Hallo ihr Lieben,

vielleicht fällt Euch ja was ein, ich bin mit meinem Latein am Ende....

Zur Geschichte:

Eine junge Frau bei mir aus dem Stall hat einen 13 jährigen Wallach, sie nimmt seit einem Jahr Unterricht bei mir und ist auf L-Niveau, ihr Pferd ebenfalls.
Sie kamen von einem Dressurstall zu uns und er war damals ein lebloses, auf der Hand liegendens, steifes aber funktionierendes Dressurpferd. Kannte kaum Koppel oder Auslauf, wenn dann eine Stunde am Tag. Wurde brav 3x die Woche vom Bereiterlein geritten und die anderen Tage von ihr. Er war immer brav, zwar faul aber brav.

Jetzt ist sie schon ein weilchen bei uns und wir haben viel daran gearbeitet das er wieder Freude an der Arbeit bekommt, viel Doppellonge, Gelände, Bodenarbeit, Stangenarbeit,...er hatte sich dann echt gemausert und lief wirklich spitze, locker, freudig, aufmerksam usw. und er war immer ganz brav!!!
Dann hat er sich im Sommer verletzt, musste 4 Wochen komplett stehen, dann Schritt und vor 2 Wochen durfte er dann wieder galoppieren.

Da die Besitzerin sehr ängstlich ist ( vorheriges Pferd hat sie wöchentlich runtergebockt) haben ich und meine beste Freundin die Aufbauarbeit mit ihm begonnen, ich habe Doppellonge mit ihm gemacht und meine Freundin ist ihn geritten. Klar war er die ersten male ziemlich übermütig und hat auch mal den einen oder anderen Satz rausgelassen aber da er das laufen nicht erfunden hat, hielt sich das ganze in Grenzen. Seit 2,5 Wochen ist er total brav und ausgelastet, arbeitet willig mit und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen---BEI UNS!!!

Die Besitzerin saß nachdem meine Freundin ihn abgeritten hatte vor 2 Wochen das erste mal auf ihm drauf und was macht der Spitz, bockt los und sie verdreht sich den Fuß auf ihm, nicht runtergefallen aber mit schmerzen im Fuß abgestiegen.

Darauf haben wir nen Schritt zurück gemacht und sie sollte Doppellonge mit ihm machen. Wenn ich im oder am Longierzirkel stehe, ist er brav und macht seinen Job, lass ich die zwei alleine, benimmt er sich wie Rodeopferd.
Dann der krönende Abschluß: Osteo war da und sie sollte ihn an der Hand vortraben, er reißt einen Satz vor und tritt geziehlt nach ihr aus und trifft sie am Oberschenkel, Gott sei dank nur ein Streifschuß, doch auch der hatte ganz schöne Blessuren hinterlassen.

Die Besitzerin ist echt ne ganz liebe, geht toll mit den Pferden um, reitet selbst ganz fein und vorsichtig aber hat diese wahnsinnige Angst!!!
der Wallach der echt brav ist, hat jetzt nach 5 Jahren kappiert das sie Angst hat und benimmt sich seit dem wie ein riesen Depp bei ihr, das fängt in der Box an, geht beim putzen und Satteln weiter, beisst sie, scharrt mit dem Vorderbein in ihre Richtung...bei mir, brav wie ein Kinderpony!!!

Ich helfe ihr so gut es geht aber wie kriege ich diese Zwei wieder auf einen Nenner???

Er hat null Respekt vor ihr und nimmt sie gar nicht wahr wenn sie Nein sagt, er ist ein Büffel aber war nie böse, jetzt nutzt er es schamlos aus und mir fällt einfach nichts mehr ein...und ich glaub das wird immer schlimmer, er immer frecher und sie dabe immer ängstlicher....

LG Carina

Das ist sehr schwierig. Ich würde die Besitzerin und das Pferd nicht mehr alleine arbeiten lassen. Zu gefährlich. Sie braucht jemand, der mit ihr und dem Pferd Angsttraining macht, sie anleitet im täglichen Umgang, bis wieder Vertrauen da ist. Das kann schon eine Weile dauern.

Tja, da gibt es nur einen Weg, sie muss lernen ihre Angst zu besiegen und Führungsqualitäten zu entwickeln. Ansonsten wird es mit Sicherheit, wie du ja selbst schon vermutest, immer schlimmer.

Du kannst ja in Zukunft nicht immer daneben stehen bleiben.
Da er ja ein nettes Pferd zu sein scheint, sollte das doch klappen, wenn nicht ist der Umgang mit Pferden nicht wirklich was für sie auf Dauer, hört sich hart an ist aber leider so, wenn man nicht schlimmere Blessuren riskieren möchte und ich finde den Streifschuss von ihm schon eher als liebgemeinten Warnschuss, den er mit Sicherheit auch hätte richtig platzieren können mit schweren Folgen.

