stall verließ.
Dann stellte ein Herr sein Pferd bei uns ein auch eine Lotte Schweres Warmblut 1,65m, sie wurde von ihm vor der Kutsche gefahren und stand eigentlich bei ihm in der Garage, ja sowas gab es damals.
Weil er sich jedoch das Bein gebrochen hatte und sie dort nicht versorgen konnte in der Zeit mit Gips, stellte er sie bei uns ein und ich wurde gefragt ob ich sie mitpflegen möchte, was ich gerne annahm. Nach den 6 Wochen in denen sie mich das bezahlen einer Trense kostete, da der Besitzer kein Equipment mitgebracht hatte, lieh mir der Reitverein welches, und auf einem Ausritt als wir versuchten sie über einen Wasserlauf, der eigentlich nur ein matschiges kleines Rinnsal war zu bekommen riss sie sich los, ich war abgestiegen und wollte sie führen, und trat in die Zügel und zerriss so die Trense, aber ansonsten kamen wir gut miteinander aus und ich zog dann auch mit um und behielt sie als Pflegepferd als der Besitzer sie wieder nach Hause holte.

Ich fuhr auch mal mit zum Kutschturnier und er versprach mir Lotte im Winter in den Reitstall zu stellen, da ich bei ihm nur ins Gelände konnte, dieses Versprechen hielt er nicht und auch selbst kümmerte er sich dann im Winter recht wenig sodass Lotte irgendwann ziemlich Pferffer im Hintern hatte.
Die 2. Reitbeteiligung hatte bereits das Handtuch geschmissen, da Lotte die Angewohnheit hatte, beim Aufsteigen los zu traben und sie dabei gestürzt war, ich habe es zum Glück immer rauf geschafft.
Nachdem ich jedoch Lotte dann wieder einmal kurz vor Weihnachten im Gelände ritt und sie mittlerweile so viel Energie aufgestaut hatte das sie mir durchging, normal war sie durch die Kutschfahrerei so relaxed das sie eine Lebensversicherung war, hatte der Besitzer sie aber vorher 4 Tage nicht bewegt, was er mir hinterher erzählte und sie somit die Energie dann bei mir raus ließ.
Nach diesem Ritt bin ich durch die Dezemberkälte nur knapp an einer Lungenentzündung vorbei, denn Sie ließ sich nicht von mir beeindrucken, sie fing mit Buckeln an, dies konnte ich jedoch im Keim ersticken, aber sie rannte und rannte, zum Glück war der Feldweg lang, kurz bevor wir ins Dorf abbiegen mussten um Nachhause zu kommen wurde sie langsamer und ich dachte mir "so nicht" also bog ich in die andere Richtung ab und sie musste noch ein ganzes Stück in gesittetem (es ging ja von zu Hause weg) Galopp weiterlaufen, bis ICH genug hatte.
Mir taten durch den eisigen Wind die Lungen weh und ich war froh als ich Lotte versorgt hatte und dann endlich zu Hause war, über Weihnachten lag ich dann mit 39°Fieber im Bett und machte mir Gedanken.
Ich teilte dem Besitzer dann mit das ich Lotte nicht mehr machen könnte, da es mir zu gefährlich sei, denn wenn sie mich dann im Gelände absetzt und etwas schlimmeres passiert dann liege ich da und wer weiß wann man mich findet. Denn Handy´s gab es da noch nicht.

So endete meine Pflegestelle wieder und ich hatte erst mal Pause.

Durch eine Bekannte aus dem Reitunterricht die mittlerweile in einem anderen Stall ein Pflegepferd hatte, kam ich zu meinem nächsten Pflegepferd, Cali.
Cali gehörte einer Frau die sich mit ihm Rücklings überschlagen hatte als er stieg und ihn selbst nicht mehr ritt, aber auch nicht abgeben wollte.
Auch mit Cali kam ich gut aus und wir hatten eine schöne Zeit, auch hier war wieder viel Gelände angesagt da wir nur eine 15x20m große Halle hatten in der Reiten nur im Notfall stattfand.
Auch mit Cali habe ich einiges erlebt, ein Ausritt ist mir noch sehr gut in Erinnerung, bescherte er mir doch eine Gehirnerschütterung.
Wir waren entgegen unserer sonstigen Gepflogenheiten in einer größeren Gruppe unterwegs, Cali sah als wir trabten überhaupt nicht ein warum er nicht an erster Stelle gehen soll. Und ich warum er nicht in der Gruppe laufen kann.
So machte er sich von mir frei, ich wusste hinterher nur noch das ich flog wie ein Vogel, mit ausgebreiteten Flügeln nur nicht so leicht und das ich mit dem Kopf zuerst den Boden berührte.
Dann hörte ich nur meine Freundin leise rufen "die ist tot, die ist tot" dann gingen langsam die Vorhänge (Augenlieder) wieder hoch und sobald ich wieder bei mir war sprang ich auf stellte mich, vor das bereits wieder eingefangene Pferd und brüllte ihn an, das er ja wohl spinne mich einfach so los zu werden.
Dann stieg ich wieder auf und wurde gefragt ob ich weiter mit reiten möchte oder lieber zum Stall zurück und ein Mitreiter bot sich an mich dahin zu begleiten, ich wollte mitreiten.....bis die Frage kam wollen wir wieder antraben, da wollte ich dann nach Hause und das war auch gut so.
Mein Mitreiter wollte mir das Pferd fertig machen, aber das ließ ich mir nicht nehmen und so brachte ich Cali selbst in die Box, zu Hause legte ich mich erst mal hin, da ich mittlerweile eine stattliche Beule an Stirn zum Haaransatz hatte und Kopfschmerzen.
Es dauerte seine Zeit bis ich aus der Halle wieder mit ihm ins Gelände ging, aber ich ging wieder.

Cali gab ich dann nach 4 Jahren auf weil ich umzog und der Weg einfach zu weit wurde und ich mittlerweile selbst meinen Traum mir erfüllt hatte, von einem Fohlen.

Merlin, Merlin durfte nur in meinem Besitz groß werden, was er in einer Fohlenaufzucht tat, als er soweit war das er in die Schule kommen sollte, war ich in Lebensumständen die ein eigenes Pferd mit all seinen Kosten nicht zuließ und so gingen dann 9 Jahre ins Land, bis Casper 2004 und Pina 2011 in mein Leben einzogen und zu diesem auch immer gehören werden.

Wow Arthus hat ja unendlich lange Beine Hammer.

DAS dachte ich auch bei dem Foto von ihm!

Hetzt mich nicht so – ich muss doch erst alles aufschreiben und bedenkt, dass diese Geschichten teilweise schon über dreißig Jahre zurückliegen – ich muss mich also erst mal wieder erinnern und den Gedankensalat sortieren, dass ich mich nicht in der Abfolge des Geschehens vergaloppiere.

Ich freue mich aber sehr über Eure Beiträge und warte gespannt, wer hier noch so seine Pferde seines Lebens vorstellt.

So - erstmal geht es hier aber mit meiner Micky weiter, damit Ihr erfahrt, was aus meiner schönen Trakehnerin mit der württemberger Hirschstange wurde:

Nachdem ich ja jetzt stolze Pferdebesitzerin war, durfte ich meinem Stütchen auch einen Namen geben, denn den hatte sie noch nicht. Treu nach den Trakehner Namensvergaberegeln (denn sie war ja nun mal eine reine Trakehnerin – da änderte auch die Württemberger Hirschstange nichts daran), suchte ich einen Namen mit L.

Den fanden wir, als wir mein Pferd im Reiterstübchen begossen, denn da lief das Lied von Status Quo „Little Lady“.

Den kannte aber eigentlich später keiner mehr, nachdem Axel bei unserer ersten Dressurprüfung durch den Lautsprecher bekannt gab: „Es reiten ein ... die Micky Mäuse!“

Fortan wurde mein Stütchen Micky gerufen.

Aber bevor ich nun von unseren Turnieren erzähle, komme ich auf unser erstes halbes Jahr zurück, denn meine Eltern fanden, dass es sinnvoller wäre, das Pferd noch ein halbes Jahr im Profiberitt auf dem Joxenhof http://www.bernhard-goldschmidt.de/ bei Goldschmidts zu lassen, anstatt das Jungpferd komplett selbst auszubilden.

Ganz glücklich war ich darüber nicht, denn damals hatte ich ja auch noch Samstags Schule und konnte darum nicht schon am Freitag nach Kirchzarten fahren, um mein Pferd wenigstens dreimal in der Woche selbst zu reiten.

Aber mein Papa holte mich dann jeweils Samstag von der Schule ab und fuhr mich zu meinem Pferd, damit ich das Wochenende dort verbringen konnte.

Aus der Zeit gibt es auch noch Fotos:





Micky hatte auch immer schon wieder große Fortschritte gemacht, wenn ich zum Reiten kam und mir tat der Unterricht mit meinem eigenen Pferd natürlich auch gut. Bernhard Goldschmidt ritt ja erfolgreich bis Grand Prix, wurde später sogar Landestrainer Baden Württemberg, und selbst wenn ich nicht im Sattel von Micky saß, lernte ich, wenn ich ihm beim Reiten zusah.

Trotzdem drängte ich dann darauf, mein Pferd Ende Februar schon nach Hause zu holen, denn zum einen glaubte ich, dass ich Micky durchaus alleine weiter ausbilden kann und zum anderen fand mein damaliger Freund und späterer 1. Ehemann Bernd es nicht so toll, dass ich jedes Wochenende in Kirchzarten verbrachte. Er kam zwar ein paar mal mit oder fuhr mich Samstag und Sonntag hin, damit ich wenigstens den Samstag Abend mit ihm verbrachte, aber ihm wäre es viel lieber gewesen, Micky wäre gleich in den RV Dreiländereck umgezogen.

Vor dem Heimtransport meines Pferdes stand aber noch das Transportproblem, denn sowohl Bernd als auch ich brauchten ja bislang nie einen Anhänger, um zum Turnier zu fahren, weil Heiner unsere Pferde ja immer mit dem LKW mitnahm.

