Ich hoffe ich darf diesen seinerzeit mühsam abgetippten Beitrag hier posten - sonst bitte ich um Löschung durch einen Admin.


Aus der "Freizeit im Sattel" September 2006:



Gesunder Rücken kann entzücken...

Jeder zweite Mensch leidet unter Rückenschmerzen - und die Pferde?
Sattel, Sitz, Ausbildung und Haltung können ihren Rücken krank machen oder gesund erhalten.

von Eva Mack

Wie belastbar ist ein Pferderücken unter dem Reiter? Den Grundstein legt bereits die Auswahl von Stute und Hengst: Beide Elterntiere sollten einen möglichst gut gebauten Rücken haben. Die Vorstellung, dass der Karpfenrücken einer Stute durch den Senkrücken eines Hengstes ausgeglichen werden kann, ist absurd - und leider verbreitet.
Das Gebäude aller Zuchttiere sollte einer sehr strengen Auswahl unterliegen. Damit fällt zumindest der erblich bedingte Anteil der Qualität des Rückens möglichst gut aus. Hat eine Stute Mängel im Rücken, braucht sie einen in diesem Bereich besonders korrekten Hengst.
Die Aufzucht des Fohlens spielt eine weitere wichtige Rolle für die Entwicklung eines stabilen Rückens. Wenn ein sehr früh im Jahr geborenes Fohlen wegen schlechter Wetterbedingungen seine ersten Lebenswochen in einer Box mit hoher Trennwand verbringt, können erste Schäden enstehen: Das neugierige Fohlen versucht über die Trennwand zu schauen, muss sich strecken, um überhaupt etwas zu sehen und steht so lange Zeit mit durchgedrücktem Rücken in unphysiologischer Haltung. Neben Schäden in den Gliedmaßen kann es zu Störungen der Wirbelsäule kommen. Daraus ergeben sich eventuell später Probleme beim Reiten.
Ungenügender Auslauf und zu wenig Spielmöglichkeiten mit Altersgenossen verhindern einen stabilen Knochenaufbau und das Training der Muskulatur, Sehnen und Bänder. Diese Defizite sind der Grundstein für spätere Defekte.
Auch ein zu schnelles und unsachgemäßes Einreiten (sogar noch mit nicht passendem Sattel) und zu frühe oder zu starke Belastung fördern das Entstehen von Rückenproblemen.
Die Haltung des Pferdes hat einen großen Einfluss auf die Gesunderhaltung seines Rückens. Ein Pferd in Boxenhaltung, das gezwungen ist, sich darin ständig im Kreis zu bewegen, überlastet seine Wirbelsäule. Wird dazu noch Heu aus einer zu hoch angebrachten Futterraufe angeboten, sind Probleme programmiert.
Ideal zur Entwicklung und Erhaltung eines gesunden Rückens ist die Haltung im Offenstall: Hier kann das Pferd seinem Bewegungsdrang nachkommen und seinen Körper spielerisch trainieren. Es bewegt sich die meiste Zeit des Tages in einer entspannten Haltung mit dem Kopf nach unten.
Auch durch traumatische Ereignisse - Stürze, Huftritte, andere Unfälle - kann es zu Schädigungen im Bereich des Rückens kommen.
Eine regelmäßige und korrekte Hufbearbeitung beeinflusst die Entwicklung eines gesunden Rückens: Denn infolge von Fehlstellungen und Lahmheiten verspannt sich die Rückenmuskulatur und begünstigt so Erkrankungen der Wirbelsäule.
Bei der Beurteilung des Rückens spielt immer der Gesamteindruck des Pferdes eine Rolle: Die Winkelung der Gliedmaßen, Länge und Form des Rückens und der Kruppe, Ansatz und Verlauf des Halses sind Kriterien für die mögliche reiterliche Nutzung eines Pferdes. Um sowohl die Funktion als auch Störungen des Bewegungsapparates verstehen zu können, sind anatomische Kenntnisse notwendig.
Je nach Rasse und Nutzung variiert die ideale Rückenform: Ein barockes Pferd, das in der Dressur sehr versammelt und mit starker Hankenbiegung gehen soll, hat einen kürzeren, kompakten Rücken; beim Springpferd sind eher lange Linien erwünscht, damit es sich besser über dem Sprung lang machen kann. Doch für beide möchte man Harmonie in der Länge und Biegung des Rückens haben.
