Schwieriges Thema - aber es betrifft so viele Reiter, dass ich finde, man kann sich mal darüber austauschen.
Ich habe in letzter Zeit immer wieder beobachtet - nein, auch schon früher aber dem nicht so viel Beachtung geschenkt - dass Freunde/Bekannte ihr Reiten veränderten - über Jahre betrachtet!
Ich habe erfahren, dass eine Freundin, die ich für eine eher eigentlich gute aber unsichere Reiterin hielt mir berichtet und mit Fotos belegte (eigentlich begann das Gespräch nur über diese Fotos an ihrer WoZi-Wand),
dass sie früher -gar nicht soo lange her- M-Springen geritten ist! Immer rübber über die Oxer! Nullo Schiss! Und nu? Was ist geschehen?
Ich kann es nicht erklären aber es erschloss mir erneut ein Thema, dem ich schon vor etwa 20 Jahren bei einer Bekannten begegnet bin:
"die Angst lähmt das Hirn"
Gute und sturmerprobte Reiter werden zu unsicheren bis ängstlichen Reiter voller Selbstzweifel. Reiter, die zuvor durch den Wald geknattert sind, mit den Pferden im See geschwommen und über Buckler gelacht haben
Ich habe letztens spontan gedacht "mei, das ist wohl so mit zunehmenden Alter". Aber das ist es nicht allein. Das gibt's auch bei deutlich jüngeren Kandidaten.

Und da komme ich jedes mal an eine wunden Punkt meinerseits: ich kann damit so schlecht umgehen. Ich gebe mir Mühe und versuche, es mir nicht so anmerken zu lassen. Ich bin ein empathischer Mensch.
Und: ich habe diese "Problem" eben nicht. Aus irgendeinem Grund hat's mich verschont. Auch ich habe bei Jaleoso gedacht "ein junges Pferd? Höngscht? Au weia!" Aber dann bin ich einfach los"gewandert" und habe
mich durch alle Baustellen gearbeitet. Ohne Angst - trotz Eskapaden und Stürzen.

Ich habe vollstes Verständnis für alle, die eben durchaus berechtigte Bedenken haben - sei es, in's Gelände zu gehen oder was auch immer reiterlich zu machen! Reiten ist gefährlich. Immer. Versteht mich da nicht falsch.
Nur, wenn ich dann mitbekomme, dass der/diejenige schon seit der Jugend reitet und noch vor nicht allzu langer Zeit freudig auf die Stoppelfelder gewartet hat...
... dann fällt es mir eben schwer, diese Wandlung zu verstehen.
Und dann kommt zu dem Schiss-Thema auch noch plötzliche Unsicherheit in Sachen Ausbildung. Woher kommt das? Reitlehrer? Ja, habe ich leider oft genug beobachtet und mich schwarz geärgert!
Zuviel gelesen, Videos geschaut und sich dann unsicher gefühlt, weil vielleicht im richtigen Moment das positive Feedback von Freunden fehlte? Ja, habe ich auch beobachtet. Wenn man dann das gesehene als
"So muss es sein!" betrachtet und nicht "nur" als Anregung für die Arbeit mit dem Pferd, kann es zur Blockade führen. Die Leichtigkeit oder Unbeschwertheit im täglichen Umgang bröckelt dahin.
Das ist - aus meiner Sicht - so schade. Und ich bin immer versucht, den/diejenige an die Hand zu nehmen, möchte aber zugleich auch nicht aufdringlich oder gar übergriffig sein. Auch nicht in Schriftform im Netz.

So - viel geschrieben - ich hoffe, Ihr habt bis hierhin durchgehalten. Und nun bin ich neugierig auf Eure Erfahrungen, Erlebnisse, Gedanken - sei es als "Betroffener" oder "Bekannte-von".
Möchte ein Reiter, der in welcher Form auch immer Schiss hat oder einfach unsicher ist (Ausbildungsweise, -fortschritte) überhaupt geholfen werden? Und wenn ja, wie? Und wenn nicht, wie sagt man es dem "Helfer"?