Du kannst ihr nur helfen in dem du ehrlich mit ihr redest und ihr klar machst das nur die Angstüberwindung und klare Grenzen für ein gefahrlosen Umgang nötig sind.
Sie soweit es geht unterstützt oder sie sich die nötige Hilfe holt um den richtigen und angstfreien Umgang zu lernen.

Vielen Dank schonmal für Eure Antworten, ich sehe das alles auch so.

Ich lasse sie viel mit meinem Lünchen machen, denn die nutzt ihre Ängste überhaupt nicht aus, sondern ist ganz vorsichtig mit ihr.
Bei Lünchen reicht aber auch ein Nein im Flüsterton, bei ihrem Wallach muss es schon ein ganz gestandenes Nein mit dementsprechender Körpersprache sein.
Da liegt glaube ich das größte Problem, denn es sind zwei total unterschiedliche Charaktere, Sie die Zarte, er der Harte....

Er war auch erst in der Herde, der Ruhige und in der Rangordnung am Anfang sehr weit hinten, mittlerweile ist er ziemlich weit vorne und legt sich regelmäßig mit dem Chef an und auf den anderen hackt er herum, so das er jetzt wieder, da die Koppelzeit zu Ende ist und die Herde auf dem Auslauf mit weiger Platz verweilt, gesondert alleine stehen muss, leider!

Seitdem er bei uns im Stall ist, hat er sehr an selbstbewußtsein dazu gewonnen, was ich persönlich auch gut finde, denn er ist jetzt Pferd und nicht mehr gefühllose Maschine aber für die Besitzerin ist die Veränderung einfach zu stark um momentan mit ihm klar zu kommen.

Mit unseren Sensibelchen kommt sie total klasse klar, sie hat eine ruhige, liebevolle Art und das mögen die anderen Pferde, er ist da nicht so empfänglich und kommt mit klaren Regeln besser klar.

Flamenco:

Liebend gerne würde ich sie zu dir schicken und würde mich über so ein Ergebnis auch richtig freuen.
Nimmst du auch ihren Wallach zum Erziehungsurlaub auf, ich wäre froh wenn ich mich mal wieder ausgiebig um mein Lünchen kümmern könnte

Ich glaube so mache ich das auch!

....und wenn wir Mai noch keine Lösung haben, schick ich dir den Bub

Mhmm, mir fallen dazu 2 Fragen ein:

Wie hat er sich verletzt? Allein, Koppel o. ä., oder war sie "beteiligt"? Wenn es beim reiten passierte und er sensibel ist, dann hat er ihr schlichtweg evtl einfach das Vertrauen entzogen. Dazu die längere Standzeit zum "nachdenken" und der Umstand, dass er in der Pferdehierarchie aufgestiegen ist - das kann zu einem echten Problem werden.

Die andere Frage: Warum hat sie damals den Wallach gekauft? War sein Talent der Grund, oder doch eher, dass er so "totenbrav" war? War es letzteres, dann ist sie wohl eine tolle und feine Reiterin, kann aber dennoch kein Pferd mit gesundem Selbstbewustsein brauchen, das sie und ihre Anweisungen hinterfragt oder hintertreibt, einfach, weil sie sich nicht als vertrauenwert für ihn darstellt.

Gerade bei vielen Sportpferden ist mir in den letzten Jahren der "Kadavergehorsam" aufgefallen. Einerseits verständlich, dass Menschen mit bestimmten reiterlichen Zielen sich nicht mit den Pferden befassen möchten, die noch zusätzlich tgl Grundsatzdiskussionen erfordern. Gerade Sportpferde, die "Gelegenheit zum nachdenken" bekommen, sei es durch Verletzungen oder aus sonstigen Gründen können nach einer Pause das Verhalten grundlegend ändern. Können, nicht müssen. Aber wir haben das jetzt 3 mal durch - dass die Sportler sich nach Ruhephasen plötzlich anders verhalten.
Entweder die Reiterin wird selbstbewusster und lernt, ihre Ängste abzubauen oder der Wallach muss zurück zum Kadavergehorsam - wenn die beiden zusammen bleiben möchten. Oder sie sucht nach einem anderen Pferd.