Ein zu sehr durchgebogener oder aufgekrümmter Rücken macht es dem Pferd schwer, das Reitergewicht ohne Schaden zu tragen. Die Wirbelsäule überträgt die Kraft aus der Hinterhand zur Vorhand. Nur wenn der Rücken gut gebaut ist, kann es zu einer schwungvollen Bewegung kommen. Pferde mit sehr kurzem Rücken (manche Araber haben einen Lendenwirbel weniger) erkranken eher an Knochenveränderungen, Tiere mit sehr langem Rücken leiden vermehrt an Bänderschäden.
In vielen Fällen treten keine eindeutigen Schmerzäußerung auf, sondern Rittigkeitsprobleme, Leistungsrückgang und Widersetzlichkeiten. Oft zeigen rückenkranke Pferde bereits beim Satteln Unwohlsein bis hin zu massiven Abwehrbewegungen. Buckeln, Kopfschlagen, Verweigern von Übungen, die bisher ausgeführt wurden, Unfähigkeit zum Springen, nicht rückwärts gehen wollen, "Nichthergeben oder Wegdrücken" des Rückens, Kopfhochreißen, Durchgehen, Verspannungen und Lahmheiten können Rückenprobleme anzeigen. In manchen Fällen ist eine Schmerzhaftigkeit im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule, seltener im Becken, festzustellen.
Neben diesen Faktoren spielt die Passform des Sattels sowie die Reitweise und das richtige Training eine sehr wichtige Rolle in der Entstehung von Rückenproblemen.
Stellen wir uns vor, wir müssten mit einem schlecht gepolsterten, schlecht sitzenden, hin und her rutschenden Rucksack, der mit Wackersteinen gefüllt ist, zudem in Schuhen, die zwei Nummern zu klein sind, eine Wanderung machen. Eine Vorbereitung darauf findet nicht statt - im Gegenteil: Wir sind untrainiert und übergewichtig. Wie schnell zeigen sich dabei Muskelkater und Rückenschmerzen und vergeht der Spaß? Und trotzdem: Genau das muten viele Reiter ihrem (geliebten) Pferd zu.
Unabhängig von Reitweise und Satteltyp muss ein Pferd immer langsam aufbauend konditioniert und gymnastiziert sowie der Sattel sorgfältig angepasst werden. Auch kleine Veränderungen in der Sattellage - Knötchenbildung, trockene Stellen bei ansonsten verschwitzter Sattellage, Schwellungen - sollten Alarmsignale sein und zur sofortigen Überprüfung des Sattels führen.
Der Pferderücken ist von Natur aus nicht dafür vorgesehen, das große Gewicht von Reiter und Sattel zu tragen. Damit das Pferd dies unbeschadet tun kann, müssen wir seine Muskulatur, Sehnen und Bänder trainieren. Erst wenn das Jungpferd durch gymnastizierende Übungen so viel Muskulatur entwickelt hat, dass es sich im Gleichgewicht tragen kann und seine Hals-, Bauch- und Rückenmuskeln ein Gegengewicht zur Spannung der Wirbelsäule bilden, sollten wir mit dem Reiten beginnen.
Auch psychisch muss ein Pferd bereit sein, einen Reiter zu tragen. Sonst kommt es zu Verspannungen und Verkrampfungen aus Unsicherheit oder Angst.
Der Ablauf einer Rückenuntersuchung umfasst folgende Teile:
- Möglichst genauer Vorbericht über die Symptome,
- Betrachtung (Adspektion) des Rückens: Symmetrie des Beckens und der Muskulatur, Zustand der Rückenbemuskelung. Das Pferd sollte auf ebenem Boden stehen und alle vier Gliedmaßen gleichmäßig belasten.
- Lahmheitsuntersuchung auf hartem, eventuell zusätzlich auf weichem Boden, auf der geraden Linie und in Wendungen.