Nun hätte uns Heiner natürlich auch den LKW geliehen, aber weder mein Vater noch Bernd hatten einen entsprechenden Führerschein. Als rettender Engel half uns dann der Reitlehrer Herr Schulz, denn er hatte ein „Wägeli“ – also einen Transporter in den zwei Pferde passten, aber auch nur zwei Leute. Weil Bernd fahren wollte und mein Vater fand, dass er mitfahren sollte, weil ich ja vermutlich keine große Hilfe wäre, wenn welche benötigt würde, blieb ich also zuhause – respektive wartete im Stall auf die Ankunft meines Pferdes.

Eigentlich waren rund zwei Stunden Rückfahrtzeit eingeplant worden, aber als die verstrichen waren und ich das „Wägeli“ immer noch nicht anrollen sah, wurde mir schon Angst und Bange. Irgendwann zu später Stunde keuchte das „Wägeli“ dann doch noch auf den Hof – es hatte unterwegs beschlossen, dass 30 Stundenkilometer als Höchstgeschwindigkeit durchaus ausreichend sind und so tuckerten mein Papa und Bernd mit Micky im Gepäck auf dem Standstreifen der A5 nach Hause.

Micky wurde dann am 3. März 1982 vier Jahre alt und ich beschloss, dass es nun Zeit wäre, sie auch an Turnieren vorzustellen. Die erste gemeinsame Prüfung ritten wir im heimischen Reitverein Dreiländereck. Ich meine, es war eine A-Dressur und wir waren nicht platziert, aber Micky hatte sich mustergültig benommen und lief artig durch. Gegen die routinierten Turnierpferde hatte sie aber noch keine Chance – damals gab es ja noch keine Dressurpferdeprüfungen für Jungpferde, sondern bestenfalls eine Materialprüfung, aber für die war Micky Exterieur nicht ausreichend und außerdem war sie mit ihren knappen 1,58 m auch zu klein, um da vorne mitzumischen.

Allerdings galt es in der A-Dressur auch den Gehorsamssprung nach der Prüfung zu absolvieren und in diesem Bereich zeichnete sich meine Micky Maus nun wirklich nicht als Talent aus. Sie sprang wie ein Hubschrauber: Abheben mit allen vier Füßen gleichzeitig, kurz schweben, um dann wieder mit allen vier Füßen gleichzeitig zu landen.

Heiner fand, daran müsse man dringend etwas ändern und trug mich im Herbst für die Springstunde ein.

Mit Arthus und Hektor war ich ja auch gerne gesprungen und sogar mit Adlon überwand ich hin und wieder ein paar Hindernisse. „Sogar mit Adlon“ muss ich schreiben, weil Bernds Pferd Adlon und ich nicht unbedingt miteinander harmonierten.

So hatte ich mich, (noch weit bevor ich Micky kaufte) als bei uns im Verein ein Reiterpass-Kurs ausgeschrieben wurde, natürlich auch in die Liste der Prüflinge eingetragen. Ich wollte damals Arthus reiten, aber Bernd, der ja selbst erfolgreich Vielseitigkeitsprüfungen geritten war meinte, ich solle das mal besser lassen, denn der würde für mich definitiv zu heiß im Gelände und die Chance durchzufallen, wäre damit relativ hoch. „Nimm Adlon! Der schenkt Dir die Prüfung!“ sprach er und lieh sich von seiner Tante den Vollblüter Copavil, um mich schon weit im Vorfeld der Prüfung zum Geländetraining zu begleiten, damit ich Routine für die bevorstehenden Herausforderungen sammle.

Eine Herausforderung wurde aber schon der erste Galopp, denn „das kleine dicke Julchen“, wie ich Bernds Pferd stets zu nennen pflegte, schoss mich schon beim Angaloppieren in die Brennnesseln und fetzte dann alleine weiter, gefolgt von Bernd auf Coco, der versuchte, seinen moppeligen Hannoveraner wieder einzufangen. Vielleicht hätte ich damals schon erkennen können, dass das kein Mann zum heiraten ist, nachdem er mich inmitten des Unkrauts sitzen ließ und statt sich um mich zu kümmern, erst mal die Verfolgung seines Pferdes aufnahm.

Zumindest war er so nett, als er mit Adlon am Zügel zurückkam, mir Coco anzubieten und das dicke Julchen selbst nach Hause zu reiten.

Als dann der Vorbereitungskurs begann, hatte es die Tage davor geregnet und die Wege und Äcker waren tief und matschig. Unser Berittführer setzte sich an die Tete und wir ritten in einer geordneten Abteilung einer hinter dem anderen her. Adlon war, weil er das Schlusslicht bilden sollte, schon beim Losreiten quengelig. Aber als wir dann auf den ersten Feldweg einbogen und der Berittführer „Teeee – rab“ rief, lag ich bei „–rab“ schon im Acker und Adlon trabte glücklich und froh darüber, seine Last aus dem Sattel losgeworden zu sein, über denselben.

Der Berittführer zürnte, denn die anderen Pferde ließen sich anstecken und begannen auch zu tänzeln und zu bocken, Adlon ließ sich nicht einfangen und der Flurschaden war nicht zu übersehen. Als man mir mein renitentes Pferd zurückbrachte, war ich so eingeschlammt, dass meine Stiefelsohlen auf den Steigbügeltritten abrutschten. So stieg also auch der Berittführer ab, um mir mit seinem Taschenmesser die Stiefelsohlen sauber zu kratzen, damit ich wieder aufsteigen konnte.

Den dritten Versuch, mit Adlon ins Gelände zu gehen, unternahm ich dann alleine. Allerdings kam ich nicht sonderlich weit, denn das dicke Julchen beschloss, dass er keine Lust auf frische Luft hat und wendete an der Straße auf der Hinterhand, um dann im gestreckten Galopp zum Stall zurück zu preschen. Entgegenkommenderweise verzichtete er diesmal zumindest aufs Buckeln, sodass ich wenigstens im Sattel blieb. Auf der Hofeinfahrt stand bereits Heiner, die Arme weit ausbreitend und „Hohooooo“ rufend, um Adlon auszubremsen. Als der Hannoveraner vor ihm hielt, grinste er und fragte mich, warum ich es denn so eilig hätte. Ich knurrte: „Hab meine Handschuhe vor der Box liegen lassen!“ und wollte mich an ihm vorbeischmuggeln. Aber Heiner meinte: „Willst Du Dir das mit Adlon nicht noch mal überlegen? Nimm doch den Coco von der Rosi – der ist schnell, aber der buckelt nicht!“

So kam es dann, dass ich Coco noch mal für die Prüfungsvorbereitung und am Reiterpass ritt. Ich bestand, dank des Rappen, der mich keinen Moment im Stich ließ und damit den Grundstein für meine große Liebe zu den Vollblütern legte. Nur dass „mit Springen“ durchgestrichen wurde, betrübte mich, aber das war dann bei allen so, weil der Boden so tief und matschig war, dass Herr Schulz anordnete, die Springerei zu lassen – dabei war ich überzeugt, dass Coco den Hüpfer problemlos überwunden hätte. Bernd meinte, ich solle froh sein, dass die Springerei abgesagt wurde, weil er nämlich genau wüsste, wie es sich anfühlt, wenn Coco einen Sprung verweigert und ich dann garantiert koppheister gegangen wäre (das Beweisfoto sehr ihr ja).

Trotzdem vertraute ich Coco und bei Adlon blieb das Misstrauen, weil man nie sicher sein konnte, wann er wieder beschloss, zum Rodeopferd zu mutieren.

Aber gesprungen habe ich ihn eigentlich gerne. Im Gegensatz zu Micky überwand er die Hindernisse zumindest nicht wie ein Hubschrauber. Aber trotzdem fühlte ich mich in Mickys Sattel wohler.

Tatsächlich bin ich von meiner württembergischen Trakehnerin bis auf den Abflug beim ersten Ritt auch nie mehr unfreiwillig abgestiegen – auch nicht beim Springen, obwohl wir beim Springunterricht schnell den Arbeitstitel „Kamikazepaar“ erhielten.

Im Grundsatz hätte ich durchaus damit leben können, dass meinem Pferd das Springtalent total fehlte, denn den Gehorsamssprung überwanden wir immer irgendwie – verweigern tat sie ja nie – und für das Gehopse gab es auch keine Wertnote. Nur drüber musste man kommen.

Aber ich wollte L-Dressuren starten, nachdem wir uns in A-Dressuren hier und da hatten platzieren können – und zwischen diesem Vorhaben und seiner Umsetzung stand das bronzene Reitabzeichen. Dazu musste ich irgendwie einen A-Parcours überwinden ... und das auch noch mit einer Stilnote von mindestens 5,0. Mit Micky wäre das nicht zu schaffen gewesen und Adlon begann zu der Zeit immer wieder zu lahmen und damit war definitiv nicht mehr daran zu denken, mit ihm einen Parcours zu springen.

Nun bekam ich zwar von den Miteinstallern jede Menge Angebote, ihre Springpferde für die Prüfung zu reiten und auch Heiner hätte mir ein Pferd zur Verfügung gestellt, aber meine Begeisterung diesbezüglich hielt sich in Grenzen, nachdem ich diverse Pferde probehalber gesprungen war. Das waren sicher gute Pferde, aber es war eben kein Selbstfahrer dabei, auf den ich mich hätte verlassen und als „Zylinderzicke“ problemlos hätte bedienen können.

Allerdings ritt ich zwischendurch den Selle Francais Wallach von einem befreundeten Miteinstaller, wenn der keine Zeit hatte oder im Urlaub war, weil mir das die Möglichkeit gab, mit Esther zusammen ins Gelände zu gehen. Sie ritt meine Micky Maus ja immer noch mit und ich bekam auch immer noch Unterricht von ihr, aber wir konnten ja schlecht zu zweit auf einem Pferd durch den Busch turnen (ihr erinnert Euch: Adlon hätte ich nicht mal gegen Geld ins Gelände geritten). So nahm ich das Angebot, Hades mitreiten zu können, auch gerne an.

Hades war ein Fuchs mit heller Mähne und überhaupt ein ausnehmend hübsches Pferd mit kleinem, edlen Köpfchen. Im Gelände war er kernig, aber trotzdem immer händelbar und nachdem ich ihn kannte und ihm vertraute, wäre ich auch gerne den Prüfungsparcours mit ihm gesprungen.