Ich beobachte diese Tendenz als Trainerin schon seit einigen Jahren. Ich nenne es schrumpfen der Komfortzone. Wie Du sagst Suerte - früher über Stoppelfeldere geknattert, jetzt wird in der Halle nur noch galoppiert wenn die Mondekonstellation stimmt. Früher habe ich das überwiegend bei "älteren" Reiterinnen beobachtet. Oft ohne erkennbaren Auslöser (Sturz, etc.) Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß da die Menopause eine große Rolle spielt ab Ü40. Bei Ü30 ist es dann oft die Mutterschaft.

Seit der Pandemie begegnet mir dieser Ängstlichkeit auch bei jüngeren Schülerinnen. Ich glaube, wir sitzen alle unter einer gewissen "Der Himmel fällt uns gleich auf dem Kopf" Glocke.

In Sachen Pferdeausbildung denke ich, ist der Auslöser die Reizüberflutung - jeder "Depp" stellt sich auf den Sozialen Netzwerken als der Oberguru mit dem einzig "wahren" Weg dar. Das verunsichert viele ungemein. Dann fehlt oft zu Hause die passende Anleitung (bzw. wird diese nicht in Anspruch genommen).

Helfen als Aussenstehender kann man da nur, wenn die jew. Person überhaupt selbst erkennt, daß da ein Problem ist. Und ist der Angstschalter erst mal umgelegt, ist rationales Denken nicht mehr möglich.

Einmal, wie Du schon geschrieben hast: Mutterschaft, Wechseljahre (beobachte ich bei mir). Das Thema unsere Welt wird gefühlt zunehmend unsicherer kommt bestimmt auch noch dazu.

Bei den jüngeren Jahrgängen sehe ich oft Eltern, die ihren Kindern jedes Leid ersparen wollen und jegliche Unfälle vermeiden. Das hat bestimmt Auswirkung auf die eigene Souveränität.

Es gibt auch relativ viele Menschen, die keine gute reiterliche Ausbildung haben, so richtig mit Grundlage und einem ordentlichen Fundament. Vielleicht auch Späteinsteiger... und Reiten ist ein Hobby mit hohem Unfallrisiko, da muss man sich nix vormachen.

Wenn es Menschen erwischt, die ursprünglich Haudegen waren und plötzlich von der Angst regiert werden: Keine Ahnung...

Ich bin mit einer Mutter ohne Angst aufgewachsen, habe Erlebnisse mit Pferde und Unfällen gehabt, wo heutige Eltern die Reißleine ziehen würden, oder das Jugendamt eingeschaltet würde aber diverse Erlebnisse im mittleren Alter haben das eingedämpft. Ich bin nicht mehr so sorglos wie früher. Und mein aktuelles Pferd (hochgezüchteter Warmblüter mit viel Schiss in der Buxe und schnellem Antritt) hat mir da zeitweise einiges an Schneid abgekauft!

Vielleicht ist es auch die Überschätzung des eigenen Vermögens an irgendeiner Stelle des reiterlichen Lebens. Das nächste Pferd soll dann doch der Kracher werden, (weil man das Ende seiner Reiterkarriere aus Altersgründen schon sehen kann) Und dann stellt man fest, das Vieh ist doch wesentlich agiler als vorstellbar...
Ich bin zB relativ lange vor meinem jetzigen Wallach alte Pferde geritten (der eine wurde alt, der zweite alt eingekauft) Da lernt man mächtig dazu wo die eigenen Grenzen sind, wenn dann etwas junges im Stall steht und vor Kraft nur so strotzt!!!

Was toll ist, man kann sich heute gut helfen lassen, und davor haben viele Menschen noch mehr Schiss als vor dem Schiss selber. Merkwürdigerweise. Dabei helfen diese Coachings!

Interessantes Thema!

Schwarztier, ich kann mich nur anschließen. Mit Anfang 40 nen 4-jährigen PRE aus Arbeitslinien gekauft. Der war jahrelang mit seinem Körper (und mit mir ;-) ) völlig überfordert und ist regemäßig völlig ausgetickt. Der hat mir den Schneid ab gekauft, sag ich Dir! Mit 9 wurde er ansprechbar, jetzt 13-jährig ruht er endlich in sich. wir haben uns über viele Jahre zusammengerauft.