- Palpation: Muskulatur und Dornfortsätze werden sorgfältig abgetastet. Provokationsproben, um die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu untersuchen. Das Abtasten des Rückens erfordert viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Denn Schmerzempfinden und -äußerung sowie die Hautsensibilität sind von Pferd zu Pferd sehr unterschiedlich. Manche berührungsempfindlichen Pferde entziehen sich, auch ohne dass sie Schmerzen haben, der Palpation durch Wegdrücken des Rückens. Dies wird manchmal fälschlicherweise als Schmerzen interpretiert. Daher ist es oft schwierig, eine normale Reaktion und eine Schmerzhaftigkeit auseinander zu halten.
Rückenkranke oder verdächtige Pferde zeigen meist eine deutliche Verspannung im Rücken und eine Einschränkung oder Unfähigkeit zu Biegebewegungen der Wirbelsäule.
- Untersuchung unter Belastung: an der Longe, mit, ohne und anderem Sattel, unter dem (und eventuell einem anderen) Reiter, in allen Gangarten.
- Gründliche Prüfung von Sattel und Zaumzeug.
- Labormedizinische Untersuchungen (Serumenzyme, eventuell vor und nach Belastung), um Erkrankungen der Muskeln von solchen des Skeletts und/oder der Sehnen und Bänder abzugrenzen.
- Röntgenuntersuchung: Durch die Schichtdicke ist die Darstellung der knöchernen Anteile der Wirbelsäule schwierig; in einigen Fällen muss das Pferd in Narkose gelegt werden, um aussagekräftige Röntgenbilder zu bekommen. Dabei werden die Abstände der Dornfortsätze, Veränderungen an den Dornfortsätzen und den kleinen Wirbelgelenken beurteilt. Dabei stimmen der Röntgenbefund und die klinischen Symptome oftmals nicht überein.
- Bei der diagnostischen Lokalanästhesie wird der Bereich der vermuteten Schmerzregion betäubt und dann eine Kontrolluntersuchung gemacht. Diese Methode ist mit einem geringen technischen Aufwand verbunden, durch sie kann der Schmerz relativ gut lokalisiert werden.
- Ultraschall ist besonders geeignet, um Veränderungen im Bereich des Beckens und der Bänder zu diagnostizieren.
- Szintigraphie: Bei diesem Verfahren werden radioaktive Substanzen, die sich in stärker durchbluteten Geweben und aktiven Knochenprozessen einlagern, sichtbar gemacht. So können Veränderungen im Knochenstoffwechsel, die röntgenologisch noch nicht nachweisbar sind, erkannt werden. Diese Untersuchung macht akute Entzündungen sichtbar, bei älteren Fällen bringt sie keine Erkenntnisse. Die Szintigraphie kann im Stehen durchgeführt werden.
Dies sind die häufigsten Erkrankungen im Bereich des Rückens:
- Muskelverspannungen: Durch unsachgemäße Reitweise, mangelhafte Ausrüstung , Satteldruck und Überbelastung kann es zu Verspannungen der Rückenmuskulatur mit allen oben genannten Symptomen kommen. Auch schmerzhafte Veränderungen an den Gliedmaßen und dadurch ungleichmäßige Körperhaltung und Belastung können eine Ursache sein. Mögliche Therapien sind: eine Behandlung des Grundleidens an den Gliedmaßen, Austausch von mangelhafter Ausrüstung, bessere Schulung des Reiters, zeitweises außer-Dienst-Stellen des Pferdes mit nachfolgendem langsamen Aufbau und Gymnastizierung, Bodenarbeit, Umstellung der Haltung, Massagen und physiotherapeutische Behandlung.
- Myopathien/Lumbago (= Kreuzverschlag), Tying up: Symptome sind Steifheit, Muskelzittern, Unwilligkeit zur Bewegung, Myoglobinurie (schwarze Harnwinde) und in schweren Fällen Festliegen.
Manche Rassen sind genetisch prädisponiert für Myopathien (Quarter Horses aus bestimmten Familien). Bei dieser Erkrankung kommt es auf Grund von übermäßiger Belastung oder hoher Energiezufuhr ohne entsprechende Belastung zu einer Entgleisung des Muskelstoffwechsels. Im schlimmsten Fall führt dies zur Zerstörung von Muskelzellen und zum Austritt von Muskelfarbstoff über die Nieren in den Harn (schwarze Harnwinde).