Das Einzige, was mich wunderte, war, dass es immer klickte, wenn Hades über einen Sprung segelte. Des Rätsels Lösung offenbarte sich mir, als wir beim Springunterricht auf Video aufgenommen wurden ... Hades kreuzte seine Vorderbeine über dem Sprung und dabei klickten die Eisen zusammen. Nachdem ich das gesehen hatte, wollte ich doch lieber auf die Hüpferei mit Hades verzichten, denn ich fürchtete, dass er seine Füße dann doch irgendwann mal nicht mehr zurücksortiert bekommt und wir dann auf dem Bauch landen würden.

Nun standen in diesem Stall rund 80 Pferde und doch gab es keins, mit dem ich hätte springen wollen. Konnte ich also das Reitabzeichen abhaken?

Mein rettender Engel war aber mal wieder Herr Schulz.

Candy – der schwarze Blitz

Er hatte gerade Candy, eine Oldenburger Rappstute mit holsteinischen Wurzeln für den Schulbetrieb gekauft und meinte, dass er sie mir gerne für die Prüfung zur Verfügung stellen würde und nachdem ich sie einmal im Parcours getestet hatte, stand für mich fest: Die reite ich nicht nur – die kaufe ich sogar!

Inzwischen zeigte der Kalender ja das Jahr 1986. Ich war 23 Jahre alt, hatte einen ordentlichen Job bei der Zeitung und einen Heiratsantrag von Bernd in der Tasche, wohnte kostenlos mit meinem Verlobten im Dachgeschoß seines Elternhauses, fuhr Bernds Auto, der es selbst so gut wie nie brauchte und die Kosten für Micky waren meine einzigen finanziellen Verpflichtungen. Kostentechnisch wäre also ein zweites Pferd durchaus zu halten möglich gewesen.

Herr Schulz war zwar nicht abgeneigt, mir die Stute zu verkaufen, aber er meinte, ich soll sie doch erst mal im Abzeichenkurs reiten und mich dann entscheiden, denn dressurmäßig war sie ja kein Überflieger. Das war mir natürlich klar und ich hatte ja auch nicht vor, mich von meiner Micky zu trennen, aber irgendwie trug ich eben den Stempel des Viereckakrobaten und kaum jemand konnte verstehen, dass ich mir ein Springpferd kaufen wollte.

Aber Candy war meine Lebensversicherung und ich bin sicher, wäre es dazu gekommen, dass ich sie gekauft hätte, wäre ich wohl irgendwann ins Lager der Springreiter gewechselt, denn mit ihr konnte ich den Moment des Absprungs kaum erwarten, liebte das Kitzeln im Bauch, wenn wir übers Hindernis segelten und musste mich nicht vor einem Rumpler ins Kreuz fürchten, wenn sie landete.

Mit Candy sprang ich alles, was man uns vor die Nase/ Nüstern stellte. 1,40 m Höhe auf drei Galoppsprünge? Candy ließ sich aufnehmen. Eins, zwei, drei Galoppsprünge und hopp – drüber!

Das einzige Problem, das wir nicht bedacht hatten, als wir einen Tag vor der Prüfung mit den Pferden losfuhren (die Abzeichenprüfung fand in einem anderen Verein statt) war, dass der Parcours draußen aufgebaut worden war, während die Dressur in der Halle geprüft werden sollte, in der bei C eine riesige schwarze Pfütze glänzte (es hatte wohl reingeregnet).

Bislang hatte ich Candy nur in der Halle geritten und als ich an diesem windigen Apriltag mit ihr in den Parcours einritt, den wir probehalber einmal durchspringen durften, verwandelte sich meine „Lebensversicherung“ in einen Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. Ich versuchte sie ruhig anzugaloppieren, aber sie stürmte los wie ein geölter Blitz,raste im Renntempo auf den ersten Sprung zu und fegte drüber und auf den nächsten zu, ohne die Geschwindigkeit auch nur annähernd zu drosseln. Die Lehrgangsleiterin Heidi Wetzel wurde schon ganz blass um die Nase und rief mir zu, ich soll das Pferd doch zwischen den Sprüngen mal versuchen aufzunehmen. Aber was hatte die gut reden! Candy reagierte auf keine Hilfe und so verlegte ich mich weiter auf die Taktik, sie einfach nicht bei ihrer rasanten Fahrt durch den Parcours zu stören. Als wir hinter dem letzten Hindernis landeten, ließ sie sich tatsächlich durchparieren und noch nach Atem ringend, wischte ich mir die Tränen vom Fahrtwind aus den Augen. Als ich wieder klar sah, traf mein Blick die kopfschüttelnde Heidi, die sagte: „So geht das nicht! Du bekommst ein Pferd von mir!“

Nun hielt ich große Stücke auf sie – als Trainerin, Reiterin bis S und Ausbilderin junger Pferde – aber in diesem Fall mochte ich ihr Urteil nicht annehmen und hörte mich keck sagen: „Na dann baut halt mal die Hindernisse drei Loch höher, dann wird sich mein Pferd auch konzentrieren!“ Heidi glaubte vermutlich, ich wäre dem Geschwindigkeitsrausch erlegen und wäre entsprechend dem auch nicht ganz zurechnungsfähig, aber als ich abermals bat, die Stangen höher zu legen, folgte sie meinem Wunsch. Aber ich hörte, wie sie dabei murmelte: „Wenn das mal gut geht“.

Ich weiß nicht, woher ich wusste, dass Candy mehr Höhe braucht, um „rund“ zu springen und ich hatte sicher auch einen gehörigen Schreck bekommen, weil Candy, kaum dass ihr die frische Frühlingsluft um die Nüstern wehte, so unkontrollierbar wurde, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Aber ich vertraute ihr trotzdem.

Als ich den ersten Sprung zum zweiten Mal anritt, spürte ich Candys gleichmäßigen Rhythmus wieder und so absolvierten wir eine ordentliche Runde, bei der Heidi immer noch den Kopf schüttelte ... aber diesmal nicht über mein verrücktes Pferd, sondern über mich, die ich mit Jucheissassa über die Hindernisse sprang ... die Zeit, mein Herz vorauszuwerfen, hätte ich aber gar nicht gehabt.

Am Prüfungstag – der übrigens mit dem Springen begann – war Candy ziemlich aufgedreht und Herr Schulz, der extra gekommen war, um die Daumen für mich zu drücken, meinte, ich soll lieber absteigen und seinen Sohn die Stute für mich abreiten lassen, weil ich sie mit meiner Nervosität ganz wuschig machen würde. Ich durfte dann tatsächlich erst wieder in Candys Sattel klettern, als der Reiter vor mir schon im Parcours war. Einen Sprung gestattete mir der Reitlehrer, dann wurde ich hinaus in die Prüfung geschickt.

Es war nach wie vor windig und regnerisch und ich merkte, wie Candy sich spannte, als wir einritten – unser Gruß an die Richter gelang eher „fliegend“, denn ich trabte quasi grüßend vor dem Richterhäuschen im Kreis herum, bis die Richter es aufgaben, daran zu glauben, dass die Reiterin noch zum ordentlichen Halten kommt und die Startglocke endlich klingelten.

Candy galoppierte zügig, aber kontrollierbar auf den ersten Sprung zu, unter den irgendein Schelm nun zwei Strohballen gestellt hatte ... als Taxierhilfe. Candy sah das, geriet für einen Sekundenbruchteil aus dem Rhythmus, kam zu nah an den Sprung und schraubte sich quasi darüber. Ich verlor bei dem Rumpler einen Bügel, den ich mir vor Sprung zwei wieder zu angeln versuchte, aber das vermaledeite Ding war immer da, wo ich es nicht suchte und darum ließ ich dann eben den zweiten Bügel auch noch los und ritt ohne weiter. Nun fühlte sich Candy aber durch die schlagenden Bügel irritiert und legte gleich mal einen Zahn zu, sodass die Hindernisse in so schneller Reihenfolge auf mich zukamen, dass ich nicht mehr zum Einsitzen zwischen den Sprüngen kam ... ich drückte darum die Knie an die Pauschen und ritt den Parcours durchweg im leichten Sitz.

Nach dem letzten Hindernis kamen wir doch noch vor den Richtern zum Stehen und die schauten mich mit bewölkter Stirn an und einer fragte mich: „Mädel, wenn Du das hier bestehst, willst Du dann Dressur oder Springen reiten?“ Nachdem meine Vorstellung ja nun nicht die Beste war, dachte ich, dass ich besser so tue, als wäre ich nur fürs Abzeichen gesprungen und antwortete: „Dressurprüfungen möchte ich gerne reiten!“ Prompt kam die Antwort: „Ein Glück – bei dem Stil würdest Du vermutlich nicht alt!“ und der Richter fügte noch hinzu: „Konntest Du Dein Pferd nicht einmal aufnehmen und einsitzen zwischen den Sprüngen?“ „Nein, sie war zu schnell, dann wäre ich schlimmstenfalls über den Sprüngen im Sattel kleben geblieben und ich dachte, das wäre noch schlimmer.“ Mein Geständnis schien die hohen Herren fast schon zu rühren, denn sie lächelten und der bislang schweigsame Richter meinte: „Naja – das hatte ein bisschen was von Nelson Pessoa. Nicht immer schön, aber verdammt schnell!“

Wenn ich bis dahin gedacht hatte, dass die Dressur für Micky und mich eine unserer leichtesten Übungen wird, überraschte mich meine württembergerische Trakehnerin erstmalig damit, dass ihr die Elchschaufel vors Gehirn fiel ... und das, obwohl sie ja gar keine hatte!

Micky weigerte sich nämlich standhaft an dieser schwarz-glänzenden Pfütze bei C vorbei zu gehen und wand sich wie ein Aal, um das „gruselige Loch“ nicht passieren zu müssen und ich konnte ihr das nicht mal verübeln, denn wäre ich ein Pferd gewesen, hätte ich wohl auch angenommen, dass da entweder gleich was rauskommt oder die Chance groß ist, darin zu versinken und nie mehr aufzutauchen, weil es einen verschlingt (entweder das Loch oder was daraus empor kommt).

