Ich habe am meisten über Pferde und deren Verhalten gelernt, als mein erstes Pferd, ein Absetzer, zur Hengstaufzucht in einer Herde von 10-12 Hengsten und Wallachen aufwuchs. Die Jungs waren im Sommer tagsüber im Laufstall und nachts auf der riesigen Weide, damit sie keine Berührungen mit den Zuchtstuten und den Stuten des Pensionsbetriebs hatten. Meine Freundin und ich haben sie oft abends zur Weide gelassen, über einen Treibweg liefen sie frei. Dann saßen wir stundenlang auf dem Zaun und schauten dem Treiben zu. Es war super interessant, die Rangordnung und das Treiben dieser Junggesellen-Herde zu beobachten. Damals hab ich es bewusst studiert. unbewusst wohl schon vorher mein Leben lang. Der Betreiber dieses Hofes, auf dem ich meine reiterliche Jugend verbracht habe, hat mal zu mir gesagt: Wenn hier die Mädels ausm Dorf aufkreuzen und reiten wollen, lass ich die gerne mal ein Pferd von der Wiese holen. Dann guck ich mir an, wie die sich den Pferden nähern, ob die es überhaupt schaffen eins einzufangen... dann weiß ich direkt, ob ich die brauchen kann oder nicht Ich gehörte jahrelang zum Inventar des Hofes, das waren tolle Lehrjahre. Und ich denke heute, wenn bei den Reitern heute der Fokus so sehr auf dem Reiten liegt, nehmen die sich keine Zeit das Pferd auch als Geschöpf zu sehen. Die Versorgung, Füttern, all das ist so interessant, wenn man das Tier wirklich kennen lernen möchte.
Bizarro schachtet jetzt auch immer wieder mal aus, letztens beim Hufe machen. Anscheinend vertraut er mir jetzt genügend um sich total hängen zu lassen Ich kann bei der Gelegenheit auch den Schlauch sauber machen, das hat er bisher nicht zugelassen.
Noch eine kleine Anekdote zum Ausschachten und abklatschen: Die Eröffnungsszene im "Zauberwald" vor ca. 15 Jahren. Ein älterer Araberherr steht als "letztes Einhorn" völlig entspannt in der Manege. Der Sprecher erzählt, daß die Einhörner bedroht sind und von den Bösen gejagt werden. Die Musik wechselt, die Bösen, dargestellt von Friesen reiten ein. Eigentlich sollten Einhorn und zughöriges Elfchen jetzt von der Bühne verschwinden. Das Elfchen versucht, das Einhorn wegzuziehen, aber dieses ist völlig in sich versunken und die Entspannung wechselt in Erregung In eine Sekunde der Stille platzt eine Kinderstimme mit den Worten "Mama, was macht der da?" Prompt kicherte alles!
Es gibt aber doch einen Unterschied zwischen diesem Entspannten-Hängen-Lassen, das sicherlich mit einem Wohlgefühl und Vertrauen einhergeht, und diesem sehr aufgeregten/erregten Ausfahren mit Brummeln, Schnobern und Halsbeugen. Letzteres zeigen sie eher bei Zirkuslektionen und Freiarbeit, also wenn sie sehr "angeknipst" sind. Und ich glaube, da ist es ein schmaler Grat zwischen Dulden und Verbieten. Siehe Susannes Erfahrung mit Jaleoso.
Wer bei FB ist, dort gibt es eine tolle Gruppe, über Gestik und Mimik bei Pferden und was man daraus lesen kann. Mir ist das lesen immer leichter gefallen, als meine Freundin ( welche fantastisch TK kann) mir immer wieder meine Tiere dazu erklärte. Ihre Nachhilfestunden haben mich gut lesen lernen lassen, was auch des öfteren anderen zugute kommt. Wenn Pferde zu sehr das "Dagegenschild" raus holen, ist eh meist was im Argen mit der Ausrüstung, oder Umgang. Jedoch auch Krankheiten verändern ihr Verhalten sehr. Wir haben da sehr oft Erfahrungen gemacht, dass Borrelien und Herpes sehr oft Ängste und rüpeliges Verhalten ausgelöst hatten. Nach der Behandlung kam meist die Wandlung. Natürlich ist es auch oft eine Frage der eigenen Ausstrahlung, ob sie meinen, einem zuhören und folgen zu wollen. Ich bin nun zum Glück davon weg, mit Sanktionen zu reagieren, was sonst an der Tagesordnung war. Ich selbst mag gerne so "geführt" werden, dass ich es kaum merke, dass es meine Vorgesetzte tut, genau so ist es mit meinen Tieren, was so tatsächlich besser funktioniert. Lesen ist immer irgendwie da, das ist auch nicht mehr abzustellen, dadurch ist dann jedoch eine feine Kommunikation möglich.