Auch der Mangel an Vitamin E und Selen führt zu Myopathie. Die Erkrankung muss sofort fachmännisch behandelt werden, sonst kommt es zu nicht wieder gut zu machenden Zerstörungen der Muskelfasern, zum Festliegen und Stoffwechselzusammenbruch.
- Zerrungen im Kreuzdarmbein-Bereich: Durch ein Trauma (Sturz oder Ausrutschen) kann eine solche Zerrung entstehen. Sie ist meist durch starke Schmerzhaftigkeit, Hinterhandslahmheit und Asymmetrie der Kruppenmuskulatur gekennzeichnet. Auch bei Schwergeburten können sich Stuten Zerrungen in diesem Bereich zuziehen. Im längeren Verlauf bildet sich durch die Schonhaltung die Kruppenmuskulatur einseitig zurück. Zur Behandlung sind neben absoluter Ruhigstellung entzündungshemmende Medikamente und Wärmebehandlung angesagt.
- Kissing Spine Syndrom: Die Symptome sind allgemein Rückenschmerzen, Unrittigkeit, Leistungsabfall, Unfähigkeit zum Springen, Steifheit, Widersetzlichkeit und all die oben genannten Symptome.
Bei dieser Erkrankung kommt es zu Entzündungen der kleinen Wirbelgelenke, Zerrungen der Bänder an den Wirbeln, Berühren und dadurch enstehende Deformationen der Dornfortsätze meist im Bereich der letzten Brust- und ersten Lendenwirbel. Im weiteren Verlauf entstehen arthrotische Veränderungen der Wirbelgelenke bis hin zu knöchernen Verwachsungen der Dornfortsätze und Wirbelkörper.
Eine genetische Disposition für diese Erkrankung wird angenommen, Ursache kann aber auch ein zu frühes oder falsches Reiten und Springen eines Pferdes sein. Auch Unfälle - schwere Stürze, nach-hinten-Überschlagen - führen oft erst nach Jahren zum Kissing Spine Syndrom. Pferde, die durch eine Kolik-Operation oft sehr lange brauchen, bis die Spannkraft der Bauchmuskulatur als Gegenpart zur Biegung der Wirbelsäule wieder erlangt ist, können in der Folge am Kissing Spine Syndrom erkranken.
Zur Behandlung kommen längeres Ruhigstellen, Entzündungshemmer, Neuraltherapie, Akupunktur, Chiropraktik, Osteopathie, Physiotherapie zum Muskelaufbau sowie in schweren Fällen eine operative Behandlung in Frage. Je nach Schwere der Erkrankung ist die Prognose fraglich. Nicht mehr reitbare Pferde mit Kissing Spine Syndrom können oftmals als Fahrpferde noch lange Jahre gute Dienste leisten.
- Frakturen: Durch Stürze, Überschlagen oder auch Schlagverletzungen kann es zu Frakturen der Wirbelsäule oder des Beckens kommen. Sie sind mit mehr oder weniger schwerwiegenden Symptomen verbunden. Diese Frakturen können manchmal durch Palpation diagnostiziert werden, meistens ist jedoch eine Röntgenuntersuchung erforderlich.
Frakturen haben je nach Schwere der Veränderung eine relativ schlechte Prognose: bei wertvollen Tieren wird in manchen Fällen ein operativer Eingriff erwägt.
- Verformungen der Wirbelsäule: Verkrümmungen in Form von Skoliose (zur Seite), Lordose (nach unten) oder Kyphose (nach oben) können angeboren oder erworben sein. Der knöcherne Teil der Wirbelsäule kann betroffen sein (durch Fehlentwicklung oder eine Fraktur). Auch eine massive Muskelverspannung kann die Ursache sein. Eine gute Zuchtauswahl sollte erblich bedingte Schäden möglichst einschränken. Muskelverspannungen werden wie oben beschrieben behandelt.
Fazit: Durch eine gute Zuchtauswahl, artgerechte Aufzucht und Haltung, sachgerechte regelmäßige Hufpflege, vernünftige Ausbildung und Reitweise sowie geeignete qualitativ hochwertige Ausrüstung sind eine große Anzahl von Rückenproblemen vermeidbar. Je früher eine solche Schwierigkeit erkannt und ernst genommen wird, bevor sie zu massiven körperlichen Veränderungen führt, umso größer sind die Chancen für eine totale Wiederherstellung.