Am Ende war die Springnote sogar höher, als die in der Dressur ... geschafft haben wir drei das Abzeichen aber trotzdem.

Ich kehrte also nicht nur als Träger des Bronzenen Reitabzeichens nach Hause, sondern überdies mit dem festen Vorsatz, Herrn Schulz Candy abzukaufen (hoffend, dass keiner der beiden Richter mich später im Parcours erkennen würden, sollten sie uns mal beurteilen müssen).

Der Preis, den ich hätte bezahlen müssen, war sehr fair und so bestellte ich den Tierarzt für die Ankaufuntersuchung ... das Ergebnis war vernichtend. Sie lahmte deutlich nach der Beugeprobe und in der Klinik bestätigten die Röntgenbilder einen deutlichen Hufrollenbefund, bei dem der Klinikveterinär den Kopf schüttelte und meinte, dass man dieses Pferd nicht mehr springen sollte und dass er sich überhaupt wundert, dass sie noch nie lahmte.

Ich gebe zu, dass ich trotzdem mit mir kämpfte, sie doch zu kaufen, aber als Bernd ganz klar sein Veto einlegte, eine tickende Zeitbombe zu kaufen, nachdem er mit Adlon schon einen Dauerpatienten hatte, sagte ich Herrn Schulz ab. Candy lief noch eine Zeitlang im Schulbetrieb ... irgendwann war ihre Box dann aber leer. Gefragt habe ich nicht.

Leider mussten wir uns dann auch bald nach meiner Abzeichenprüfung von Adlon verabschieden. So sehr dieses Pferd mich geärgert hatte ... als Bernd ihn auflud, um ihn auf den letzten Weg zu bringen, weinte ich bittere Tränen um ihn.

Wettkönig – der Wolf im Schafspelz

Nachdem nun auch Adlons Box leer war, begann die Suche nach einem Nachfolger. Die alleine würde ein Buch füllen, denn natürlich musste auch ich die jeweiligen Kandidaten zur Probe reiten und ich erinnere mich nur zu gut an einen, der mich so genial abbockte, dass ich tatsächlich neben seiner Schulter auf die Füße fiel und aufstand. Heiner meinte: „Wenn Du Dich jetzt noch verbeugst, führst Du die Nummer an der Weihnachtsfeier vor!“

Nachdem Heiner aber unzählige Kandidaten in den Stall geholt hatte, ohne dass das passende Pferd dabei war, fuhren wir zu dem Verkäufer, von dem Bernd und seine Familie einst Adlon gekauft hatten – und da stand er „Admiral“! Ein herrlicher Trakehner, dem spontan mein Herz zuflog!

Er war wunderbar rittig, gab mir überm Sprung fast das Gefühl, auf Candy zu sitzen und im Gelände war er aufmerksam, aber immer zu kontrollieren.

Admiral durfte also einziehen. Das Glück mit ihm war aber ein sehr, sehr kurzes, denn die Ankaufsuntersuchung verlief ganz ähnlich, wie die bei Candy. Admiral wurde wieder abgeholt und die Box war wieder leer ... nur kam sie mir diesmal noch leerer vor, weil Admiral mir ganz schrecklich fehlte, obwohl ich ja nach wie vor auch meine Micky Maus hatte.

Kurz darauf zogen Bernd und Familie wieder los – ich mochte nicht mit. Die Geschichte mit Admiral saß mir einfach noch zu tief drin, als dass ich nun frohen Mutes hätte ein neues Pferd aussuchen können. Statt mir fuhr Esther als „Dressurtauglichkeitstester“ mit.

Als sie zurückkamen, waren sie alle völlig aus dem Häuschen: Sie hatten ein Pferd gefunden! Sogar aus der Zucht von Werner Schockemöhle! Ein Westfale allerdings, dessen Vater Wettstreit wiederum ein Wedekind-Ferdinand-Nachkomme war und der den Hannoveraner Brand trug. Bernds Vater war ein großer Hannoveraner-Fan und dass wenigstens der Erzeuger des auserwählten Pferdes das H mit den Pferdeköpfen auf dem Schenkel trug, versöhnte ihn mit dem Westfalenbrand, der den „Wettkönig“ zierte.

Nun war ich ja schon immer ein Pedigreefetischist und als ich einen Blick in die Kopie des Papiers warf, schwante mir schon Fürchterliches ... und ich sollte auch noch Recht behalten.

Wettkönig war, als er dann einzog, erst mal nur groß. Dazu war er hager und sein Kopf wirkte irgendwie nicht passend zum Rest des Pferdes. Esther meinte, ich müsse ihn erst mal geritten haben, dann würde er mich auch begeistern – ich war mir da nicht so sicher, denn auch wenn Wetti mit meiner Schwiegermutter und meiner Schwägerin brav durchs Gelände turnte und Bernd beim Springen nicht enttäuschte, traute ich dem Burschen nicht. Mein Schwiegerpapa beschloss aber, dass ich mit Wetti fortan Dressurprüfungen reiten sollte, während er ihn vor sie Kutsche spannen wollte.



Ich ritt also Dressur. Inzwischen hatten wir einen neuen Reitlehrer, Willi Waga. Bei dem hatte ich Unterricht und all meinen Misstrauen zum Trotz, lief Wetti brav und motiviert, aber irgendwie stand etwas zwischen uns. Es war eine Art Mauer, hinter der Wettis wahres Wesen lauerte – ich wusste, warum ich eigentlich gar nicht dahinter hatte schauen wollen.

In den ersten Wochen gab es auch keine Probleme mit dem stattlichen Braunen, aber als er so langsam mehr Muskeln, Kraft und einen runden Popo bekam, wurde er immer renitenter. Erst mal wurde ihm der Hafer gestrichen, wodurch er dann zumindest im Gelände von meiner Schwiegermutter und meiner Schwägerin wieder gefahrlos geritten werden konnte. Ohne dass er quietschend Kapriolen sprang oder gar im fliegenden Galopp durchging. Aber sowohl bei mir, als auch bei Bernd fing er an, die Mitarbeit zu verweigern, wenn ihm das Mützlein eher nach Faulenzen, statt nach Arbeiten stand (und die Momente, in denen er das Arbeiten dem Faulenzen vorzog, waren sehr, sehr selten) – und damit saß ich das erste Mal auf einem notorischen Steiger.

Bernd mit seinen 1,98 m Länge störte das nicht weiter – der hakte seine langen Beine unter Wettis Bauch zusammen und saß die Steigerei einfach aus, sodass Wetti schnell die Lust an dem Spiel verging.

Aber mich testete er immer wieder, sobald ich ein bisschen mehr von ihm verlangte. Unser – oder sein – Glück war es ja, dass er einen ausgesprochen gut ausgeprägten Gleichgewichtssinn hatte und obwohl er wirklich kerzengerade stieg (und das teilweise aus dem Schritt und ohne ersichtlichen Grund), kippte er dabei nie hinten über. Trotzdem musste man stets damit rechnen, dass Wetti sich auf die Hinterfüße erhob, wenn er keine Lust mehr aufs Lektionen zelebrieren hatte.

Im Gelände lief er zufrieden – aber natürlich auch nur so lange, wie man ihn am halblangen Zügel laufen ließ und ihm die Freiheit nicht allzu sehr einschränkte. Für meine Schwiegermami und meine Schwägerin war das auch kein Problem. Beide sahen den Sinn in der Reiterei nicht darin, sich im Sattel anzustrengen, sondern darin, Spaß zu haben. Beide ritten darum im eigentlichen Sinn auch nicht gut oder gar schön (während man mir ja vorwarf, dass ich gerne mal im Sattel in Schönheit starb, weil ich mir so viel Mühe gab, ordentlich zu sitzen, dass ich das Treiben vergaß), aber sie waren erstaunlich sattelfest. Gerade für meine Schwiegermutti war das auch sehr wichtig, denn sie war auf einem Auge bereits erblindet und ein Sturz hätte zur vollkommenen Erblindung führen können. Es war also durchaus wichtig, dass Wetti den Weg zum braven Reitpferd einschlug und auf keinen Fall sein Steigen aufs Gelände auszuweiten versuchte, denn damit wäre die Gefahr für meine Schwiegermutti und meine Schwägerin zu groß geworden, ihn weiter zu reiten.

So sehr ich Wetti auch im Nachhinein noch ein höheres Maß an Sensibilität abspreche, so sehr durfte ich immer wieder staunen, dass er auf die schwachen Reiter tatsächlich Rücksicht zu nehmen schien – oder er sah keinen Grund zur Renitenz, weil sie ihn nicht forderten.

Nachdem er aber auch beim Einfahren nicht so kooperativ war, wurde mir aufgetragen, Wetti jeweils vor dem Fahrtraining abzureiten, um so zu gewährleisten, dass er nicht samt der Kutsche von der Fahne ging und den armen Sammy, der neben ihm eingespannt worden war, nicht einfach mit durch die Kiesgrube zog, in der trainiert wurde oder die Kutsche zu Kleinholz verarbeitete. Ich kam also öfter in den Genuss, Wetti zu reiten, als mir das eigentlich lieb gewesen wäre.

Um mich mit dem Riesenross nicht ständig auf Konfrontationskurs zu bewegen, verlegte ich das Reiten mit ihm auch eher ins Gelände, denn solange man seine Kooperationsbereitschaft nicht allzu sehr strapazierte, war er ein echtes Verlasspferd: Wetti erschrak nie, scheute nicht vor Autos, Treckern, Baumaschinen; ließ sich allein und in der Gruppe reiten und immer wunderbar kontrollieren. Wir hätten zumindest in diesem reiterlichen Bereich wirklich Freunde werden können, wenn mein Schwiegervater nicht den Ehrgeiz gehabt hätte, dass Wetti Schleifen im Dressurviereck sammeln sollte.

Ich hätte mich im Grundsatz darum auch geweigert, ihn im Viereck vorzustellen, aber im Sommer 1987, kurz nach unserer Hochzeit, - bei der übrigens Wetti, von Willi Waga im roten Jacket geritten und Micky, mit Esther im Sattel hinter der Kutsche liefen – begann Micky hinten zu lahmen.



