Ich hatte an anderer Stelle bereits einmal erwähnt, dass ich mir das Buch "Kulante Konsequenz" von Michael Geitner bestellt hatte - und inzwischen habe ich es nicht nur gelesen, sondern auch versucht, es mir zu verinnerlichen.

Zuerst war ich skeptisch, denn das Buch wurde 2008 verlegt und meine Überlegung war durchaus, ob nicht manche der Erkenntnisse längt überholt und widerlegt wurden. Meine Bedenken waren auch, dass es eher eine Art "Memoiren" sind, den der Untertitel lautet: Mein Weg zu den Pferden.

Aber ich war vor allem neugierig, wie Kulanz und Konsequenz sich vereinen lassen, denn Konsequenz ist für mich ja eher die Richtlinie, die nicht überschritten wird und als Kulanz würde ich eher sehen, dass sich die Richtlinie sich auch mal verschieben darf.

Darum war ich dann auch positiv überrascht, als ich feststellte, dass ich im Umgang mit meinen Pferden tatsächlich konsequent und dennoch kulant sein kann - also so, wie Mike Geitner das definiert.

Konsequent zu sein bedeutet, dem Pferd eine Aufgabe zu stellen und deren Ausführung auch als Ziel zu erreichen. Kommt die Kulanz nun dazu, dann entscheidet aber das Pferd, wann es bereit dazu ist, die Aufgabe zu erfüllen.

Das klingt nun arg nach Wattebäuschchenwerfen ... wenn Du halt nicht magst, lassen wirs halt sein.

Aber genau das wäre ja nicht mehr konsequent

Also stellt man dem Pferd die Aufgabe, mit dem Ziel, dass es sie erfüllt, aber man setzt kein kurzfristiges Zeitlimit, sondern akzeptiert, wenn das Pferd heute einen kleinen Schritt in die richtige Richtung macht, lobt es und ist nicht enttäuscht, wenn das Ziel am ersten Tag nicht erreicht ist, sondern man setzt sich und dem Pferd ein Zeitlimit, das niemanden drängt oder Druck aufbaut, aber das es möglich macht, dass das Ziel in einem überschaubaren Zeitrahmen erreichbar ist.

Ich habe das mit dem Dropsi getestet und muss Herrn Geitner meinen Dank aussprechen, dass er mir ein weiteres Türchen zu meinem Pferd geöffnet hat.

Der Dropsi hat ja immer mal wieder das Problem, dass das Aufheben einer seiner Hinterhufe ihn manchmal triggert. Ich gehe davon aus, dass er wohl beim Hufaufheben wegrutschte und hinfiel, denn in der Box gibt er alle Hufe problemlos - auf dem Pflaster ist er extrem unsicher. Nun waren wir zwar nach dem "Zehensprung" bei dem er mir meinen kleinen Zeh brach, weil er auf meinem Fuß bremste, lange Zeit damit beschäftigt, die Bilder aus seinem Kopf zu bannen und wieder Vertrauen zu schaffen. Er ist ja zu allem hin ein Pferd, das alles richtig machen will, aber wenn er glaubt, einen Fehler gemacht zu haben, sofort panisch wird und Strafe erwartet. Dass ich ziemlich sauer auf ihn war, konnte ich nicht vor ihm verbergen - dazu tat mein Fuß viel zu weh. Aber für ihn war der Vorfall vermutlich genauso schlimm - wenngleich auch nicht schmerzhaft, aber er wollte den Huf nicht mehr aufheben. Vermutlich war er sicher, dass er wieder ausgleitet und ich dann wieder rumschreie.

Vor einem Jahr hätte ich aber wohl trotzdem versucht, seinen Huf aufzuheben - und wenn wir Stunden dafür gebraucht hätten.

Irgendwann verlegte ich diese Übung dann aber in die Box, weil sich der Dropsi dort einfach wohler fühlt und den Huf problemlos gibt. Das Problem dabei war aber immer, dass ich die Hufe zwar auch in der Box rasch rundraspeln konnte, aber kein Schmied der Welt sich darauf eingelassen hätte, dem Pferd die Hufe in der Box zu machen.

Wir mussten also auf dem Pflaster üben.

Ich bemühte mich, ganz kleinschrittig vorzugehen und sechs Wochen nach unserem Unfall konnte ich auch wieder alle Hufe aufnehmen, beraspeln und auskratzen.