Info: Anatomie und Physiologie
Das Skelett des Pferdes wird als passiver Bewegungsapparat bezeichnet. Die mehr als 200 einzelnen Knochen bilden die Grundlage des Pferdekörpers. Der aktive Bewegungsapparat, bestehend aus Muskeln, Sehnen, Bändern und Faszien, macht Bewegung möglich und wird bewusst gesteuert.
Das knöcherne Grundgerüst des Pferdes wird unterteilt in den Schädel, Stamm (bestehend aus Wirbelsäule, Rippen, Brustbein und Becken) sowie Vorder- und Hintergliedmaßen.
Der Schädel ist am Hinterhauptbein mit dem ersten Halswirbel (Atlas) verbunden. An diesem Gelenk sind im wesentlichen Nickbewegungen möglich. Im nächsten Gelenk (zwischen erstem und zweitem Halswirbel) ist neben der Nick- auch eine Drehbewegung des Schädels möglich.
Die folgenden fünf gut beweglichen Halswirbel fallen in einem nach unten geschwungenen Bogen zum Brusteingang ab. Es folgen 18 Brustwirbel, deren Dornfortsätze zunächst caudal (zum Schweif hin) geneigt sind, beim 15. Brustwirbel nahezu senkrecht stehen und bei den weiteren cranial (in Richtung Kopf) geneigt sind. Es folgen sechs Lendenwirbel und fünf Kreuzbeinwirbel. Die Kreuzwirbel sind vollständig zum Kreuzbein verknöchert. Zum Schluss kommen die 15 bis 21 Schwanzwirbel, die sehr beweglich sind.
Die einzelnen Wirbel sind - beginnend zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel - nicht gelenkig, sondern mittels Knorpel-und Bindegewebe über Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben) verbunden. Bei jeder Bewegung des Pferdes wirken die Bandscheiben als Stoßbrecher und haben so eine sehr wichtige Funktion. Sie füllen den Raum zwischen Wirbelkopf und Wirbelpfanne vollständig aus und bestehen aus fibrinösem Gewebe.
Die Beweglichkeit der Wirbel untereinander ist im Bereich der Halswirbel relativ groß, nimmt dann ab und erlaubt im Bereich der Lendenwirbelsäule nur geringe senkrechte sowie Drehbewegungen. Die Lendenwirbel sind intensiv miteinander verzahnt und in ihrer Beweglichkeit dadurch stark eingeschränkt. Im Alter von vier bis fünf Jahren sind die Wirbel des Kreuzbeines vollständig miteinander verwachsen und damit unbeweglich.
Damit im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule die teilweise starke Biegung der Wirbelsäule möglich ist, sind zwischen den Wirbelbögen kleine Schiebegelenke ausgebildet. Zwischen den Wirbelbögen, den Dornfortsätzen sowie den Querfortsätzen der Wirbel sind verschiedene Bänder angelegt, die ihnen untereinander Stabilität geben.
In ihrem Verlauf wird die Wirbelsäule durch lange, starke Bänder wie das Nacken- und das Rückenband stabilisiert. Sie machen es dem Pferd möglich, seinen relativ schweren Kopf fast ohne Kraftanstrengung zu tragen. Zwischen den Bändern liegen am ersten und zweiten Halswirbel und auf den Dornfortsätzen des zweiten und dritten Brustwirbels Schleimbeutel.
Die Hals-, Brust-, Rücken-, Bauch- und Kruppenmuskulatur sorgt im feinen Zusammenspiel für die Beweglichkeit, Stabilisation, Erhaltung des Gleichgewichtes und Vorwärtsschub des Pferdes. Ganz besonders die Bauchmuskulatur sorgt für das notwendige Gegengewicht zum gespannten Rücken.
Die Wirbelsäule zeigt drei verschiedene Krümmungen: die dorsal-konvexe Kopf-Halskrümmung, die dorsal-konkave Hals-Brustkrümmumg und die dorsal-schwach konvexe Brust-Lenden-Krümmung.
Natürlicherweise verbringt das Pferd die meiste Zeit seines Lebens mit gesenktem Kopf beim Fressen. Eine erzwungene Kopfhochhaltung verstärkt die dorsal-konkave Krümmung im Brustwirbelbereich, schädigt die kleinen Wirbelgelenke, bringt die Dornfortsätze zu nah zueinander und kann so schon im frühen Alter zu Schädigungen führen.
E.M.