"Dominanz ist dummes Zeug. Man muss das Vertrauen der Pferde gewinnen und mit ihnen reden." George Theodorescu (1925-2007)
Ich habe zu dem Thema eine Frage, vielleicht hat ja hier jemand eine Antwort.
Ich beobachte bei meinem Seppi seit dem Umzug auf den Friesenhof und auch jetzt noch im neuen Stall zuhause eine Mimik, die er so noch nie gezeigt hat, jedenfalls habe ich es noch nie so und so häufig wahrgenommen.
Er lässt die Unterlippe hängen und "klappert" auch manchmal so damit...
?? Ich habe versucht zu lesen und mich einzufühlen und ich assoziiere irgendwie Trauer damit, Verunsicherung... aber ich bin nicht sicher. Habe früher auch Pferde gekannt, die das so gemacht haben... aber die waren schon so, als ich sie kennen lernte... und es kam mir wie eine Angewohnheit vor... Seppi hat das nie gemacht... es ist neu... und er zeigt es dann, wenn er eigentlich ruhig/entspannt ist... aber er kommt damit auch zu mir... also z.B. verfolgt er mich beim Abäppeln, stellt sich neben mich und "klappert" dann so mit der hängenden Unterlippe. Ich habe das Gefühl, er will mir dringend was mitteilen, und weiß nicht so recht was...
Insgesamt ist er im Paddock/Stall ruhiger... auf der Wiese fängt er wieder an zu tigern, wenn die erste Sättigung nach 30-60 min eintritt. Mit Hermann klappt es gut. Habe die beiden schon bei der Fellpflege "erwischt"
Erstmal toll das es mit Hermann und Seppi so gut klappt und sie sich immer mehr annähern.
Also irgendwas will er dir auf jedem Fall damit sagen, ist dir sonst noch irgendwas aufgefallen was er früher nie gemacht hat? Wie fühlt sich sein Bauch an, ist es weich oder eher hart, aufgegast oder normal ? Gähnt er mehr als sonst, Kotwasser oder sehen die Äppel anders aus? Vielleicht hat er Magenschmerzen durch Stress .... durch dieses tigern macht er sich ja schon selber irgendwie Stress, Stallwechsel, neuer Kumpel ... Hengste reagieren da ja oft sehr sensibel. Sind nur Vermutungen aber irgendwo muss man ja ansetzen.
Liebe Grüße, Petra
Der Kluge lernt nach dem ersten Fehler, der Dumme nach dem x-ten Fehler, der Weise lernt nie aus.
Unterlippe hängen lassen kenne ich von entspannten Pferden. Meist wenn mindestens ein Mensch da ist, der ja dann "aufpaßt", z.b. wenn vor dem Reiten geputzt wird und sonst nichts los ist. Dann kann ich auch mal mit dem Finger an der Unterlippe mitklappern Auf der Koppel sehe ich das auch bei älteren, abgeklärten Tieren, von denen gerade niemand was will - standby modus.
Als Verunsicherung würde ich das nicht sehen. Bei Unsicherheit ist eher das Maul zu und eine gewisse Grundspannung zu merken.
Anscheinend kommt Seppe an in seiner neuen Welt.
LG Ameli
PS: hier mal zwei Bilder, eins von Bizarro, eins von Jesko, der trotz schlabbernder Unterlippe dann mit der Zunge rumspielte.
Ameli
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
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Standby-Bizarro.jpg
Standby-Jesko.jpg
Ich würde eine klappernde Unterlippe als Kommunikation auslegen - je nach Gesichtsausdruck und Körpersprache dabei könnte es Stress, Überforderung, Unsicherheit, Unterwerfung, Unzufriedenheit mit der gesamten Situation oder auch Ausdruck einer physischen Störung sein.