Dann war aber neulich der Boden im Hallenvorplatz sehr feucht ... und prompt rutschte der Dropsi beim Aufheben des "schlimmen" Hufes weg und verlor auch kurzzeitig das Gleichgewicht. Er fing sich zum Glück wieder, aber wir standen nun wieder vor dem gleichen Problem.

Natürlich ist unser erstes Ziel, dass er mehr Gleichgewicht findet, respektive wieder Vertrauen zum Pflaster findet und nicht sofort panisch wird, wenn er glaubt, dass der Boden ihn wegrutschen lässt. Darum soll er nun auch regelmäßig auf den Balancepads stehen - was er momentan mittelmäßig gut findet, denn seinen Huf auf etwas zu setzen, was ihm sowieso suspekt ist, findet er ziemlich gruselig.

Aber nun greift die kulante Konsequenz.

Ein Pad liegt in der Halle und er muss nicht draufstehen oder drüberlaufen, sondern nur drumrum gehen. Das ist die Aufgabe. Mehr nicht. Dabei bin ich konsequent, aber ich sage ihm auch, dass er irgendwann auf diesem Pad stehen wird. Nicht heute, nicht morgen, aber ganz sicher werden wir es im März schaffen, dass er mit einem Huf auf einem Balancepad stehen wird.

Wir haben also keinen Druck, aber wir üben jeden zweiten Tag, dem Pad näher zu kommen. Zeigt er mir, dass er sich traut, drüber zu laufen, dann darf er das - er muss es aber nicht, bis er dazu bereit ist. Das ist die Kulanz.

Tatsächlich habe ich auch angefangen, ihm die Schritte unseres Vorgehens zu erklären. Nicht wortreich, aber einfach und für ihn verständlich. Er versteht, wenn ich ihm sage: Du musst nicht, aber Du darfst. Du musst nicht heute. Du darfst, wenn Du Dich traust und dazu bereit bist, dem Pad zu vertrauen. Aber Du wirst es im März können, weil Du mutig bist.

Vermutlich wird er sich sogar schneller mit dem Pad arrangieren und er kennt das Ziel, aber ich dränge ihn nicht, sondern gebe einen sehr realistischen Zeitrahmen vor, der problemlos machbar ist und ihn nicht in Stress versetzt (und mich auch nicht).

Das Aufheben der Hufe auf dem Pflaster läuft ganz ähnlich. Ich stelle ihn in den Hallenvorraum und gehe ganz entspannt rund um ihn herum, hebe jeden Huf einmal auf, lobe ihn und damit hat er die Aufgabe bereits erfüllt und wir haben ein Erfolgserlebnis zu feiern und gehen halt für alles andere rund um die Hufe in seine Box, bis er bereit ist, dem Pflaster zu vertrauen, dass es ihn nicht umhaut. Das darf auch noch vier Monate dauern - wenn der Dropsi schneller bereit ist, freue ich mich, aber ich erwarte nichts, was ich nicht konsequent durchsetzen kann, sondern biete ihm meinen sehr kulanten Zeitrahmen an, den er ausnutzen darf.

Die ganz kleinen Schritte, die uns zum Ziel führen, üben wir jeden zweiten Tag - auch konsequent. Dazu muss ich mein Pferd natürlich sehr gut einschätzen können und wissen, was ich ihm an nächsten Aufgaben zumuten darf. Das ist beim Dropsi nie ganz so leicht, weil er sehr spontan reagiert, wenn er sich getriggert fühlt. Aber ich merke, dass er mir "zuhört" und mir vertraut, dass ich nicht mehr verlange, als er mir anbieten kann. Wenn ich merke, dass er einen schlechten Tag hat, gehen wir auch mal einen Schritt zurück - das ist kulant, aber es schützt auch die Konsequenz, denn ich kann nur konsequent durchsetzen, was der Dropsi sicher kann und versteht und was er anbieten will.

Ich vermute trotzdem, dass die kulante Konsequenz nicht für jedes Pferd passt, aber beim Dropsi funktioniert es.

Hattet Ihr schon Erfahrungen mit der kulanten Konsequenz?