"Und reite es vorwärts..."

Für Tierarzt Dr. Gerd Heuschmann ist klar: Werden junge Pferde zu früh versammelt, entstehen später Rückenprobleme.

von Nikola Fersing

Gerd Heuschmann ist Tierarzt und Reiter. Geht es um die heutige Turnierreiterei und Pferdeausbildung, greift er zu harten Worten: Seiner Meinung nach bleibt dabei die Rückengesundheit der Pferde auf der Strecke.
Im Rahmen eines Vortrages beschreibt er nachdrücklich, wie schon beim jungen Pferd der Grundstein gelegt wird für spätere massive Rücken-, Gang und Taktprobleme, und wie durch eine falsche, zu eilige Ausbildung das junge Pferd überlastet wird. Er verweist immer wieder auf die Heeresdienstverordnung 12 (HDV12) von 1937 mit ihrer korrekten, pferdeschonenden Ausbildungsmethode.
Seine Thesen: Bei der Remonte stört das Gewicht des Reiters zunächst das gesamte Bewegungssystem. Bei richtiger, durchdachter Ausbildung passt es sich jedoch an, und das Pferd wird im Laufe mehrerer Jahre zum "Reittier".
Die Wirbelsäule des Pferdes ist nicht dicker als ein menschlicher Unterarm. Darunter hängen beim Warmblut rund 300 Kilo Masse in der Hängematte der Bauchmuskulatur.
Wodurch ist das Pferd in der Lage, einen Reiter zu tragen? So wie es das Gewicht seines eigenen Bauches trägt: Wilde Pferde verbringen 17 bis 19 Stunden des Tages mit der Nase am Boden und sind rund 21 Stunden in Bewegung. Während das Pferd frisst, streckt sich das Nackenband, der Rücken wölbt sich nach oben. Dieses Nackenband ist fest verbunden mit den Dornfortsätzen des Widerristes. In der natürlichen Fresshaltung werden die Dornfortsätze des Widerristes nach oben gezogen, der Rücken hebt sich.
Eine artgerechte Haltung, bei der die Pferde sich rund um die Uhr bewegen können und viele Stunden lang die Nasen zur Futteraufnahme am Boden haben, ist unabdingbar für die Rückengesundheit.
Die Halswirbelsäule beschreibt ein S. So ist vor dem Widerrist genügend Raum für die Entwicklung kräftiger Muskeln - für das Reiten von entscheidender Bedeutung. Auch lässt die S-Form ein Strecken und Längermachen des Halses zu. Solange das S offen ist (bei einer Nasenlinie vor der Senkrechten!), wird mehr Zug auf das Nackenband ausgeübt. Das ist besonders für junge Pferde wichtig: Das Vorwärts-Abwärts ist in ihrer Ausbildung unerlässlich.
Jedoch muss man herausfinden, wie weit vorwärts und abwärts das einzelne Pferd geritten werden will und muss. Als Gradmesser dienen Taktreinheit und Klarheit der Grundgangarten. Viel zu wenig Bedeutung wird heute leider dem Sitzen-Lassen, der Gelöstheit des Pferdes beigemessen. Das junge Pferd braucht, um den Reiter entspannt sitzen zu lassen, unbedingt den Zug am Nackenband, durch den sich der Rücken erst aufwölben kann. Der Oberhalsmuskel ist dafür noch nicht stark genug, deshalb muss der tief genommene Kopf bei offener S-Form der Halswirbelsäule die fehlende Muskulatur ausgleichen.
