Ich muss gerade mal wieder ein wenig in die Tischkante beißen bei einem Video, das mir FB unbedarfter weise als "das könnte Dich auch interessieren" angezeigt hat.

Da erklärt eine sehr sehr junge Frau, dass sie ein neues Pferd in die Herde bekommen haben, die ihr ständig "die kalte Schulter zeigt", sich rüpelig und tyrannisch benimmt - und wie sie das toll korrigiert

Die besagte "rüpelhafte" Stute steht also auf dem Video schräg hinter dem Mädchen, guckt freundlich und interessiert und spielt locker mit den Ohren. Wann immer sich das Mädel vom Pferd weg bewegt, kommt ihr das Pferd ruhig hinterher und hält wieder mit Abstand zu ihr an. Nur wenn sich da Mädchen bei der Bewegung zum Pferd umdreht, dreht sich auch die Stute mit und parkt sich "Kruppe voraus" neben dem Mädchen ein.
Dabei ist kein einziges Mal eine Drohgebärde zu sehen, sondern die Stute steht entspannt neben ihr, schildert dabei hin und wieder hinten und guckt sich die Gegend an, während sie darauf wartet, dass das Mädel kapiert, dass sie gerne den Po gekrault haben möchte....

Ich finde nicht nur die Erklärung und die "Korrekturmassnahme" im Sinne von "einfach ignorieren und weg gehen, dann hört das Pferd von selber auf" zum sehr bedenklich, sondern auch die ca. 1200 Kommentare drunter, bei denen gefühlt die Hälfte das Mädchen bestärkt Und diejenigen, die auch der Meinung sind, dass das Pferd eigentlich nichts tut werden in einer Art niedergemacht werden, dass man sich echt fragt, ob es heutzutage überhaupt noch irgendwo Einsicht und Toleranz gibt


sorry - mir war gerade etwas nach nörgeln und jammern

weder gucken sie hin, noch hören sie zu - aber sie zücken das Handy, machen ein Video und verkünden Schwachsinn, das dann auch noch supertoll gefunden wird

Selbst wenn die wollte, würde die nix dazu lernen, weil ja so viele ihren Mist liken und bestätigen.....


seufzt abgrundtief

Ich habe mein Telefon eigentlich immer mit im Stall und nutze es auch gerne zum fotografieren oder um kurze Videos zu machen. Einfach weil ich es nett finde, mein Forum Tagebuch damit aufzufüllen und die Fotos oder Videos nach Jahren zu gucken. Oder um in Notfällen rasch Kontakt aufnehmen zu können.

Aber grundsätzlich ist für mich das Pferd und der Umgang wichtiger, als zu surfen oder sozial media Kontakte zu pflegen
Das muss in diesen 2-3 Stunden nun wirklich nicht sein

Ich habe auch schon beim Warmreiten im Schritt am langen Zügel das eine oder andere Telefonat geführt. Ich weiß, dass sich das nicht gehört. Bei einem dicht gedrängten Tag voller Termine kann das aber schon mal wertvolle Minuten retten, wenn ich weiß, dass irgendwelche Kleinkram (z.B. auf der Arbeit) dann schon geregelt ist.

Aber zurück zum Thema Pferdesprache. Oder der Frage, warum viele Menschen, besonders jüngere (Fragezeichen!), die Sprache der Pferde nicht lesen und nicht deuten können. Ich denke, dies ist ja auch einem andauernden Lernprozess unterworfen. Und egal, an welchem Punkt im Leben man gerade steht, man meint ja immer, dass man gerade auf dem höchsten Stand der Weisheit ist (ich übertreibe natürlich, ich weiß).

Als Beispiel dient eine Situation von mir selbst mit meiner Peri. Liegt bestimmt zwanzig oder mehr Jahre zurück. Ich hatte mich damals intensiv mit Klaus Ferdinand Hempfling beschäftigt und auch einige Seminare besucht, war mehrmals in Spanien (und später dann in Dänemark). Klaus wies immer wieder darauf hin, dass es "gefährlich" sei zu meinen, zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben hätte man "alles verstanden". Leben ist niemals endende Entwicklung, und unsere Aufgabe besteht darin, immer mit allen Sinnen auf Empfang zu bleiben, um die Lebensaufgaben, die sich uns stellen, wahrzunehmen und uns damit auseinanderzusetzen.

Trotz dieser "Warnung" und obwohl ich ein Typ Mensch geht, der sehr vorsichtig an die Dinge herangeht, dachte ich mir eines Tages: "So, jetzt werde ich mit meinem Pferd auch mal im Picadero arbeiten!" Gesagt, getan. Und es "klappte" alles wunderbar! Peri reagierte tatsächlich auf feinste Körpersignale, galoppierte, stoppte, wendete - das ganze Programm. Dazu ist zu sagen, dass die Kommunikation mit Pferden über Körpersprache ja damals quasi revolutionär war. Das gab es bis dahin nicht oder war in Deutschland zumindest nicht populär.

Nach wenigen Einheiten entstand dann folgende Situation: Sobald ich aus dem Auto stieg, mit dem ich zu unseren damaligen Sommerweiden fuhr, hob Peri den Kopf, drehte sich um und galoppierte unmittelbar ans hinterste Ende der Wiese. Och, dachte ich, komisch, warum macht sie das? Hab sie geholt und mit ihr gearbeitet. Alles "funktionierte" wie gewohnt wunderbar. Ich fühlte mich schon als die geborene Pferdeflüsterin. Nächster Tag das selbe: Pferd rennt vor mir weg - und das, obwohl wir doch im Picadero zu solch einer tollen Einheit verschmolzen waren (dachte ich jedenfalls).

Es dauerte einige Zeit, bis ich merkte, dass ich viel zu viel Druck machte - und das, ohne es überhaupt wahrzunehmen und zu kapieren. Im begrenzten Picadero unterwarf Peri sich vollkommen und führte alles aus, was ich von ihr verlangte. Dass sie keine Freude daran hatte und einfach nur gehorsam "ablieferte", bemerkte ich nicht. In ihrer Freizeit und in der (relativen) Freiheit auf den Weiden zeigte sie mir deutlich, dass sie mich als Mensch nicht gerade schätzte.

Ich schäme mich noch heute dafür, dass ich so lange gebraucht habe, um das zu verstehen. Aber wie war das: Leben ist Entwicklung. Und die jungen Damen mit den Handys entwickeln sich sicher auch noch weiter.

Das Problem mit dem "viel Zuviel Druck" habe ich auch so ähnlich kennen gelernt wie Du, Britta:

Cuvee ist mir als knapp 2 jährige aus dem Reitplatz gesprungen über einen gut 1,20 hohen Zaun - als ich sie wegen "Übermut und Missachtung" maßregeln wollte und dabei natürlich auch emotional wurde.
Zu unserem großen Glück sind Pferd nicht nachtragend und empathische Menschen sind durchaus lernfähig
Und ich denke, dass genau solche Erfahrungen nötig sind, um uns eben diese wichtigen Dinge beizubringen.


Aber irgendwie fehlt mir allmählich der Glauben in die Lernfähigkeit und Empathie Fähigkeit der nachfolgenden Generationen, die selbst an der Bushaltestelle untereinander nur mehr mittels Handy und social media miteinander kommunizieren