Naja, ich arbeite ja nie konkret an Tageszielen, in die ich dann eine Kulanz einbauen könnte.
Aber: mein Umgang mit meinen 3 Pferden beruhte immer auf diese beiden Begriffe. Ich erwarte immer Aufmerksamkeit und den Versuch, mich zu verstehen. In wieweit das Verstandene dann umgesetzt wird, ist Verhandlungssache und abhängig von vielen Faktoren wie Wetter, Umgebungsstress, Kritik an mir selbst und Lust/Unlust des Pferdes. Ich bin da recht offen, habe aber auf dem Weg doch recht viel erreicht.
Alle drei Pferde waren/sind freudig und engagiert bei der Arbeit und kamen eigentlich recht schnell voran. Alle waren/sind bombensichere Geländepferde,
ließen sich gut verladen, waren brav beim Tierarzt und im allgemeinen Umgang. Ich denke, dass man dem Pferd durchaus Kulanz und Mitspracherecht
gewähren darf, ohne gleich Angst zu haben, dass es einem aus dem Ruder läuft. Andererseits habe ich es auch immer mal akustisch krachen lassen, wenn ich
unbedingten Gehorsam brauche und grad nicht bekomme. Und siehe da, meine Ponnies haben stets den Erst erkannt und die Hacken zusammen geschlagen.
Sie haben halt gelernt, mich zu "lesen" und einzuschätzen. Ich finde, das ist ein faires Miteinander.

Ich bin absolut bei Dir, liebe Susanne. Darum schrieb ich auch, dass es vielleicht auch nicht bei jedem Pferd passt. Lilo ist auch eher einer von der Sorte, der auch mal eine deutliche Ansage braucht, wenn er es mit den Heiterkeitsausbrüchen übertreibt. Wobei es eben bei ihm auch kein konkretes Ausbildungsziel mehr gibt, das ich mit kulanter Konsequenz erreichen könnte/ müsste/ sollte.

Bei ihm ist es wie bei Deinen Pferden: Er kennt und liest mich und was sein muss, akzeptiert er auch ohne dass er die Aufgabe hinterfragt.

Lilo macht auch nie Anstalten, sich zu wehren, wenn der Tierarzt, Hufschmied, Pferdezahnarzt, Osteopath ihn behandelt und für ihn sind auch die Balancepads keine Herausforderung ... er stellt sich drauf und fragt nicht nach dem Grund ... nur nach der Möhre, die es zur Belohnung gibt Ob im Gelände, beim Verladen, beim Gereit, an der Hand oder beim Longieren: Lilo ist - genau wie Dein Jaleoso für Dich - meine Lebensversicherung. Klar muss er hin und wieder mal zeigen, dass auch er eine Meinung hat, aber die darf er auch haben und das führt nie dazu, dass er mich gefährdet ... und wie Du schreibst: Wenn es ernst wird, weiß er das und salutiert. Er ist zwar auch ein Schelm, der immer mal wieder die Demarkationslinie mit der Hufspitze zu überschreiten probiert und würde ich ihn dann nicht daran erinnern, dass es Gesetze gibt, die immer gelten und bei denen es auch keine Kulanz gibt, würde er ganz sicher sein Hüfchen immer weiter über die Demarkationslinie schieben, bis der ganze Lilo darüber marschiert wäre Darum gilt dann: Wehret den Anfängen! Wobei er tatsächlich auch unterscheidet, wen er testet, denn holt ihn meine Tochter rein, käme er nie auf die Idee, durch Tor zu galoppieren. Bei Micha ist das für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass er durchs Tor prescht und mich fragt er hin und wieder, ob er wirklich Schritt gehen muss. Ja, muss er

Aber genau weil Lilo und die Pferde, die mich zuvor als meine "persönlichen Reitpferde" begleiteten, eben immer so unkompliziert und leicht auszubilden waren, brachte mich der Dropsi hin und wieder an den Rand der Verzweiflung, denn einen wie ihn hatte ich noch nie. Das mag daran liegen, dass meine Pferde eigentlich immer jung und unverdorben zu mir kamen und keine Altlasten mitbrachten und sich der Dropsi mit dem Päckchen an Erlebtem schwer tut, den Menschen zu vertrauen, respektive im Zweifelsfall dann doch lieber die Flucht ergreift.