Also ich glaube ich weiß ziemlich wie sie sich fühlt. Ich habe mich 2 Jahre so mit meinem Pferd gefühlt, da er sich immer wieder extrem blöd benommen hat.
Ich habe mich so hilflos gefühlt und wenn er gezuckt hat oder ich Spannung gespürt habe bin ich sofort hektischgeworden, was allesverschlimmert hat.
Meine Trainerin hat dann mit uns erstmal am Boden gearbeiten und stand immer wieder hinter mit "Ausatmen" "Schultern locker" usw und gerade diese Atemübungen haben mir geholfen.
Selbst am Anfang im Gelände, habe ich in Erwartung eines losbockens bei jedem Stolpern etc. die Luft angehalten.
Inzwischen bin auf das Ausatmen so konditioniert, dass ich sobald ich merke, dass mit die Situation gerade "ungut" vorkommt, sofort laut in den Bauch atme. Das hilft wahnsinig. Ich bin zwar manchmal bei Kursenschon damit der Lacher gewesen, wenn mein Pferd sichgerade begann aufzuspulen und ich laut geschnauft habe. Aber wie gesagt es nimmtdie Spannung aus dem Körper und entspannt die Pferde.
Zudem denke ich sind einfache Führübungen mit Weichen lassen etc., bei denen siemerkt, dass sie auch Einwirkung hat bestimmt gut.

Das ganze ist ein Teufelskreis- und zuletzt traut keiner keinem mehr. Übrigens, singen ist auch ein probates Mittel

Aber es ist doch letztlich die Frage, ob sie ihren inneren Schweinehund an die Kette gelegt kriegt. Denn wenn ich das richtig verstanden hab, ist ja auch Arbeit am Boden für sie derzeit schon kaum machbar. Da wird es schwer, sich daraus Erfolgserlebnisse zu ziehen.

Ich schließe mich meinen Vorschreibern an.
In erster Linie muß sie sich darüber klar werden, ob sie bereit ist, hart an ihrer Angst zu arbeiten - und das wird bestimmt nicht einfach - und sich zutraut, es zu schaffen.
Sonst würde ich ihr auch eher dazu raten, das Pferd abzugeben und nach einem passenderen Exemplar zu suchen.

Meine Filo ist ja auch so ein Hinterfrager. Sie braucht ganz klare Grenzen und strikte Konsequenz, sonst tanzt sie dem Mensch auf der Nase herum - erlebe das gerade wieder mit der neuen RB.
Und wenn der Mensch nicht in der Lage ist, diese Konsequenz durchzuziehen, wird er mit so einem Pferd nicht glücklich werden.

Ich schließe mich Euch an und zitiere Herr Goethe, der so treffend schrieb: "Die Geister die ich rief, werde ich nun nicht mehr los".

Lilo war, als er bei uns einzog, so kadavergehorsam, dass er fast schon salutierte, wenn man die Box betrat. Je mehr Freiheiten ich ihm gab, desto schwammiger wurden seine Grenzen. Das war so auch gut und richtig, denn er sollte ja auch aus seiner verklemmten Demutshaltung herauskommen. Aber auch ich habe für einen kleinen Moment den Punkt verpasst, wo der Kadavergehorsam zur Respektlosigkeit umschlug und er testete, wie weit er gehen darf, bis ich neue Grenzen ziehe.

Ich rief seine "Freigeister" und arbeite nun auch immer wieder daran, dass sie sich nicht selbstständig machen.

Ich denke, ich bin Deiner Reitschülerin, Carina, auch sehr ähnlich. Eher leise, vorsichtig, freundlich und entgegenkommend und manchmal zu wenig bestimmt und klar in meiner Aussage, weil ich mich auch gerne auf Kompromisse einlasse.

Insofern glaube ich, dass ein Pferdewechsel auch nur für eine kurze Zeit die heilsbringende Lösung ist. Selbst das sensible und freundliche Lünchen würde, wäre Deine Reitschülerin die Einzige, die mit ihr umgeht, irgendwann an dem Punkt, an dem sie sich sagen würde: "Also wenn Du es nicht weißt, was Du willst, dann mache ich halt, was ich will!" Weil sie die Pferde zu einer Selbstständnigkeit einläd, die dann außer Kontrolle gerät, weil nicht sie dem Pferd, sondern das Pferd sich selbst die Sicherheit gibt, die es eigentlich von der Person erwartet, die es lenkt.

Rufe ich die Freigeister, dann muss ich sie auch noch kontrollieren können, denn sonst regieren sie fortan und ich wünschte mir, ich hätte sie nie gerufen. Also muss ich mich verändern, um mein Pferd wieder dahingehend zu verändern, dass es mir folgt und mich respektiert, denn hier gilt, wie immer: Die Reaktion folgt der Aktion - verändere ich die Aktion nicht, wird sich auch die Reaktion nicht ändern können.

Im Prinzip muss sie sich nun entscheiden, ob sie wachsen will und dann muss sie leider auch an ihrem eigenen Pferd wachsen. Natürlich kann sie das Vertrauen zum Pferd im Allgemeinen durch den Umgang mit dem Lünchen wieder festigen, aber solange sie sich nicht ändert, wird sie an ihrem und an jedem anderen Pferd scheitern, das vor allem sie betreut und ganz schnell wieder Hilfe brauchen, wenn sie die Kontrolle verliert.