Ich nehme auch Coachings einer Mental Trainerin in Anspruch. Das würde auch vielen meiner Schüler helfen, aber da sitzt die nächste Blokade im Hirn.

In meinem aktuellen Pensionsstall gibt es Schulbetrieb, überwiegend für Kinder. Da spielen sich Dramen ab. Stichwort: Helikoptereltern ;-)

Das man im Alter ruhiger und vorsichtiger wird, gar kein Thema. Aber was ich häufig sehe und völlig erschreckend finde ist, wie in meinem ersten Post geschrieben , dieses schrumpfen der Komfortzone: erst wird im Gelände nicht mehr galoppiert. Dann dort nur noch Schritt geritten. Dann wird in der Bahn nur noch bei korrekter Mondkonstellation/Mitreitern/auf der Anlage anwesenden Personen/usw. galoppiert. Irgendwann wird nur noch am Boden gearbeitet und spazierengegangen. 2x im Jahr wird dann schon lamentiert, daß man ja gerne mal wieder rausgehen/galoppieren, was auch immer machen möchte - passieren tuts nicht, und wenn, dann gehts logischerweise in die Hose, weil keine korrekte Vorbereitung da war.
Und man merkt, daß die Menschen nicht glücklich sind, aber auch nicht in der Lage, über ihren eigenen Schatten zu springen ...

Genau Eowyn: das ist, was mir auch so auffällt. Auch ich kenne diverse Pferdebesitzer, die eigentlich reiten wollen/wollten und sich inzwischen auf
Pflegearbeiten und bestenfalls Bodenarbeit beschränken, dabei aber immer wieder sagen "Würdest Du mich mal mit in's Gelände nehmen mit Jaleoso?"
letztendlich aber dann ein, zwei RBs engagieren. Was ja klasse ist für die RBs! Aber irgendwie war's ja nicht so gedacht ...

Meine damalige Mitpferdebesitzerin war anfangs so blockiert, dass die tutenbrave Castana sich anstecken ließ und in der Halle durchging - immer wieder.
Es war ein langer, tränenreicher Weg, bis es von einem auf den anderen Tag Klick machte und E. mit ihr alles machen konnte - incl. alleine verladen, in die Heide zum ausreiten fahren,
Spalier-stehen vor der Kirche usw!

Eure Beiträge spiegeln alle meine Gedanken und Erfahrungen wieder. Ich habe herzlich geschmunzelt über die jungen, heißen Feger, die einem das Fürchten lehren!
Ich bin gespannt auf weitere Gedanken!

Ich glaube, die Bereitschaft oder der Mut zu sagen: "Ich brauche Hilfe um meinem Hobby zufriedenstellend nachzugehen" fehlt vermutlich bei einigen Reiter*innen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Oder mal so etwas lustig-anstrengendes zu machen wie ein Fallkurs (mein Gott war mir danach schlecht, und diese eckigen Purzelbäume …)

Was mir auch auffällt, wieviele Menschen außer acht lassen, dass Reiten ein echter Sport ist. Und ich glaube, dass das auch am Selbstbewußtsein nagt und die Angst stetig nährt, wenn man körperlich in weniger guter Verfassung ist.

Ich bin ja eher der Späteinsteiger ( erst mit 27 angefangen) und ich hatte am Anfang Angst im Galopp. Vor der Geschwindigkeit, davor runter zu fallen... aber je länger ich reite, desto besser sitze ich und desto weniger angst habe ich. Weil ich erfahren habe: ich kann kleine hüpfer oder stolperer gut sitzen und komme nicht in Wohnungsnot. Das gibt mir Sicherheit. Und Pferdi wurde mit den Jahren ja auch immer ausbalancierter , dementsprechend wurde das galoppieren auch immer angenehmer.