Zuerst war es kaum zu merken, denn sie lief sich relativ schnell ein, aber an dressurmäßiges Reiten war trotzdem nicht mehr zu denken, nachdem wir den Rücken nicht mehr zum Schwingen bringen konnten und sie immer steifer lief. Der Tierarzt war ratlos und schickte uns nach Bern, in die Uniklinik zu Szintigaphie. Dort wurden Kissing Spines im fortgeschrittenen Stadium festgestellt – Mickys Rückenwirbel waren zu einem Teil schon zu einer knöchernen Platte zusammengewachsen.

Man machte mir zwar Hoffnung, dass es ein neues Medikament gäbe, für das noch Testpferde gesucht würden (womit zumindest meine Kosten sich um die Behandlung reduzierte), aber riet mir auch, mit meinem Pferd nur noch ins Gelände zu gehen und keinesfalls mehr Auszusitzen, sondern nur noch vorwärts abwärts im Leichttraben oder beim Galopp im leichten Sitz zu reiten, damit sich die Rückenmuskulatur nicht zurückbildet und Micky nicht den Rücken wegdrückt.

Auf meine Frage, ob ich die Stute nicht auf die Weide stellen und ein Fohlen mit ihr züchten könnte, schüttelten die Tiermediziner den Kopf. Das Gewicht des Fohlens wäre für das Pferd schon zuviel war ein Argument und außerdem wüsste man nicht, ob sich das nicht vererbt. Überdies wäre ein Weideleben für die Stute vollkommen kontraproduktiv, denn dann würde sie die haltende Rückenmuskulatur neben der Wirbelsäule verlieren.

Von da an bekam Micky mehrmals wöchentlich Spritzen, die von der Klinik an meinem Tierarzt geschickt wurden und die er meinem Pferd verabreichte. An diese kostenlose Behandlung war nur die Vorgabe gebunden, dass wir alle acht Wochen nach Bern kommen müssten, um bei weiteren Szintigraphien zu prüfen, ob sich eine Verbesserung zeigen würde.

Das ist mein Micky Mäuschen im Frühjahr, bevor sie zu lahmen begann - zusammen mit unserer Rauhaardackelin Trixi:



Ich war also eigentlich froh, nun Wetti für meine Dressurbemühungen zu haben und ritt Micky nur noch ins Gelände. Esther ritt sie auch trotzdem weiter und turnte mit ihr durch den Wald ... bis sich dabei eines Abends ein schlimmer Unfall ereignete.

Noch immer war es Sommer und weil es so trocken und heiß war, wurden die Felder mit großen Wassersprengern bewässert. Die meisten Pferden hassten das in kurzen Intervallen hörbare Zischgeräusch, das die Wasserwerfer verursachten, aber solange sie sehen konnten, wer es verursachte, regten sie sich zwar auf, aber blieben kontrollierbar (Wetti bildete hier allerdings ebenfalls die Ausnahme, denn den interessierten auch die zischenden Wasserfontänen nicht – es hat manchmal auch Vorteile, wenn einem Pferd die Sensibilität vollkommen abgeht).

An eben jenem unseligen Freitagabend ritt Esther aber kurz vor Einbruch der Dämmerung an einem Feld vorbei, bei dem die Sprenkler noch kein Wasser auf die trockene Erde spuckten. Statt dessen gurgelte das Wasser in den Leitungen und als Esther mit Micky schon fast am den Feld vorbei waren, schossen die ersten Wasserfontänen aus den Sprenklern. Micky erschreckte sich so sehr, dass sie zur Seite sprang, aber dort war der Boden des Waldrandes mit Unterholz überwuchert, in dem Micky mit einem Fuß hängen blieb. Micky war nie ein Pferd, das zur Panik neigte, aber der plötzlich loszischende Wasserwerfer und das Gefühl, nicht mehr weglaufen zu können, verängstigte sie so sehr, dass sie sich vollkommen kopflos zu befreien versuchte und als ihr das gelang, durch den Wald flüchtete, bis da ein umgefallener Baum ihren Weg blockierte. Micky sprang – und weil sie dazu nun wirklich nie das nötige Talent hatte, verschätzte sie sich im Absprung, blieb mit den Vorderfüßen am Baumstamm hängen und überschlug sich mit ihrer Reiterin. Esther fiel dabei unters Pferd und landete überdies mit dem Rücken auf einem weiteren Baumstamm – sie brach sich zwei Wirbel und blieb bewegungslos liegen, während Micky panisch Richtung Stall davon galoppierte.

Inzwischen war es aber dunkel geworden und als Micky in die Stalleinfahrt einbiegen wollte, kam ihr ein Auto entgegen. Geblendet von den Scheinwerfern wechselte Micky die Richtung und rannte die Böschung hoch auf die A5!

Als der Autofahrer sah, dass Micky auf die Autobahn lief, kam er sofort ins Reiterstübchen und schrie: „Da rennt ein Pferd auf die Autobahn!“

Ich saß mit Reiterfreunden am Stammtisch und wusste sofort, dass es mein Pferd ist, das da gerade über die A5 brettert und fragte, ob eine Reiterin drauf saß. Als der Mann den Kopf schüttelte, wurde ein Suchtrupp losgeschickt, um Esther zu finden und der andere mit zwei Autos und Pferdeanhänger, um mein Pferd einzufangen. Mich setzte man mit einem Cognac auf einen Stuhl, während um mich herum die Polizei angerufen und der Rettungswagen verständigt wurde und die Suchtrupps sich auf den Weg machten, denn ich befand mich in einem Schockzustand, gelähmt und unfähig etwas zu sagen oder zu tun.

Esther wurde relativ schnell gefunden, abgeholt und mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren – sie war aber nach wie vor bewusstlos und nicht ansprechbar.

Micky galoppierte mit 60 Stundenkilometern auf dem Mittelstreifen der A5, während sie rechts und links von Autos überholt wurde, bis Heiner im einen und Alex im anderen Auto den Verkehr ausbremsten, neben Micky fuhren (darum wussten sie auch, wie schnell sie galoppiert war) und unser Stallbursche, auf dem Fensterrahmen des Autos sitzend, nach Mickys fliegenden Zügeln angelte. Er schaffte es dann tatsächlich, sie zu ergreifen und nachdem beide Autofahrer das Tempo langsam drosselten, sodass Micky nur noch trabte und schließlich Schritt ging, lenkten sie sie vorsichtig auf die Standspur, wo sie dann alle hielten.

Damals gab es ja noch keine Handys und so wartete der Helfertrupp mit meinem Pferd, bis die Polizei kam, um Entwarnung zu geben. Dann luden sie Micky auf. Bei meiner Erzählung hatte ich vergessen zu erwähnen, dass Micky stets eine eigene Meinung zum Anhängerfahren hatte und sich nie ohne irgendwelche Hilfsmittel wie Longen und Besen aufladen ließ. Einmal musste sie Bernd sogar in den Anhänger reiten, weil wir sonst vermutlich nie mehr vom Turnierplatz nach Hause gekommen wären. Aber in dieser Nacht muss sie förmlich über die Rampe in den Anhänger galoppiert sein.

Ein weiterer Streifenwagen war zum Stall geschickt worden und so wurde uns Wartenden dann auch von einem der Polizisten gesagt, dass ihm soeben über Funk mitgeteilt wurde, dass das Pferd eingefangen werden konnte und die Helfer bereits mit ihm auf dem Weg nach Hause seien. Dann schaute der Polizist mich an, die ich verheult auf meinem Stuhl saß und sagte: „Mädel, Du brauchst nicht mehr weinen – Dein Pferd ist auf dem Weg nach Hause!“ Ich schaute ihn an und fragte: „Steht es auf allen vier Beinen oder nur auf dreien?“ Er antwortete: „Das weiß ich nicht“ und ich sagte: „Dann gibt es auch noch keinen Grund, nicht mehr zu weinen!“

Wenn die Zeilen sich nun so lesen, als sei mir nur das Befinden meines Pferdes wichtig und mir Esthers Schicksal nun völlig egal gewesen, dann muss ich das revidieren, denn natürlich machte ich mir Sorgen um Esther, aber der Gedanke, dass ich vielleicht gleich meine Micky Maus einschläfern lassen muss, stand in dem Moment wie eine Wand vor mir und ließ keinen anderen Gedanken zu.

Irgendjemand hatte auch schon den Tierarzt verständigt und der kam fast zeitgleich mit meinem Pferd auf den Hof gefahren.

Ich durfte nun zwar von meinem Stuhl aufstehen und mit nach draußen gehen, aber irgendjemand nahm mich zur Seite und meinte, ich soll warten, was der Tierarzt sagt, bevor ich zu meinem Pferd gehe – keiner sprach es aus, aber alle dachten, dass Micky dieses Abenteuer garantiert nicht unbeschadet überstanden hat und die Wahrscheinlichkeit, dass der Tierarzt sie nun doch erlösen würde müssen, war hoch ... da wollte man mich nicht dabei haben. Vorsorglich flößte man mir sogar noch einen zweiten Cognac ein. Vermutlich dachten sie, dass wenn sie genügend Promille in mich hineinschütten, ich in einen Zustand komatöser Trunkenheit versänke, in dem mir das Geschehen um mich herum weitgehend egal werden würde.

Ich hörte dann aber doch das Klappern von Mickys Hufen auf der Rampe und ihr erfreutes Wiehern, als sie merkte, dass man sie nach Hause gefahren hatte. Ich hatte den Takt ihres Auffussens aber gezählt – es war keine Unreinheit im Gleichmaß zu hören gewesen - und so sagte ich fest: „Ich muss zu meinem Pferd!“ und keiner versuchte mehr, mich daran zu hindern.

Während ich am Hals meines Pferdes hängend, Tränen der Erleichterung in ihr Fell weinte, schüttelte der Tierarzt fassungslos den Kopf und sagte: „Sie hat keinen Kratzer und nicht mal ein dickes oder warmes Bein! Aber ich komme morgen noch mal vorbei – 16 Kilometer bei 60 Stundenkilometer werden nicht unbeschadet an ihr vorüber gegangen sein.“

Ich führte mein Pferd an ihren zerrissenen Zügeln in den Stall und als ich ihr die Beine in der Waschbox abspritzte, merkte ich, dass eine der Hampa-Gamaschen fehlte – ansonsten war aber tatsächlich alles heil geblieben!