Ich will hier nun keine Werbung für meine Kunden machen, aber ich finde den Denkansatz von Dagmar Hacker aus dem Pferdezentrum Pegasos ganz interessant, die auf Positionsarbeit setzt, damit sich der Mensch lernt, sich seinem Pferd gegenüber als der Führende zu positionieren - ohne Dominanzgedöns, Druck, Zwang oder Raschelgertengewedel. Nur indem der Mensch selbst souveräner und klarer in seiner Körpersprache und im Umgang mit dem Pferd wird und wieder die Führung übernimmt.

Vielleicht liegt die Lösung in so einem Training?

Gleich von einem Verkauf zu sprechen, wäre für mich zu früh.

Aber man muß sich selbst an der Nase nehmen und konsequent an sich arbeiten. Gerade bei so einem Pferd dürfen dann in gewissen Dingen keine Kompromisse eingegangen werden. Wie Elchbine schon schrieb sind da schon Kleinigkeiten wichtig, um seine Position dem Pferd gegenüber zu festigen.

Mein Caruso ist ja auch so ein ewiger "Austester". Ich habe schon lange keine Probleme mehr mit ihm aber bei allen anderen Personen probiert er schon gerne aus, wie weit er gehen kann und wie viel ihm durchgeht. Gerade mein Freund, der vor unserer Beziehung keinen Zugang zu Pferden hatte, wurde gerne "bespaßt". Da wurde beim Aufhalftern in den Nasenriemen des Halfters gebissen, gerempelt, beim Führen in die Hacken gestiegen etc. Am gefährlichsten war es aber, wenn die Pferde auf die Koppel gelassen wurden. Da war die Boxentür noch nicht mal ganz offen und er war schon zur Hälfte draussen. Ob da wer stand, war ihm egal. Da sich mein Freund mit Körpersprache nicht auskennt und sich teilweise gar nicht zu helfen wusste, habe ich ihm gesagt, er dürfe ohne Gerte nichts mehr machen und wenn ein leichtes Wedeln auch nichts mehr nützt, dann dürfe er ihm ruhig eine auf die Brust knallen.
Mittlerweile geht es aber auch schon ganz gut, weil mein Freund im Umgang mit ihm auch um einiges sicherer geworden ist.

Vielen dank das ihr mir eure Gedanken zu diesem Problem geschrieben habt.

Verletzt hatte er sich auf der Koppel, sie hatte nichts damit zu tun.
Gekauft hat sie ihn vor 5 oder 6 Jahren, weil er ganz nette Bewegungen hatte und sie mit ihm gut zurecht kam und weil sie sich in ihn verliebt hatte.
Sportlich Ambizioniert ist sie gar nicht, sie möchte einfach nur Zuhause etwas Dressur reiten und ins Gelände, dafür hat sie sich wieder ein Pferd gekauft.

Sie hatte ihre Pferde in einer sehr namhaften Dressuranlage stehen, weil sie da "guten" Unterricht und Beritt für ihre Pferde haben konnte.
Sie wäre auch bestimmt heute noch dort, wenn der Wallach nicht wegen einer Allergie von dort hätte weg müssen.
So kam sie dann zu uns in den Stall.
Sie war sehr an der Reiterei von dieser Anlage orientiert, da sie es auch nicht anders gelernt hatte und erst als sie sah wie wir unsere Pferde arbeiteten, mit welcher Freude diese bei der Sache waren, sprach sie mich auf Unterricht an und seitdem arbeite ich mit ihr. Sie und auch ihr Pferd haben tolle Fortschritte gemacht und waren zwischenzeitlich ein schönes, harmonisches Team.

Am Freitag Abend habe ich mit ihr sehr ausführlich Gesprochen, mit dem Ergebnis:

Das sie alles versuchen will um ihre Angst in den Griff zu bekommen, denn sie will ihn nicht hergeben.

Wir haben Sie jetzt das ganze Wochenende die anderen Pferde machen lassen, sie in ihrer (Körper) Haltung mit diesen korrigiert und es war für sie ein kleiner Befreiungsschlag als sie merkte das es geht und sie selbst wurde deutlich entspannter.

Ein kleiner Erfolg war auch als sie ihren Wallach für mich gestern Abend richten sollte und er nach anfänglichem Unleidig sein, von ihr ein deutliches Nein zu hören bekam und er hatte es vernommen, denn ihre Haltung ihm gegenüber war deutlich und ab da stand er wie ne eins, ließ sich putzen und satteln ohne scharren und giften.

Ich denke wenn wir weiter so an ihr und an ihm arbeiten, werden sie doch wieder ein Team, es würde mich sehr freuen denn ich habe beide ins Herz geschlossen und ich würde mich auch ungern von einem der Zwei trennen.


Liebe Grüße Carina

Carina: Ihr schafft das!