Gradmesser für die richtige Ausbildung ist demzufolge der Muskelzuwachs im Oberhals vor dem Widerrist. Die Bauchmuskulatur (fälschlich oft als tragende Muskulatur bezeichnet) leistet keine aktive Tragearbeit. Sie entspannt beim Auffußen.
Der lange Rückenmuskel sollte keine Tragearbeit leisten, denn dazu müsste er sich anspannen wie beim Buckeln. Nur der lange, nicht zusammengezogene Muskel lässt den Reiter bequem sitzen. Das Aufwölben des Rückens wird durch das Oberhalsmuskelsystem ausgelöst.
Das Reitergewicht bringt Zug auf diese Muskulatur. Beim untrainierten Pferd schmerzen die überanstrengten Muskeln, und es wird den Kopf heben. Heute werden solche Anzeichen vielfach übergangen.
In der HDV12 findet sich dazu die Anweisung, dass das junge Pferd mit kurzen Bügeln im leichten Sitz vorwärts abwärts zu reiten sei. Kommt nach etwa 15 Minuten der Kopf hoch, hat der Reiter abzusitzen, das Pferd wird fünf Minuten geführt. Heute werden an diesem Punkt häufig die Schlaufzügel eingeschnallt... manche Pferde wehren sich.
Nur lockere Muskeln können und dürfen trainiert werden. Muskeln bilden eine Funktionskette: Ist einer verspannt, sind es alle. Die Oberhalsmuskulatur braucht zwei Jahre, bis sie den Rücken heben kann, sonst trägt der lange Rückenmuskel (und verspannt sich demgemäß). Ist der Rückenmuskel verspannt, schwingt das Hinterbein nicht korrekt und schnell genug unter den Körper und kommt mit dem Vorderbein nicht mit. Deshalb geben die Bewegungen eines Pferdes Auskunft, ob das Training korrekt und sinnvoll abgelaufen ist.
Professor Ulrich Schnitzler, der eng mit Egon von Neindorff zusammen gearbeitet hat, wies schon Mitte der neunziger Jahre darauf hin, dass die Pferde (auch in hohen Dressurwettbewerben) nicht mehr richtig trabten. Ähnlich verhält es sich mit dem Schritt: Ist der Rückenmuskel verspannt, wird aus dem klaren Viertakt ein passartiger, unklarer Gang.
Insbesondere beim jungen Pferd muss deshalb wieder vermehrt gelten: "... und reite es vorwärts!" Die zur späteren Versammlung notwenige Hankenbeugung trainiert sich ausschließlich im Vorwärts. Wird das junge Pferd anderthalb bis zwei Jahre im Gelände geritten (auch über kleine Sprünge und leichte Jagden), stärkt dies das Strecksystem durch Schubentwicklung und kann dann später auch tragen.
Doch leider haben wir uns allzu sehr in den letzten 20 Jahren an spektakuläre Trabbewegungen gewöhnt; viel Geld und eine große Industrie hängen am jungen Pferd - pferdeschonende Ausbildung und gutes Reiten bleiben auf der Strecke, wenn es nur beeindruckend genug aussieht.