Die hängende Unterlippe ist so wie Ameli erklärt hat, meistens in einer Entspannungsphase zu sehen.
Das Klappern sieht man eher bei (innerer) Anspannung oder als ein Relikt des Fohlenalters, wo "Mäulchen klappern" gegenüber ranghöheren oder fremden Pferden eingesetzt wird.
Stimmt, das Fohlenverhalten! Ist das nicht häufig von Kaubewegungen begleitet?
Sieht albern aus, wenn man einen halbwüchsigen Flegel hat, der über die Stränge geschlagen hat, jetzt versucht zu beschwichtigen, aber immer noch in der ganzen Grundhaltung frech ist. Als ob er sagen wollte "Ätsch, Du darfst mir jetzt nichts tun, denn ich bin ein Fohlen!"
@Seppe, klappert er denn mit hängender Unterlippe oder ist die Unterlippe gleichauf mit der Oberlippe, wenn er das macht? Könntest Du uns mal ein Bild davon einstellen?
Ich kenne das Fohlenkauen... aber anders.. Seppi kaut nicht... er lässt die Unterlippe hängen... was wie ich finde einen etwas dämlich unglücklichen Ausdruck macht … und wenn er mir so hinterherläuft, dann klappert er mit der hängenden Unterlippe immer so an die Oberlippe...
Ich finde es wirkt schon verunsichert… Den Stress auf dem Friesenhof habe ich durchaus erkannt und auch ernst genommen... er bekommt ja so einen Magenschoner, den habe ich auch nochmal neu gekauft, den möchte ich noch weiter füttern... das ist nicht ausgestanden. Auch gab es Situationen auf dem Friesenhof, wo er böse war. Böse in einer Form, in der ich ihn noch nie gesehen hatte. Er hatte ein gekräuseltes Maul, schmale Nüstern und war kurz vor Vulkanausbruch innerlich. Witzig ist, dass sein Vater diese Eigenschaften wohl hatte, und ich gewarnt wurde, dass seine Söhne mitunter böse Pferde sind. Ich hatte schon immer son Gefühl, dass er das in sich trägt, und wenn die Haltungsform nicht stimmt, dass das dann Zutage kommen könnte. Habe immer gesagt, "Sperre den in ne Box und rationiere Futter, dann haste den bösen "Mintse Sohn". Dies hatte ich in den 3 Monaten auf den Friesenhof ein oder zweimal... war dann auf dem Reitplatz ordentlich Dampf ablassen, und hatte danach wieder "Meinen" Seppi mit dem freundlichen Gesicht zurück. Das war für mich eindeutig.. aber diese hängende, klappernde Unterlippe kann ich nicht so richtig einordnen. Ich versuche es mal fest zu halten...
Ist das Klappern der Unterlippe bei einem eher entspannten Gesichtsausdruck, z.B. im Takt der Bewegung lose? Oder ein mehr hektisches "Kampfklappern" mit einem deutlich lauten "Schnappgeräusch"?
Sowas machte ein Blüter bei uns, sobald er mit Trense und Zügelkontakt geritten wurde - und das war ein deutliches Zeichen von Unbehagen und Stress. Man konnte dieses Kampfklappern aber auch deutlich an seinem Gesicht und anhand der Körpersprache lesen - und führte letztendlich zur vorzeitigen Pensionierung des Pferdes, weil er sichtlich mit dem "Geritten werden" völlig überfordert war - warum auch immer
Bei einem entspannten Gesichtsausdruck würde ich dieses Unterlippe gegen die Oberlippe pressen eher so interpretieren, daß er mit einer Situation überfordert ist und irgendwie "nichts mit sich anzufangen weiß" - ähnlich wie wenn wir die Backen aufblasen und Stoßseufzer von uns geben
Wir hatten eine Quarterstute bei uns am Stall (die letztes Jahr aufgrund diverser Arthrosen und Hufrehe eingeschläfert wurde), die sowas oft machte. Meistens tat sie es auf dem Paddock, wenn sie einfach nur herumstand. Es war richtig so ein "plappendes" Geräusch zu hören, in recht hoher Frequenz. Sie machte dabei keinen gestressten Eindruck - glaube, bei ihr war es eher Langeweile.
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22.11.2019 11:26 (zuletzt bearbeitet: 22.11.2019 11:31)
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