Wenn man dann glaubt, einen großen Schritt geschafft zu haben, weil das Hufe auskratzen/ bearbeiten wochenlang problemlos funktioniert und plötzlich wieder am Anfang steht, weil der Dropsi sich in eine Situation gedrängt fühlt, die er als ungut in Erinnerung hat, respektive die ihn an ein unschönes Erlebnis erinnert, das er dann auch erwartet, dass es sich wiederholt, schlagen alle Frustwellen über dem eigenen Kopf zusammen und man zweifelt an sich und daran, dass aus dem Pferd, um das man sich so sehr bemüht, doch noch ein "normales" Pferd wird.

... dann greift man nach Strohhalmen, die vielleicht helfen, einen besseren Weg zu finden und ein Türchen zum Pferd zu öffnen.

So ein Strohhalm war für mich das Buch "Kulante Konsequenz".

Für Lilo und seine Vorgängerseelenpferde hätte ich das Buch nie als "Ausbildungshilfe" bestellt - da war ja immer alles ganz einfach. Ich hatte zwar auch Ziele, die ich beim Training erreichen wollte, aber die Pferde schenkten mir den Erfolg ... ich glaube, Lilo hat innerhalb von 10 Minuten den spanischen Schritt unter dem Sattel gezeigt und sich selbst gefeiert, als ich ihn begeistert lobte. Klar hat er auch seine "Motztage" an denen wir die Einheiten verkürzen. Oder die Equikinetik abbrechen, weil es so stürmt, dass es beim Lärm in der Halle schwer ist, sich zu konzentrieren und selbst ich fürchte, dass das Dach gleich wegfliegt. Dann zwinge ich kein Pferd, seine Furcht zu überwinden und lasse mal Fünfe gerade sein - ich bin sicher, dass das nicht dazu führt, dass Lilo gleich nach der Weltherrschaft strebt, nur weil er ausnahmsweise nach sechs Intervallen aufhören durfte.

Beim Dropsi ist aber alles anders.

Der Umgang mit ihm ist immer aufs Neue ein Balanceakt auf dem Drahtseil. Er braucht Struktur und Routine, damit er sich sicher fühlen kann ... Lilo hingegen braucht die Abwechslung, weil ihm sonst langweilig wird und er eigene Ideen entwickelt, um den Spaßfaktor zu erhöhen

Mike Geitner hat zu jener Zeit, als er das Buch schrieb, seine Erfahrungen und Erkenntnisse vor allem aus dem Training seiner Galopper gewonnen. Bei hochsensiblen Leistungspferden, deren Programm sich vorwiegend auf dem Oval der Rennbahn abspielt, wo es nur darum geht, der Schnellste zu sein, kann ja schon die Startmaschine zum K.O.-Kriterium in diesem Sport werden, wenn das Pferd nicht reingehen will.

So wie es im Buch klingt, kamen die Rennpferde auch meist mit einer Vorgeschichte zu Mike Geitner und somit hatte auch er immer wieder Altlasten aufzuarbeiten ... wie eben die Startmaschine oder den Führring, in dem ein Pferd sich stets so aufregte, dass er seine ganz Kraft bereits im Vorfeld verpulverte und sich schlussendlich sogar selbst in Gefahr brachte, als er durchging und mit einem parkenden Auto kollidierte.

Und ich denke, dass er genau darum und genau wie ich, aus dieser Verzweiflung heraus, dem Pferd einen Weg zu zeigen, der ihn und seinen Galopper zusammenführte, mit Trainingsmethoden experimentierte - was ihn dann zur kulanten Konsequenz führte, die auch ihm die Tür zu seinen Pferden öffnete und seinen Weg zu seinen Pferden prägte.

Ich weiß nicht, ob der Dropsi je ein "normales" Pferd wird, ob ich ihn je reiten werde oder ihn Freund nennen darf, aber der Weg des konsequnt verfolgten Trainingsziels, das in einen kulanten Zeitrahmen eingebunden wird, scheint ihm sehr gut zu tun.

Ich habe dieses Buch bei mir liegen, und irgendwie immer noch nicht gelesen... sollte ich vielleicht endlich mal tun!

Ich habe mich damals auf der Messe jedenfalls von dem Titel sofort angesprochen gefühlt, und das Buch deswegen gekauft, weil es irgendwie für mich so klang, wie ich mir vernünftiges Vorgehen vorstelle - Konsequenz, auch für das lernen und umsetzen des Pferdes, Kulanz, weil ich eben auch nicht Dinge "auf biegen und brechen" beibringen wollte... ok, das Buch wird zwingend als nächstes gelesen. Danke, @elchbine für den Anstoss dafür

Immer gerne

Ich mag den Stil des Buches, in dem die Trainings weg in die Geschichten aus den eigenen Erfahrungen von Mike Geitner eingebunden sind - so liest sich das Buch wie eine Geschichte und ist damit eher "seichtere Kost", für die man auch mal nur zwei Seiten vor dem Einschlafen vornimmt, ohne dass man beim nächsten Lesen beide Seiten nochmal lesen muss, um sie zu verstehen.