Das Thema mit dem schwindenden Mut habe ich ja auch - siehe Tagebuch. Aber was mir (noch) vollkommen klar ist: dass das nicht mein Handeln bestimmen darf, zumindest nicht komplett. Ok, ich bin 50 und es darf langsamer gehen als vor 20 Jahren. Aber ich möchte einfach nicht, dass ich auf die Dauer solche Dinge wie in allen Gangarten auf dem Platz und im Gelände reiten nicht tun kann. Ich muss einen Weg finden, trotz des schwindenden Mutes. Das ist vermutlich belastender als wenn ich dem nachgeben würde und sagen, dass ich diese Dinge dann einfach nicht mehr mache. Aber das ist nun einmal Teil des Weges mit einem eigenen Pferd. Bin mir aber nicht sicher, ob ich das in 10 Jahren noch genauso sehen werde, und vermutlich wird dann auch das ok sein.
Eigentlich war Angst in meinem Leben nie ein großes Thema. Mir war mein Leben nämlich viele Jahre lang ziemlich egal, so auch in der Zeit, als ich mein erstes Jungpferd hatte, vor 20 Jahren. Heute finde ich das Leben eigentlich ganz schön und habe so einige Verluste erlitten. Da ist das Angstthema vermutlich größer, weil ich gefühlt mehr zu verlieren habe. Das mag eine Rolle spielen. Aber sie sollte nicht die Kontrolle übernehmen.

Zitat von jaara2008 im Beitrag #12

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Durch sie habe ich etwas den Blick verloren für Situationen, die Angst machen könnten.

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Fremde Pferde eher zu reiten als Eigene, ist mir völlig unverständlich. Ich reite ungern fremde Pferde oder brauche etwas , um mich heranzutasten.
Die Mutterschaft ist definitiv ein Kreterium, reitet der Zwerg doch immer Huckepack mit, bei Josy wars dann später auch die Sorge, dass sie zu ihrem Vater muss, wenn mir etwas zustößt. Ja nun ist sie 13 und der nächste Floh klopft an.
Ich konnte meine Sorgen aber doch immer recht gut überwinden und habe die Dinge trotzdem mit mehr Vorsicht angegangen. Bei mir wars hauptsächlich das Springen. Ja dann eben keine A** mehr , sondern nur E, bis alles sicher sitzt. Leanero ist aber kein Springer. Ihm fehlt das Herz, und wenn demmReiter das Herz ebenfalls fehlt, wirds schwierig, so reiten wir dressur erfolgreich A** und sind beide Glücklich damit. Zu hause machen wir nach wie vor auch den ein oder anderen Sprung oder Gymnastikreihen, weils einfach wichtig ist.

Beim Springen fehlte mir schon immer ab einer gewissen Höhe der Mut, und das wird mit zunehmendem Alter nicht besser. Trotzdem möchte ich mir das nicht nehmen lassen. Ich sehe manches dann als persönliche Herausforderung, wie z.B. die Blumenbank, die ich mich im letzten Training bei Siegfried endlich getraut habe (hat 3 Jahre gedauert...). Wenn man sowas dann doch gemeistert hat, macht einen das ja auch stolz.

Zum Glück hält sich die Angst beim Reiten sehr in Grenzen - wobei es z.B. Strecken gibt, die ich früher einfach so durchgaloppiert bin, und heute denke "wie konntest Du nur!" Das hängt aber wohl auch mit meinen Sturzerlebnissen mit Lana zusammen.

Ich glaube, wenn ich immer mehr beim Reiten nicht machen könnte wegen Angst, dann würde ich es auch komplett drangeben.

Das ging mir vor einigen Jahren beim Skifahren so. Da stand ich oben am Hang, und dachte nur, daß ich da eigentlich nicht runterfahren will (bei Pisten, die ich vorher schon oft genug gefahren war). Wenn ich das nicht abgestellt bekommen hätte, würde ich nicht mehr Skifahren.

So hatte ich mal eine RB (die dann später ein eigenes Pferd bekam, auf dem ich auch mit ihr Unterricht machte), die grundsätzlich immer Angst hatte beim Reiten. Sie stieg schon mit einem flauen Gefühl auf. Da habe ich mich immer gefragt, warum sie es trotzdem macht.