Der Tierarzt konnte es auch am nächsten Tag nicht fassen, dass Micky nicht lahmte und ihre Beine klar und ohne Schwellung waren.

So froh ich war, dass es Micky gut ging und sie den Unfall ohne Blessuren überstanden hatte, so schlimm trag mich die Nachricht, dass Esther sich zwei Rückenwirbel gebrochen hatte und es erst mal nicht sicher war, ob sie je wieder würde laufen können. Dann aber kam der erlösende Anruf von Esthers Mann, dass Esthers Rückenmuskulatur durch das Reiten wohl so fest war, dass sie den Bruch zusammenhielt und der sich nicht verschoben hatte – Esther musste zwar im Gipsbett ausharren und war lange im Paraplegiker-Zentrum Basel untergebracht, bis sie wieder als ganz gesund entlassen werden konnte, aber sie kehrte danach auch rasch wieder in den Sattel zurück.

Nun hatte diese Geschichte zwar einen guten Ausgang gefunden, aber im Dezember des Jahres 1987 – Micky war neun Jahre alt – verschlechterte sich ihr Gangbild ganz rapide. Als ich sie zum Weihnachtsritt mitnahm, hatte ich teilweise das Gefühl, dass das Hinterteil ein Eigenleben führt und sich nicht mehr mit dem Vorderteil zu koordinieren vermag.

Nach den Weihnachtfeiertagen fuhr ich mit ihr nach Bern und als man mir dort sagte, die Situation hätte sich eher verschlechtert, als verbessert, wich alle Hoffnung von mir.

Ich sprach mit meinem Tierarzt, der meinte, dass wenn es sein Pferd wäre, er die Behandlung schon rein aus wissenschaftlichen Gründen fortführen würde. Meine Eltern, die mich auch finanziell immer mal wieder unterstützten, weil Bernd längst der Meinung war, dass man in das Pferd kein Geld mehr stecken sollte, rieten mir hingegen, Micky erlösen zu lassen ... ihr Argument, dass ich für ein krankes Pferd mehr Kosten habe, als für ein Gesundes, aber dass ich das kranke Pferd nicht so nutzen könnte, wie ein Gesundes, war durchaus zu verstehen, aber ich konnte mich nicht entscheiden, sie gehen zu lassen ... bis ich sie dann auf die Weide stellte und sie nicht wie sonst lostrabte, sondern stehen blieb und sich nicht bewegen wollte. Ihren hilflosen Blick dabei werde ich nie vergessen.

Am 6. Januar 1988 galoppierte meine wunderbare Micky Maus mit nicht einmal 10 Jahren über die Regenbogenbrücke.

Bevor sie ging, hatte Bernd es arrangiert, dass ich mir einen dreijährigen Trakehnerwallach anschaue – er war überzeugt, dass es nicht gut sein würde, wenn jeden Tag an der leeren Box vorbeigehen würde oder gar akzeptieren müsste, dass sie an ein anderes Pferd vergeben würde, wenn Micky nicht mehr da wäre und er ahnte, dass ich erst mal in ein tiefes Loch fallen würde. Um dem vorzubeugen, sollte ich ein neues Ziel haben.

Wir fuhren also kurz nach dem Neujahrstag nach Heiligenhaus zum Trakehnerzüchter Eckard Grün, wo ich Flash fand. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Tränen über einem Kaufvertrag vergossen, wie über diesem, denn ich wusste, dass wenn mein schwarzbrauner Halbblüter bei mir einzieht, es keine Micky mehr geben wird, obwohl sie am Tag vom Kauf meines Trakehners noch lebte ... ich kam mir wie ein Verräter vor und bat den Züchter dann auch, dass er Flash bis Anfang März behält, damit ich wenigstens ein bisschen Abstand gewinne, bevor ich mein Herz neu verschenke.

Flash, der eigentlich Rheinglanz hieß, als ich ihn kaufte (aber ich fand es weder gut, mein Pferd Rheini zu rufen, noch wollte ich es Glänzi nennen und darum taufte ich ihn kurzerhand in Royal Flash um, denn wer den Royal Flash beim Poker hat, gewinnt bekanntlich), blieb also noch zwei Monate im Rheinland und ich ritt mit Wetti gegen meinen Abschiedsschmerz an – gegen Pferdeleid hilft nur das Reiten.

Aber auch als Flash dann einzog, war er ja noch nicht angeritten. Man hatte mich zwar kurz auf seinem Rücken Platz nehmen lassen und mich im Schritt durch die Halle geführt, als ich ihn mir ansah – zumindest wurde ich diesmal vorher darüber informiert, dass das Pferd noch nicht angeritten ist und nicht erst, wenn ich zu Boden gegangen wäre. Flash kannte Sattel, Trense, Longe und das Reitergewicht, aber mehr nicht. Ich war darüber aber eigentlich froh – trotzdem hatte ich aber erst mal kein Pferd für Turniere ... außer ... Wetti.

Flash und Wetti, kurz nach Flashs Einzug:



Ich nannte also die ersten A- und L-Dressuren und wir gaben unser Viereckdebüt im Mai 1988 am vereinseigenen Himmelfahrtsturnier. Ich hätte vielleicht wissen müssen, dass schon der Tag bezeichnend war, denn Wetti bescherte mir eine „Dressage de Blamage“ wie ich sie seit der Zeit mit Arthus nicht mehr erlebt hatte.

In der A-Dressur lieferte er mir gleich nach dem Grüßen und Anreiten einen Kampf, der darin gipfelte, dass er senkrecht mit mir stieg. Als ich schon mein Leben wie einen Film an meinem geistigen Auge vorüberziehen sah, hörte ich Axels Stimme aus dem Richterhäuschen, der mir zurief: „Gib die Zügel nach und hau dem Drecksack mal kräftig eine auf den Arsch!“ Das tat ich dann auch und tatsächlich kam Wetti so wieder auf die Vorderfüße zurück – allerdings schoss er, als die Hufe den Sand berührten, wie ein geölter Blitz mit mir los, sprang über die Einzäunung des Vierecks und über den dahinter liegenden Weidezaun auf den Abreiteplatz, wo sich meine Mitreiter in Sicherheit brachten und nach unzähligen Runden im gestreckten Galopp, beruhigte er sich und ließ sich durchparieren.

Um mich herum standen die Zuschauer mit offenem Mund und irgendwo zwischen den Leuten kam Axel hervor und auf mich zu. „Ist alles o.k. mit Dir? fragte er zuerst und als ich nickte, sagte er: „Dann komm zurück aufs Viereck – Du darfst die Aufgabe zu Ende reiten. Ohne Wertnote selbstverständlich, aber der darf damit nicht durchkommen, sonst springt der in Zukunft immer aus der Prüfung und läutet so den Feierabend ein!“

Ich ritt also zurück und absolvierte die Aufgabe mit Wetti und als er wieder anfangen wollte, renitent zu werden, rief Axel: „Hau drauf! Sofort! Bevor er in die Luft geht!“ Ich tat, was er verlangte und erwartete schon, dass Wetti mit mir gleich wieder aus dem Viereck hüpft, aber er nahm die Strafe hin, als wüsste er dass er sie verdient hatte. Er ist danach nie mehr mit mir gestiegen.

Ich ritt mit ihm dann auch noch die Trensen L und die Kandaren L und auch wenn wir knapp aus der Platzierung waren, feierte ich diesen kleinen Erfolg, als hätten wir die Prüfungen gewonnen, denn Wetti war ohne ein Anzeichen von Widersetzlichkeit durch die Aufgabe gelaufen und für seine Verhältnisse hatte er sich sogar Mühe gegeben – das war mehr, als ich vor den Prüfungen erwartet hatte.







Natürlich machte ich mir trotzdem auch noch viele Gedanken, denn der gewonnene Kampf gegen Wetti blieb ein Pyrrhussieg – ich gehörte nie zu den Reitern, die ihre Gerte zum Strafen einsetzen und ich wollte da auch nicht dazu gehören. Schlussendlich hatte ich Wettis Widersetzlichkeit aber nur mit den Gertenhieben unterbinden können. War das richtig gewesen? Oder hätte es nicht noch einen besseren, weil gewaltfreien Weg gegeben, ihn vom Steigen zu kurieren? Hatte er es sich nicht irgendwann angewöhnt, weil er sich wehren musste und sich demzufolge eben zu wehren lernte? Hatte ich ihn nicht schlussendlich bestätigt, dass den Menschen eben nicht zu trauen ist?

Ich weiß noch heute keine Antwort, aber mein trauriges Fazit war damals wie heute, dass Wetti von diesem Tag an, an dem ich sein Steigen mit der Gerte strafte, Respekt vor mir hatte und mich nicht mehr testete.

Eigentlich kann ich mich bewusst auch nur an ganz wenige Situationen erinnern, in denen ich die Gerte als Mittel zur Bestrafung meiner Pferde einsetzte – eine davon brachte mir dann sogar einen Extrateller Suppe ...

Trakehner, Trakehner ...

Ich glaube, ich war ungefähr 13 Jahre alt, als ich das erste Mal mit meinen Freundinnen Manu und Ela in die Reiterferien fahren durfte. Als Ziel unserer Reise hatten wir uns das Trakehnergestüt Klein Hohenrade von Dr. Wendt und seiner Familie in Monsheim ausgesucht und so fuhren wir nach den Weihnachtsfeiertagen für eine Woche zu den Trakehnern.

Wendts hatten ja den Grundstein zu einer eigenen Stutenlinie, der Danila, O91A gelegt und die Pferdenamen begannen alle mit D. So gab es beispielsweise eine Deime, eine Düne, einen Donner und eine Déesse, aber unter den Schulpferden war auch der dunkle Moriot und der hellbraune Attila, der als typisches Schulpferd seinen Job eher minimalistisch erledigte.