Der Leser oder die Leserin erfahren, wie Mike Geitner aufwuchs - natürlich mit Pferden - und dass er aber genau wie mein Töchterlein, in seiner Jugend so eine hohe Dosis Pferd bekam, dass er eigentlich viel lieber mit schnellen Autos als mit Pferden zu tun hatte. Sein Vater starb früh und Mike musste der Mutter im Reitbetrieb helfen - auch ein Thema, durch das er sich eher von den Pferden distanzierte, als darüber nachzudenken, dass sie irgendwann wieder sein Leben bestimmen würden.

Im Buch gibt es viele nostalgische Fotos und man fühlt sich wirklich in seine Vergangenheit mitgenommen.

Wer es weniger persönlich und eher fachlich unverschnörkelt mag, wird sich mit dem Buch eventuell nicht unbedingt anfreunden. Aber ich finde, dass es gerade sein Weg zu den Pferden ist und dass er die Leser auf diese Reise mitnimmt - mit allen Höhen und Tiefen, Misserfolgen, Erfolgen, Rückschlägen und Experimenten - sodass man auch gut nachvollziehen kann, warum er ständig auf der Suche nach der Lösung war und keine Mühen scheute, sie zu finden. Er beschreibt auch seine Bemühung, seine Wege durch wissenschaftlich fundierte Universitätsgutachten beweisbar und nachvollziehbar zu machen.

Genau dieses intensive Beschäftigen mit dem Pferdekörper, der Pferdeseele und der Pferdepsyche schaffte bei mir bereits im Ursprung meiner Entdeckung der Dualaktivierung das Vertrauen, dass seine Thesen nachvollziehbar und belegbar sind.

Ich habe das Buch recht schnell durchgelesen und mich ertappt, dass ich dabei sehr oft an den Dropsi dachte und nickte, wenn Mike Geitner von seinem Seelenpferd Prairie Almondo schrieb und die Niederlagen und Erfolge mit seinen Lesern teilt.

Ich denke, wenn ich den Dropsi nicht hätte, wäre das Buch für mich nicht wirklich spannend oder hilfreich gewesen, denn wie schon Susanne schrieb: Wenn man das Glück hat, dass die Pferde, mit denen man sein Leben teilt, von einem selbst geformt wurden und man im Grunde keine Altlasten aufarbeiten muss, die das Pferd triggern und sich über ein gehorsamen und freudvoll mitarbeitenden Partner Pferd freuen darf, denkt man eher nicht über kulante Konsequenz nach. Meistens fließt sie sowieso ins Training ein, ohne dass man dem Kind einen Namen geben muss.

Wird man aber nach Jahren des Zusammenseins mit unkompliziert "funktionierenden" Pferden mit einem Pferd konfrontiert, das einem immer wieder an sich selbst und den eigenen Fähigkeiten, ein Pferd zu händeln, zweifeln lässt, dann ist man gezwungen, über andere Wege nachzudenken, weil das Pferd eben ganz anders tickt.

Irgendwie steht man dann ja auch immer zwischen Stuhl und Bank mit seinen Gedanken. Darf man dem Pferd das Verweigern der Zusammenarbeit mit dem Menschen durchgehen lassen? Riskiert man damit vielleicht, dass es einem auf der Nase rumtanzt, wenn man sich nicht durchsetzt? Ist es wirklich Angst oder Anstellerei? Überfordere ich das Pferd oder testet es mich gerade?

Man ist irgendwann so verunsichert, weil man nicht weiß, ob man überhaupt etwas richtig macht, denn der Erfolg ist entweder nur von kurzer Dauer oder er stellt sich gar nicht ein und man hat das Gefühl, dass die Distanz zum Pferd sich immer mehr vergrößert und man keinen Weg mehr zu ihm findet.