Das ungestörte Muskelspiel...

.. ist notwendig, damit der Pferderücken gesund und schmerzfrei bleibt. Erfahrungen aus der Physiotherapie.

von Sabine Bruns

Ein Muskel ist so geschaffen, dass er in der Bewegung zwischen drei Zuständen wechselt: Kontraktion ist die Phase, in der ein Muskel anspannt (aktiver Zustand). Während der anderen beiden Zustände ist der Muskel passiv. Er ist entspannt und weich (ruht) oder er wird gedehnt, während sein Antagonist ("Gegenspieler") anspannt.
Sobald dieses Muskelspiel behindert wird, entstehen Bewegungsprobleme, die sich auf den gesamten Pferdekörper auswirken. Das Hauptproblem liegt an einem Übermaß an Arbeit, sondern an der Behinderung von Dehnung und Entspannung.
Bei der Entstehung von Rückenproblemen spielen zahlreiche Muskeln eine wichtige Rolle: Die langen Rückenmuskeln (M. errector spinae) müssen sich einseitig passiv entspannt dehnen lassen, während das Hinterbein des Pferdes nach vorne geführt wird. Parallel dazu müssen die gleichen Muskeln der anderen Körperhälfte anspannen, da das andere Hinterbein zurück geführt wird. Über den langen Rückenmuskeln liegt der breite Rückenmuskel (M. latissiumus dorsi), dessen Spannungszustand von der Bewegung der Vordergliedmaße abhängt. Er muss sich bei der Vorführung der Vordergliedmaße dehnen lassen und spannt an, um die Vordergliedmaße wieder zurück zu ziehen.
Auch viele Muskeln, die vom Rücken beeinflusst werden (Zwischenrippenmuskeln, die für die Atmung von großer Bedeutung sind, beide Anteile des Muskels serratus ventralis, die als Aufhänger der Vordergliedmaße wie ein Stoßdämpfer fungieren und die Bewegung von Rücken und Hinterhand auffangen sollen) spielen eine Rolle.
Es findet also ein dauerndes Muskelspiel zwischen dem Rücken und dem übrigen Körper statt. Es wird gestört, wenn das Pferd einen Muskel in einem Moment, in dem dieser sich eigentlich dehnen lassen muss, anspannt. Die wichtigsten Gründe dafür sind:
- Angst: Das Pferd spannt dabei die Rückenmuskeln abwehrend an.
- Unwohlsein: Sobald Sattel und/oder Reiter unangenehm werden, spannt das Pferd abwehrend die Rückenmuskeln an. Jede falsche Anspannung des Reiters wirkt sich negativ auf die Beweglichkeit der Rückenmuskeln aus.
- Überforderung: Junge und untrainierte Pferde bekommen Rückenschmerzen durch das ungewohnte Reitergewicht und spannen die schmerzenden Muskeln an. Zu viel Reiten in Versammlung ohne entspannendes Vorwärts/Abwärts ist ebenfalls eine Überforderung und führt zu Muskelverspannungen.
- Gleichgewicht: Das Pferd wird daran gehindert, unter dem Reiter sein Gleichgewicht zu finden. Dann muss es durch Muskelarbeit das Ungleichgewicht kompensieren.
- Ein falsch verstandenes "Kreuz-Anspannen" als versammelnde Hilfe behindert die Rückentätigkeit.
- Leichttraben oder im Entlastungssitz reiten mit angespannter oder unruhiger Körperhaltung wirkt sich massiv negativ auf die Rückenmuskeln aus.
Wird ein Muskel auf Dauer angespannt, entstehen Verspannungen. Verspannte Muskeln werden ungenügend mit Nährstoffen versorgt und verkümmern.
Das Pferd teilt Unwohlsein sehr deutlich mit: Es lässt sich an bestimmten Körperstellen nicht mehr gerne putzen. Sitzt der Reiter auf dem Pferd, wird der Pferderücken fest, ein harmonisches Mitschwingen wird unmöglich.
Je nach Schmerzgrad zeigen sich Kopf heben, eventuell Kopf schlagen, nicht mehr vorwärts wollen, kein Dehnen nach vorwärts/abwärts, kurze trippelnde Schritte mit Hohlkreuz, Schweif schlagen, nicht mehr biegen wollen, Probleme mit der Hinterhand Gewicht aufzunehmen, gestörte Schubübertragung. Viele Pferde verwerfen sich oder tragen den Schweif schief. Die Bewegungen des Pferdes verlieren ihre federnde Elastizität. Das Auffußen wird hart, wodurch Gelenke, Bänder und Sehnen geschädigt werden können. Das Pferd läuft auf der Vorhand, überlastet diese.
Massiver Ungehorsam, unbegründetes Scheuen, Zähneknirschen sind weitere Anzeichen von Rückenproblemen.
Leider achten zu wenig Reiter auf diese deutlichen ersten Zeichen des Unwohlseins. Sie versuchen, "dagegen anzureiten". Aber gutes Reiten ist so nicht möglich, sondern es wird nur alles immer schlimmer - ein Teufelskreis, der immer schwerer zu durchbrechen ist.

Im Rahmen dieses Artikels gab es übrigens noch eine sehr aufschlußreiche Übung:

Man stelle sich ohne Pferd in die Reitbahn und versucht selber einmal ohne Pferd "auf der rechten Hand" von A nach C auf einer geraden Linie zu galoppieren, dann umdrehen und "auf der linken Hand" wieder retour vom C zum A.

In 80% der Fälle haben die Reiter dabei auf einer Seite ein deutlich schlechteres Koordinationsvermögen bzw ist es ihnen faktisch unmöglich, die Übung auf beiden Händen rund und flüssig auszuführen.
Und meistens ist auch die "schlechtere Hand" des Reiters jene, wo er auf dem Pferd ebenfalls Probleme hat ;)