Nachdem ich gleich in der ersten Reitstunde mit Deime einen rasanten Galopp zu überstehen hatte und Nachmittags dann von Düne schepperte, die auch irgendwie die Schneeluft stach, gab man mir am zweiten Tag den gemütlichen Attila. Nicht dass ich nicht auch irgendwie erleichtert war, nicht noch mal einen so heißen Ofen durch die Halle steuern zu müssen, aber Attila war eben das genaue Gegenteil zu den Trakehnerdamen: Er schlich mit mir den Hufschlag entlang und war nicht zu motivieren, auch nur einen Schritt zuzulegen.

Ich kämpfte, ich trieb, ich quetschte mit meinen Waden den Pferdebauch, bis ich nicht mehr konnte, aber Attila zockelte unbeeindruckt weiter. Dann wurde Frau Wendt ans Telefon gerufen und wir waren für einen Moment alleine in der Halle. Eben diesen unbeobachteten Moment nutzte ich, um Attila herzhaft mit der Gerte eine auf seinen dicken Hintern zu zwicken. Dabei geschah Erstaunliches, denn Attila wurde plötzlich hellwach und ließ die Beine fliegen. Als Frau Wendt in die Halle zurückkam, staunte sie nicht schlecht über das muntere Pferd, aber zum Glück verpetzte mich keiner meiner Mitreiterinnen, denn bei Wendts galt es als verpönt, ein Pferd zu schlagen.

Als wir dann alle um den großen Tisch herum beim Mittagessen saßen und unsere Suppe ausgelöffelt hatten, stand die Oma von ihrem Stuhl auf, griff zum Suppenschöpfer und zu meinem Teller und sprach: „Die Sabine ist den Attila heute so toll geritten – damit hat sie sich einen Extraschöpfer Suppe verdient, denn den kann sie jetzt sicher auch gut gebrauchen!“

Dass nur meine Gerte das Wunder vollbrachte, erfuhren die Leute vermutlich nie.

Trotzdem wurde damals der Grundstein zu meiner Liebe zu den Elchschauflern und tatsächlich auch zu den Arabern gelegt, denn Zweitere lernte ich ebenfalls in einem Reiturlauf in Monsheim kennen. Nicht bei Wendts, aber bei einem benachbarten Arabergestüt, bei dem ich eher zufällig landete – und das kam so: Ich wurde nach meinem Achtungserfolg mit Attila wieder Deime und Düne für mich satteln, aber die Trakehnerstuten waren nach wie vor durch den neuerlichen Schneefall ziemlich aufgekratzt. Da reichte es Düne dann auch, dass irgendwer an dem kurzen Weg vom Stall zur Reithalle einen Schneemann gebaut hatte, der die Pferdedame sehr irritierte. Düne schaute, Düne scheute und dann gab Düne Gas. Nicht Richtung Reithalle, sondern Richtung freie Natur! Arg weit sind wir nicht galoppiert, aber weit genug, dass ich nicht mehr wusste, wie ich zurück zum Gestüt finde, denn Düne hatte keinesfalls vor, den Heimweg einzuschlagen, sondern lief zielstrebig auf eine Weide zu, auf der Araberpferde im Schnee standen. Die wieherten dann auch aufgeregt und kündigten damit unsere Ankunft auch dem Pferdezüchter an, der aus dem Haus kam und meinte: „Na, ist die Düne mal wieder eigene Wege gegangen?“. Netterweise begleitete er mich dann auch wieder zum Wendtschen Gestüt zurück, aber ich bekam dazu auch noch die Einladung, mit dem ganzen Kurs seine Araber kennen zu lernen. Fortan mussten sich die Trakehner mein Herz mit den Wüstenrennern teilen ... und natürlich mit den Spaniern, denn zur ungefähr gleichen Zeit meines Lebens zog ja der falbfarbige PRE-Hengst El Rey bei uns im Reitstall ein und verzauberte mich schon beim ersten Mal, bei dem ich in seinem Sattel Platz nehmen durfte.

Das Trakehnergestüt Klein Hohenrade gibt es heute nicht mehr und es werden auch keine Araber mehr in Monsheim gezüchtet. Auch dem spanischen Falben El Rey war nur ein viel zu kurzes Leben beschieden und obwohl mich mein Weg später noch einmal zu Dömkens und ihren Arabern führte und ich – infiziert von der Arabitis und vom PRE-Virus - gerne einen Araber oder ein spanisches Pferd mein Eigen genannt hätte, begleiteten mich von 1981 bis 1997 nur Pferde mit Trakehner Abstammung.

Wobei ich ja nun eigentlich Wetti wieder ausschließe, denn er war zwar genau genommen das Pferd von Bernd und seiner Familie, aber nach meiner Heimat gehörte ja auch ich zum „Bühler-Clan“ und damit gehörte mir ja auch irgendwie ein Fünftel vom Wettkönig.

Allerdings ritt ich ihn weit mehr als nur ein Fünftel der Woche. Vor allem nach Micky Tod und in der Zeit, als Flash noch ein ungehobelter Jungspund war, genoss ich die Zeit mit Wetti sogar und nannte auch hin und wieder mal eine Dressurprüfung mit ihm. Der große Erfolg war uns allerdings nicht beschieden, denn auch wenn Wetti sich das Steigen abgewöhnt hatte, blieb er im Viereck ein sehr unsicherer Kandidat, dem es durchaus immer mal wieder einfiel, dass er seiner Abstammung nach ein Spring- und kein Dressurpferd werden sollte. So sprang er denn auch gerne mal aus dem Viereck, wenn ihm das Pfeffergestosse zu dumm wurde – den Trick hat er sich auch nicht mehr abgewöhnen können und ihn ständig mit der Gerte daran zu erinnern, dass er das zu lassen hat, war auch nicht mein Ansinnen.

Also ritt ich ihn dann irgendwann auch nur noch im Gelände – vor allem, als mein Schwiegerpapa irgendwann einsah, dass aus Wetti auch nie ein zuverlässiges Kutschpferd werden wird und Bernd als Bundeswehrsoldat auf Lebenszeit so oft im Ausland stationiert war, dass er das Reiten schlussendlich aufgab. Patricia, seine Schwester und meine Schwägerin fand auch rasch andere Hobbys und Wichtigeres, als Wetti bewegen zu müssen und so blieben meine Schwiegermutti und ich die Einzigen, die ihn noch ritten – wobei meine Schwiegermutter auch nur Mittwoch morgens mit ihrer langjährigen Freundin durchs Gelände turnte und als Flash dann im Gelände reitbar wurde, begleitete sie mich mit Wetti Samstags in den Wald.

So gab es dann auch keinen Grund mehr für mich, von Wetti Lektionen zu verlangen, die er sowieso nur höchst ungern ausführte, denn selbst wenn ich ihn einigermaßen auf einem soliden L-Niveau reiten konnte, war es nicht unbedingt ermunternd, ein demotiviertes Pferd durchs Viereck zu scheuchen, das doch viel lieber in der freien Natur unterwegs war. Insofern trafen wir das Arrangement, dass ich mit Wetti keine Hufschlagfiguren mehr zelebrierte und er ließ mich im Gegenzug dafür die Zeit in seinem Sattel unbeschwert genießen.

Flash - mein Buschpferd

Damit begann dann auch die Zeit, in der ich mich mehr oder minder nur noch auf die Ausbildung mit Flash hätte konzentrieren können. Nur hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn mein Halbblüter war ein Durchgänger.

Zuerst dachte ich noch, dass das Gerenne und Durchstarten bei jeder Gelégenheit seiner Unerfahrenheit und Jugend geschuldet ist und hoffte, dass sich mit der Routine und zunehmender Ausbildung das Problem von ganz alleine lösen würde. Aber seine Durchgeherei wurde eher schlimmer statt besser und leider war er auch nicht der Geschickteste auf seinen Füssen. Es kam darum auch vor, dass er in einer besonders eng genommenen Kurve von der Fliehkraft übermannt und von den Hufen gerissen wurde.

Nachdem das mehrfach passiert war, stieg ich nur noch mit großem Unwohlsein in seinen Sattel – mit dem Effekt, dass er noch leichter erregbar wurde und sich auch noch das Haken schlagen angewöhnte, sodass ich dann tatsächlich jeden Quadratzentimeter der Bande „geküsst“ hatte, als die ersten drei Monate um waren. Als Flash dann auch noch beim Durchgehen so nah an ein anderes Pferd kam, dass dessen Steigbügel gegen mein Knie schlug und mich aus dem Sattel hebelte, verletzte ich mich dabei erheblich, musste ich mich krankschreiben lassen und damit war es erstmal auch nichts mit Reiten.

Was aber sollte ich in meiner „Hinkezeit“ mit Flash machen?

Irgendwer meinte dann, ich könnte ihn doch noch mal den Sommer durch bis zum Herbst auf eine Weide stellen und vielleicht danach noch mal von vorne anfangen. Die Idee fand ich so gut, dass ich umgehend eine passende Unterkunft für ihn suchte und ihn dann auf eine bergige Weide im Schwarzwald brachte, wo er von Anfang Juli bis Ende August mit einer Gruppe Haflinger zusammen lebte.





Als der Sommer sich dem Ende neigte, holte ich mein Pferd nach Hause und war so überzeugt, dass er nun einen Sinneswandel hinter sich gebracht hatte, dass ich ihn für Ende September in einer Materialprüfung genannt hatte.

Zum Entsetzen aller Stallkollegen mied ich aber nun die Halle mit Flash erst mal komplett, um unbelastet vom Erlebten ganz neu anzufangen. Ich wollte mit ihm ins Gelände und mein Plan war es, meine Schwägerin zu motivieren, mich mit Wetti zu begleiten, damit dessen Gelassenheit quasi auf mein „Rennpferd“ abfärbt. So musste Patricia dann – ob sie wollte oder nicht – fast täglich mit mir ausreiten und an den Tagen, an denen sie mich nicht begleiten konnte, longierte ich mein Pferd auf dem Außenplatz oder gönnte ihm ein paar Stunden auf der Weide.