Wie ich schon schrieb: Solche Gedanken waren mir vor Dropsis Einzug so fern wie die Sonne von der Erde, denn ich hatte das Glück, immer junge Pferde ausbilden zu dürfen, die ich entweder selbst gezüchtet hatte oder die noch unbefangen und ohne Altlasten zu mir kamen. Gewiss bemühte ich mich immer, das Pferd das Lerntempo bestimmen zu lassen und kein Pferd zu überfordern. Konsequenz war mir immer wichtig - im positiven Sinn, weil sie dem Pferd die Sicherheit gibt, dass wenn es sich an die Regeln hält, es im Wohlfühlbereich bleibt. Aber wenn es die Regeln nicht beachtete, es eben auch ein ernstes "Mitarbeitergespräch" gab, um die Positionen zu klären.

Ich bin sicher, dass ein Pferd genau weiß, wenn es die Demarkationslinie überschritten hat und auch akzeptiert, wenn es dann zurechtgewiesen wird, ohne dass es dadurch einen psychischen Schaden nimmt - zumindest war das meine Überzeugung vor der Dropsi-Erfahrung.

Und dann zog eben der Dropsi ein, der mich mit Panikattacken überraschte und zitternd an der Boxenwand klebte, wenn ich lauter wurde ... oder wenn er das Gefühl hatte, dass er einen Fehler gemacht hat.

Natürlich versucht mal erst mal, ihn nicht zu triggern, aber irgendwann kommen eben die besagten Gedanken, dass es vielleicht Anstellerei ist, einen das Pferd testet oder eben einfach stur ist und die Ausbrüche nicht panikbedingt sind, sondern das Pferd gelernt hat, dass es damit durchkommt und in Ruhe gelassen wird ... und dann überlegt man, ob man doch mal "Kante beweisen" muss.

Ich habe damals die furchtbare Geschichte mit Euch geteilt, als ich dem Dropsi auf der Weide die Decke abnehmen wollte und dabei ein Gurt gegen seine Hinterbeine schlug, woraufhin er davonpreschte und schlussendlich so in die Beinschnüre verwickelt war, dass er stehen bleiben musste. Zuvor war er in seiner panischen Flucht vor das Metalltor gekracht und hatte sich dabei sogar leicht verletzt.

Da schwebt man als Mensch zwischen Sorge und Wut und Ruhe zu bewahren ist sicher ein guter Tipp, aber wenn man stundenlang versucht, an das Pferd heran zu kommen und die Situation immer mehr eskaliert, ist man einfach nur noch verzweifelt und fragt sich, ob man sich und dem Pferd vielleicht einen Gefallen tut, wenn man es behält. Ich habe mehr als einmal überlegt, ob ich ihn zurückgebe, weil er mich immer wieder an meine Grenzen brachte.

Im Nachhinein betrachtet, habe ich das Gefühl, dass sich vieles mit der Equikinetik, respektive der EquiClassicWork änderte.

Aber trotzdem gab es eben immer wieder massive Rückschritte und die Gedanken, ob ich den richtigen Weg gefunden habe, zu weich oder zu hart bin, der Dropsi mich testet oder ihm eben doch das Vertauen fehlt und ich erst mal daran arbeiten müsste, unsere Bindung zu festigen, bevor ich von ihm verlange, dass er mir beispielsweise auf Verlangen seine Hufe gibt.

Darum war das Buch von Mike Geitner "Kulante Konsequenz" für mich eine Art "Türöffner" zu ihm - weil er eine sehr geringe Toleranz zeigt, wenn er sich überfordert oder gestresst fühlt und ich den Druck rausnehmen kann, wenn ich ihm einen kulanten Zeitrahmen vorgebe, aber das Ziel trotzdem konsequent verfolge.

Es hilft mir, nicht das Gefühl zu haben, dass ich ihm alles durchgehen lasse und er dann über alle Stränge schlägt, denn das Ziel ist definiert und das verfolge ich konsequent, aber ohne diesen Druck, dass alles sofort funktionieren muss, damit er sich nicht mit seinem Willen gegen meinen Willen durchsetzt. Er bekommt die Zeit, die Aufgabe zu verstehen, ohne dass ich das Gefühl habe, nicht voran zu kommen, weil wir nun die ganz kleinen Schritte feiern und die Erfolge greifbar werden.

Darum war das Buch für mich lesenswert. Ob ich so empfinden würde, wenn ich keinen Dropsi hätte, weiß ich nicht.