Hier seht ihr meine Schwägerin zu Pferd - allerdings nicht auf Wetti, sondern auf Bacchus, dem Pferd von "Pippus", einem Freund, das wir immer nutzen durften, wenn wir mal zu Dritt ins Gelände wollten und das ich auch vertretungsweise mitritt, wenn "Pippus" im Urlaub war (auf dem Foto sitze ich auch noch auf meinem Micky Mäuschen):



Die Idee funktionierte auch tatsächlich! Flash lief im Gelände vollkommen entspannt und wenn ihn etwas hätte verunsichern können, war ja Wetti neben ihm, der beruhigend auf ihn wirkte und ihn ausbremste.

Nach drei Wochen ritt ich mein Pferd dann zum ersten Mal überhaupt auf dem Reitplatz, denn im Angesicht der bevorstehenden Prüfung (die zum Glück noch draußen statt fand), musste ich ja zumindest ein bisschen das Reiten im Viereck mit Flash geübt haben.



Soweit waren wir dann auch bestens auf unseren ersten Turnierstart vorbereitet ... das Einzige, was wir nicht geübt hatten, war die Siegerehrung, denn dass wir gleich als Zweitplatzierte aus der Materialprüfung kommen würden – damit hatte ich so gar nicht gerechnet.

Die Siegerehrung wurde auf dem Springplatz abgehalten und als die Musik ertönte und wir aufgefordert wurden, Rechts brecht ab zur Ehrenrunde anzugaloppieren, mahnten meinen Halbblüter wohl seine Vollblutahnen, jetzt noch mal alles zu geben. Wir zogen also am Sieger vorbei und während der Sprecher noch scherzte, dass mein Pferd wohl nicht mit dem Richterentscheid einverstanden gewesen wäre, versuchte ich meinen Renner vor einen Sprung zu lenken, um ihn zu bremsen, denn ich war ganz sicher, dass Flash nie im Leben auf die Idee kommen würde, einen M-Sprung zu überwinden. Soweit die Theorie. Die Praxis sah dann leider so aus, dass Flash abhob, wie ein Starfighter und ich im klassischen old english-Stil im Sattel kleben blieb. Das gab ein Gejohle. Die Zuschauer klatschten Beifall und der Sprecher meinte, dass da soeben wohl ein echtes Springtalent entdeckt wurde – wobei er hinzufügte, dass er damit das Pferd gemeint hatte und nicht die Reiterin. Haha – sehr witzig!

Aber das erste Turnier und unsere erste silberne Schleife verhalfen mir trotzdem zu ganz neuer Anerkennung im Stall. Hatte man mich bislang belächelt oder sogar hinter meinem Rücken gelästert, dass ich mich bei dem Pferd ja wohl übel verkauft hätte und wurden bislang Wetten abgeschlossen, wann ich mein unreitbares Pferd wieder verkaufe, erkannten offensichtlich nun plötzlich alle das Potential meines Pferdes.

Im Jahr 1988 startete ich mit Flash dann noch zwei Hallenturniere (inzwischen konnte ich ihn auch in der Reithalle bewegen, ohne dass er ständig durchzugehen drohte) und beide Male konnten wir uns unter den ersten Drei platzieren (einmal Zweiter, einmal Dritter).

Im Winter erhielt ich dann die Einladung zu einem Dressur-Förderkurs mit Dieter Weichert – die Qualifikation dafür hatte ich allerdings noch mit Micky Maus erritten, denn es zählten die Platzierungen aus den letzten zwei Jahren und 1986 errang meine württembergische Trakehnerin ja noch Schleifen im Viereck. Ich fragte also an, ob ich trotzdem kommen dürfte, auch wenn ich nun ein junges Pferd mitbringen würde und erhielt die Erlaubnis, auch mit Flash dabei zu sein.

Ganz so profitabel war der Kurs dann leider nicht, denn es wurde eigentlich auf L-Niveau geritten und Flash lief ja mit Glück auf A-Niveau. Aber erfiel einem zu jener Zeit regional sehr erfolgreichen Vielseitigkeitsreiter auf, der meinen Schwiegerpapa aus dem Vorstand des Reiterring Oberrhein kannte und ihn ansprach, ob ich das Pferd nicht eventuell verkaufen würde. Mein Schwiegerpapa meinte, er müsse das mit mir besprechen und so rief mich der gute Mann dann auch an. Sein Fehler war es allerdings, dass er mit den Worten startete: „Ich hätte Interesse Dein Pferd zu kaufen, denn bei Dir wird er ja nie so gefördert werden können, wie bei mir und das wäre ja Perle vor die Säue geworfen, das Potential im Viereck versauern zu lassen!“

Nicht dass ich zuvor auch nur einen Moment daran gedacht hätte, mein Pferd zu verkaufen, aber nachdem man mir quasi Unfähigkeit im Sattel vorwarf und mir nicht zutraute, mein Pferd im Busch zu fördern, war ein ganz neuer Ehrgeiz bei mir geweckt worden: Ich wollte Vielseitigkeitsreiter werden und es dem Schnösel beweisen, dass ich mein Pferd auch selbst zu fördern vermochte!

Als Abschlussturnier 1988 ritt ich dann noch die Vereinsmeisterschaften in der Dressur mit und Flash bestand die Feuertaufe in der A-Dressur mit einer Platzierung.



Das Jahr 1989 brachte dann zuerst mal einen Umzug mit meinem Pferd in einen anderen Stall mit sich, denn ich wechselte mit Flash zu einem Vielseitigkeitsreiter, um dort entsprechend trainieren zu können.

Dort lernte ich dann auch einen Reiter kennen, der wie ich sein Herz an die Trakehner Pferde verloren hatte ... und stellte fest, dass ich in meiner Ehe mit Bernd nicht fand, was ich einst hoffte, darin zu finden. Er wollte bei der Bundeswehr Karriere machen (was ihm auch gelang) und zu diesem Zweck ließ er sich zu jedem Einsatz schicken und war dem entsprechend nur selten mal zuhause. Ich lebte also eigentlich mein eigenes Leben und wenn er dann mal wieder zuhause weilte, empfand ich seine Anwesenheit spätestens nach drei Tagen als störend und war froh, wenn er wieder abreiste.

Mit Bruno verband mich hingegen der Spaß am Buschreiten, die Liebe zu den Trakehnern und ... zu einander.

Als im Mai dann meine Omi starb, fiel ich in ein sehr tiefes Loch und Bernd war mal wieder nicht da, um mich in meiner Trauer zu stützen. Aber Bruno war da, um mir Halt und Trost zu geben. Bei Bernds nächsten Besuch zuhause eröffnete ich ihm, dass ich mich von ihm scheiden lassen möchte und dass ich schon ab Juni eine eigene Wohnung gefunden hätte.

Wir trennten uns freundschaftlich und das einzige, was ich danach schmerzlich vermisste war unser Neufundländer-Mix-Rüde Teddy, denn der war es von seiner Welpenzeit an gewohnt, draußen im Hof und im Garten sein zu dürfen – der Umzug in eine Zwei-Zimmer-Etagenwohnung wäre eine zu große Umstellung für ihn geworden. Von Bernd fühlte ich mich eher befreit.

Allerdings merkte ich auch, dass Bruno mich wieder in eine Enge zwingen wollte, aus der ich mich gerade freigekämpft hatte, denn er bestimmte plötzlich ganz extrem über mein Leben. Das Ganze gipfelte dann darin, dass er allein vom Turnier nach Hause fuhr und mich tatsächlich samt Pferd zurückließ, weil ich mich von meinem ehemaligen Schmied zu einem Glas Sekt an der Bar einladen hatte lassen. Als der mich und Flash dann auch noch mit seinem LKW zurück zum Stall fuhr, war für Bruno klar, dass ich ihn mit dem Schmied betrüge ... er machte mir eine Szene, wie aus einem schlechten Schnulzenfilm und ich beendete daraufhin die Beziehung und zog deshalb mit Flash auch wieder zurück zum RV Dreiländereck und erst mal auch wieder zur Dressur, wo Flash mir ein paar schöne Erfolge schenkte - nicht zuletzt gewann ich mit ihm auch die Vereinsmeisterschaft und verdanke ihm auch noch diverse andere Schleifen und Pokale.









Doch dann zogen Vielseitigkeitsreiter aus der Schweiz ein, mit denen mich schnell eine wunderbare Freundschaft verband. Mit Kurt zusammen trainierte ich; mit Kurt fuhr ich zu den Vielseitigkeitsturnieren in der Schweiz und er ritt schlussendlich Flash auch in den höheren Klassen.

Immer öfter bekam ich nun auch Kaufangebote für meinen Trakehner und weil die gebotenen Summen stetig anstiegen, überlegte ich, dass es sinnvoll sein könnte, mein Pferd in einer Lebensversicherung anzumelden, um im Fall der „Unbrauchbarkeit“ oder seines Todes wenigstens wieder ein gleichwertiges Pferd kaufen zu können.

Für die Versicherung brauchte ich allerdings Röntgenbilder und so fuhr ich mit Flash nach Bern in die Uniklinik. Was mir dann dort gesagt wurde, konnte ich erst mal nicht fassen, denn auf den Röntgenbildern war zu sehen, dass mein Pferd Spat hatte.

Flash war ja nun erst sechs Jahre alt und dass er nicht vollkommen gesund sein könnte – darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Mein Tierarzt entschärfte den Befund zwar erst mal wieder und meinte, dass Flash damit trotzdem 30 Jahre alt werden könnte und dass wenn man jedes Pferd auf einem Turnierplatz untersuchen lassen würde, er bei 98 % etwas finden würde und trotzdem würden die alle sportlich eingesetzt ohne das sie je zu lahmen begännen.

Aber ich beendete trotzdem Flashs Karriere als Vielseitigkeitspferd sofort und ließ ihn auch nicht mehr springen.

Im gleichen Jahr lernte ich dann auch Micha kennen und ein Jahr später, im Mai 1991, heirateten wir und so zog ich zu ihm in die Schweiz. Als wir dort dann ein Haus mit Stall fanden, sollte Flash natürlich auch bei uns einziehen – aber ich konnte ihn ja nicht alleine in den Stall stellen ... es begann also die Suche nach einem zweiten Pferd.

Ich finde es toll wie Du das alles beschreibst Sabine. Ich kann mich noch nicht mal an alle Namen der Pferde erinnern. Und so viele waren das bei mir nicht. Is schon fast wie ein Buch lesen. Weiter so